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Der Steuer-Knaller
Steuern auf Immobilien. Steuern auf Gewinne mit Aktien und Anleihen. Eine ganz andere Stadtplanung, damit mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht. Ein Zuschuss für Berufseinsteiger in den ersten Berufsjahren, vielleicht fünf bis zehn Prozent ihres Gehalts, als Ausgleich für teure Ausbildungskosten. Wer um Himmels willen fordert denn so etwas? Wird hier eine Art neues „Kommunistisches Manifest“ abgedruckt?
Nun, das alles fordert die Deutsche Bank. Genauer, Jim Reid, Global Head of Funda-mental Credit Strategy and Thematic Research der Bank, und sein Co-Autor Luke Templeman. Die Forderungen stehen in einer Aufsatzsammlung, in der es darum geht, wie die Welt nach der Pandemie erneuert werden kann. Genau geht es in dem Beitrag um den Frust der jungen Generation. Sicher sehr von amerikanischen und britischen Erfahrungen geprägt, provokant, aber bitterernst gemeint. Einen Blick wert, weil so vieles über den Atlantik und den Ärmelkanal zu uns schwappt, im Guten wie im Schlechten.
Die Befunde: Die jungen Amerikaner sind stärker von der Demokratie enttäuscht als jede Generation vor ihnen. Corona hat das noch verschlimmert, denn junge Arbeitneh-mer haben eher in Branchen wie der Pflege gearbeitet, wo die Arbeit härter wurde. Wer in der Rezession seinen Abschluss gemacht hat, hat überdies keine Aussicht auf einen Job und wird, wenn der Einstieg gelingt, oft lebenslang weniger verdienen als beim Ein-stieg in besseren Konjunkturzeiten. Das traf die Jungen auch nach der Finanzkrise – die beiden größten Schocks der letzten 100 Jahre passierten binnen zwölf Jahren.
Diesen Erfahrungen und Realitäten stellen die Deutschbanker die Babyboomer ge-genüber. Die hätten hart gearbeitet, um sich etwas aufzubauen, aber auch viel Glück gehabt. Zum Beispiel oft Vermögen erworben, das dank der sinkenden und heute ul-traniedrigen Zinsen immer wertvoller wurde, etwa Immobilien und Aktien. Immer neue Geldspritzen der Notenbanken treiben den Prozess immer weiter an. Die junge Generation? Kann sich oft keine Immobilie mehr leisten, so viele junge Amis und Briten wie noch nie wohnen mit 30 Jahren und darüber noch bei ihren Eltern, zumal der Zuzug in die Städte wuchs und ein Regulierungsdickicht Neubauten oft erschwert. Man könn-te argumentieren, so die Autoren, dass die Älteren, die Assets besitzen, eine Art „un-fairen Vorteil“ gegenüber der jüngeren Generation hätten. Schieres Glück des richtigen Timings, dass der Nullzins ihr Betongold und ihre Aktien nach oben treibt. Nebenbei mussten die Jungen noch viel mehr Geld und Zeit in ihre Ausbildung ste-cken als früher; das hat in den USA mit den immensen Studienschulden sicher eine andere Dimension als in Deutschland.
Zu alledem kommt noch, dass die Jungen die Erfahrung machen, dass ihre Kohorte keine Wahlen gewinnen kann gegen die älteren Teile der Bevölkerung. Mit den jüngeren Briten (bis 44 Jahre) hätte es keinen Brexit gegeben und mit den jüngeren Amerikanern (bis 49) keinen Präsidenten Trump.
Aber genau das wird sich ändern. Ende dieses Jahrzehnts werden im Schnitt der sieben westlichen großen Industriestaaten die Generation Z, die Millennials und jüngere Kohorten über beinahe so viele Stimmen verfügen wie die älteren Generationen. Der Ärger der Jungen, fürchten Reid und Templeman, birgt das Risiko, dass ein Populist ihn einfängt und den Kapitalismus auf den Kopf stellt – das wäre ein Desaster für jedermann. Daher das Plädoyer der Deutschbanker für eine Umverteilung – zum Beispiel mit den oben schon genannten Steuern. Die Babyboomer, so schreiben sie, wollten sich doch in einer Wirtschaft zur Ruhe setzen, die ihre Pensionen, ihr Wohlbefinden und das Gesundheitswesen unterstützt. Die vielen Älteren hingen vom Goodwill der Jungen ab, von den Früchten von deren Ausbildung, ihrem Willen, wieder größere Familien zu gründen. „Der-zeit gibt es diesen Goodwill nicht.“ Ohne eine frühe, freiwillige Umverteilung, glauben Reid und Templeman, werden die Jüngeren, wenn sie die Macht erobern, eben selbst massiv umverteilen und die Fundamente der Marktwirtschaft erschüttern.
Als Babyboomer kann man nur wünschen, dass diese Prognose zwar Aufsehen erregt, aber nie eintrifft.
Ihr Frank Mertgen, stellv. Chefredakteur FOCUS-MONEY 49/2020 |