Gerade weil mit SAP mittlerweile auch ein Konkurrenzverhältnis besteht, sind die potenziellen Akquisitionsziele, von denen Du sprichst, in meinen Augen insgesamt etwas zu sehr auf SAP-Geschäft ausgerichtet. Du sprachst konkret von Conversion Nearshoring und kleineren SAP Häusern. Das fände ich beides gut, aber ich denke man muss auch darüber hinaus akquirieren und hat das in den letzten Jahren versäumt.
Zunächst mal: Nearshoring ist sicher wichtig, um bei der Abarbeitung der S/4HANA Transition gute Margen zu erzielen, denn SNP dürfte auch einen großen Schluck aus der Pulle nehmen. Von einer anstehenden Übernahme in Osteuropa war bereits vor einem Jahr auf der Pressekonferenz die Rede. Passiert ist aber leider nichts. Hier wird es Zeit, das ganze in trockene Tücher zu bringen. Denn so viele funktionale Targets mit bestehendem Stamm an S/4HANA Transition-Experten wird es nicht geben in Osteuropa. Und man wird bei dem Target auch einige Zeit brauchen, bis man deren Geschäft und Mitarbeiter auf die Bedürfnisse von A4O umgestellt hat. Ich hoffe, man zögert das nicht zu lange heraus. Denn wenn die geplante Übernahme platzen würde, hätte All for One auf einmal ein Personal- und Kostenproblem um Conversion/4 auch umzusetzen, und konkurrierende SAP-Häuser würden Zeit gewinnen, alternative Lösungen aufzubauen.
Auch die Übernahme von weiteren deutschen SAP Häusern hielte ich prinzipiell für nicht schlecht, insbesondere wenn man sich dadurch neue Kundengruppen abseits der Bereiche Maschinenbau, Anlagenbau und Automotive Supply erschließen kann und spezielle Sektorlösungen gewinnt.
Aber: wie eingangs beschrieben, halte ich es für einen Fehler, weiterhin alle Eier nur in das Körbchen SAP zu legen. Angesichts der steigenden Konkurrenz durch SAP selbst (SAP Cloud Services) und angesichts der steigenden Konkurrenz für SAP (z.B. durch Salesforce), ist es in meinen Augen vorausschauend nötig, sich für die Zeit nach der S/4 Welle neue Standbeine aufgebaut zu haben. Man kann hier nicht einfach nur mit der schwäbischen Wohlfühl-Mentalität alles weiterverwalten. Das geht in einem so dynamischen Markt wie IT nicht.
Hier wäre es schön eine gewisse Aufbruchstimmung zu entfalten, denn das ganze bietet ja auch große Chancen. Ein spürbarer Teil der Mittelständler macht seine IT großenteils noch selbst, mit eigenem Helpdesk und großem IT Department, das sich um Microsoft-Lizenzen, Sharepoint und IT Security kümmert. Viele beschäftigen auch eigene Programmierer. Das dürfte es in der Form in 10 Jahren nicht mehr geben, weil zentralisierte Systemhäuder das wahrscheinlich billiger und besser können.
Ein erheblicher Teil der potenziellen Kunden hat bereits angefangen, an größere Spezialisten/Cloud-Systemhäuser outzusourcen. Allerdings denke ich, dass All for One hier momentan zu klein sein dürfte um Skaleneffekte sinnvoll zu nutzen und es versäumt hat, Übernahmen vorzunehmen, um Mitarbeiter-Expertise, Größe und neue Kunden zu gewinnen.
Mann muss aufpassen, dass man in 10 Jahren nicht zerrieben wird zwischen Konkurrenz von (a) SAP selbst (für Cloud-Hosting), (b) hochskalierte IT Outsourcing Wettbewerbern, die immer weiter durch Übernahmen wachsen (für Microsoft und Standard IT) und (c) Firmen mit starker Programmier- und Sensorkompetenz (im Bereich IOT und Softwareeinbindung).
Der am leichtesten zu beackernde Bereich ist hier vermutlich Managed Services. Die erste Outsourcing-Welle hat man bei All for One verpasst. Ich hoffe, man stellt sich für die zweite Welle jetzt besser auf. Denn dieser Kuchen wird heute vergeben, nicht morgen. Und wenn ein Kunde, der mal die eigene IT abgegeben hat, zufrieden mit dem externen Provider ist, wechselt der auch nicht mehr so schnell zu All for One oder sonst wem. All for One hat es hier leider versäumt konkurrierende Systemhäuser mit diesem Fokus zu kaufen oder einem Kunden mal die IT-Abteilung per Carve-Out abzunehmen. Ein verwandter Bereich ist IT Security. Auch hier hätte sich eine Übernahme angeboten, kam aber nie.
Im Bereich IOT/programmieren wiederum ist All for One derzeit so schwach, dass ich mich frage, ob man das überhaupt je selbst beackern kann. Hier sind die Risiken sicher auch höher, denn niemand weiß, wann man mit IOT wirklich echtes Geld verdienen kann. Da haben es Unternehmen wie Adesso deutlich leichter, die von der Programmier-Seite kommen, größere Kunden haben und die nötigen Experten auch für andere Zwecke einsetzen können. Bin gespannt, welchen Plan man hier verfolgt.
Zusammenfassend: ich hoffe, dass man nicht nur den Weg des geringsten Widerstandes geht und weiter alles Geld auf SAP Beratung wettet. Die anderen Bereiche sollten wachsen, wenn man an die Zeit nach der S/4 Welle denkt. Der Moment zum Handeln ist in meinen Augen jetzt, nicht in fünf Jahren, was das angeht.
Danke nochmal für Deine fundierten Anmerkungen, Aktienfundi. Ich bin sicher zur Bilanzpressekonferenz und Veröffentlichung des GB im Dezember werden wir mehr vom Unternehmen hören! |