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Die 30-Billionen-Lücke entlarvt eine „Dekade der Überheblichkeit“
Seit zehn Jahren geht es an den Börsen nach oben. Doch der vermeintliche Wohlstand ist das Resultat einer Geldschwemme, die der Welt einen Schuldenrekord beschert hat. Diese monetäre Dekadenz kennt zwei Sieger – und einen großen Verlierer. Es war ausgerechnet die interne E-Mail eines Bankers, die die Wende an der Wall Street und den globalen Märkten brachte. Am 10. März 2009 hatte der damalige Citigroup-Chef Vikram Pandit in einem Schreiben an seine Mitarbeiter vermeldet, dass die einst weltgrößte Bank in den ersten beiden Monaten schwarze Zahlen schreiben konnte.
Auch interne „Stresstests“ mit sehr pessimistischen Annahmen hätten ergeben, dass die Citigroup über genügend Kapital verfüge, ließ er wissen. Der Pessimismus der Märkte sei übertrieben. Die Aktie der Citigroup schoss daraufhin um mehr als 38 Prozent in die Höhe und notierte wieder bei mehr als einem Dollar.
Die Wende bei den Bankaktien vor genau zehn Jahren löste eine beispiellose globale Börsenrallye aus, die bis heute anhält. Der amerikanische Aktienindex S&P 500 legte seither um mehr als 400 Prozent zu. Selbst der Deutsche Aktienindex Dax, der vor genau zehn Jahren bei 3588,89 Punkten ein Tief markierte, steht heute 214 Prozent höher als im März 2009. Binnen einer Dekade wurde an den Börsen ein Wert von gut 50 Billionen Dollar geschaffen.
Quelle: Infografik WELT
Das ist umso bemerkenswerter, als im gleichen Zeitraum die globale Wirtschaftsleistung lediglich um gut 20 Billionen Dollar gestiegen ist. Sprich: Es klafft eine riesige Lücke, an den Börsen wurden 30 Billionen Dollar zusätzlich geschaffen, die nicht nur durch die Realwirtschaft gedeckt sind.
„In diesem Konjunkturzyklus sehen wir historisch betrachtet einen relativ schwachen Wirtschaftsaufschwung, dafür aber einen überdurchschnittlichen Zuwachs an den Börsen“, konstatieren die Analysten von Goldman Sachs. Die Strategen der amerikanischen Investmentbank haben die Wirtschaftszyklen seit 1950 und die damit korrespondierenden Börsenaufschwünge betrachtet.
Quelle: Infografik WELT
Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich die Börsen kräftiger erholen als die Realwirtschaft. Doch die Diskrepanz seit 2009 ist durchaus bemerkenswert. Legte die amerikanische Ökonomie im Schnitt in den ersten zehn Jahren nach einem Einbruch um fast 50 Prozent zu, ist die Erholung seit dem Tief 2009 viel schwächer ausgefallen. Die Börsen wiederum gewannen vom Tief im Schnitt rund 250 Prozent, doch dieses Mal beträgt das Plus satte 400 Prozent. Der Aktionär ist also der große Gewinner der vergangenen Dekade – und spätestens seit 2010 auch der Besitzer von Immobilien.
Die überdurchschnittliche Kursperformance seit 2009 ist teuer erkauft. Allein die drei großen Notenbanken haben Billionen in die Börsen gepumpt, um die Finanzkrise unvergessen zu machen. In den vergangenen zehn Jahren injizierten die amerikanische Fed, die Bank von Japan und die Europäische Zentralbank (EZB) zusammen zehn Billionen Dollar in die Märkte und senkten die Zinsen auf historisch niedrige Niveaus. Das verfehlte seine Wirkung nicht. Staaten und Unternehmen nutzten das billige Geld und machten kräftig Schulden. „Die großen Notenbanken haben in der vergangenen Dekade im Schnitt eine Billion Dollar pro Jahr in ein ohnehin überschuldetes Finanzsystem gepumpt“, sagt Eugen Keller vom Bankhaus Metzler.
Experte hält Börsenaufschwung für künstlich geschönt Die Zahlen klingen bedrohlich. Seit der Finanzkrise sind die Verbindlichkeiten von Staaten, Firmen und privaten Haushalten von 118 Billionen Dollar vor der Finanzkrise auf aktuell 178 Billionen Dollar in die Höhe geschossen. Sprich: Es wurden zusätzliche Schulden von rund 60 Billionen Dollar gemacht. Gerade gemessen an den neuen Schulden zeigt sich, wie teuer die Rallye erkauft ist. Schließlich wurden umgerechnet rund drei Dollar gebraucht, um einen Dollar Wirtschaftsaufschwung zu erzielen.
Diese ökonomische Unwucht ging vor allem zu Lasten der einfachen Zinssparer. Wer sein Erspartes auf Tagesgeldkonten oder sicheren Festgeldanlagen gelegt hat, muss sich seit Jahren als Verlierer der Notenbank-Politik fühlen. Die Währungshüter haben alles getan, um die Rallye am Laufen zu halten.
Das Missverhältnis offenbart sich besonders eklatant in den USA. „2018 sind die Schulden in Amerika um 1,5 Billionen Dollar gestiegen, das entspricht rund sieben Prozent der Wirtschaftsleistung. Dagegen ist die Ökonomie nominal aber nur um 5,3 Prozent gewachsen“, sagte Jeff Gundlach, Gründer der Anlagegesellschaft DoubleLine Capital dem Finanzdienst Real Vision. „Da muss man sich schon fragen, ob wir wirklich noch wachsen oder nur dank Schulden die Ökonomie zulegt.“
Quelle: Infografik WELT
Er hält auch den Börsenaufschwung für künstlich geschönt. Irgendwann würden die Schulden die Firmen einholen und aus den Kursen wieder Luft entweichen. Die Verschuldung der amerikanischen Konzerne hat zuletzt mit rund sieben Billionen Dollar einen Rekord erreicht. Viele Firmen haben das billige Geld genutzt, um Anleihen herauszugeben und mit dem Geld eigene Aktien zurückzukaufen.
Im vergangenen Jahr wurden allein an der Wall Street von den Firmen Papiere im Wert von rund 900 Milliarden Dollar gekauft. Das hat zwar die Kurse der Aktien weiter getrieben, aber das operative Geschäft der Unternehmen nicht wirklich verbessert.
Im Gegenteil: Schulden machen die Firmen anfälliger für den nächsten Abschwung. Allein in diesem Jahr müssen Unternehmensanleihen im Wert von 700 Milliarden Dollar erneuert werden, im kommenden Jahr wird das gleiche Volumen noch mal fällig.
Sollte sich die Konjunktur weiter eintrüben, könnten viele Firmen Probleme bekommen, ihre Kredite zu annehmbaren Konditionen zu verlängern. Die Experten von der Bank of America Merrill Lynch sprechen von einer „Dekade der Überheblichkeit“.
„Am 12. März 2009 befanden sich die Kreditmärkte auf dem Tiefpunkt. Doch das befürchtete Armageddon blieb aus, und dank des billigen Geldes folgte eine Dekade der großen Gewinne“, schreibt Bank-of-America-Experte Barnaby Martin. Doch die Strategie des billigen Geldes habe ihre Grenzen, weil es schlicht zu höheren Schulden führe. Barnaby erinnert an die jüngste EZB-Sitzung, auf der Mario Draghi noch mehr billige Kredite und länger billiges Geld versprochen hatte.
Die Märkte reagierten eher verhalten. „Eines ist klar: In der kommenden Dekade werden Anleger nicht so viel verdienen wie in der vergangenen.“ |