Komplettverstaatlichung der Commerzbank? von Henrik Voigt
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Bundesregierung plant nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Spiegel" vom Montag eine Reaktivierung des Bankenrettungsfonds SoFFin, der noch vor Weihnachten reaktiviert werden soll. Begründet wird dies mit dem Kapitalbedarf deutscher Banken. Oder etwas einfacher ausgedrückt: Mindestens eine deutsche Großbank hat derzeit so gewaltige Probleme, dass wieder der Staat rettend eingreifen muss, wie damals bei der Hypo Real Estate.
Ein ganz heißer Kandidat für einen drastischen Ausbau der Staatsbeteiligung ist derzeit die Commerzbank. Dieser fehlen nach vorläufigen Berechnungen rund 5 Milliarden Euro, um die um die höheren Eigenkapitalanforderungen der europäischen Bankenaufsicht EBA erfüllen zu können. Die von der zweitgrößten Bank bisher dazu eingeleiteten Maßnahmen sind nicht ausreichend. Sollte die bereits teilverstaatlichte Bank die Anforderungen auch weiterhin nicht erfüllen können, erwägt die Bundesregierung die Commerzbank nach Angaben des „Spiegel" zu verstaatlichen. Nach der belgisch-französischen Großbank Dexia wäre dies das zweite große europäische Geldhaus, das verstaatlicht werden müsste. Dabei wurde doch nach der letzten Finanzkrise lauthals verkündet, dass die Banken nun gerettet wären und alles auf soliden Füßen steht. Immerhin hatte die Politik zwei volle Jahre Zeit, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich solche „systemrelevanten" Pleiten nicht wiederholen, für die der Steuerzahler letztlich gerade stehen muss.
Offenbar ist unser Finanzsystem aber nach wie vor eine tickende Zeitbombe. Niemand scheint noch einen Überblock zu haben, wie ernst die Situation wirklich ist. Letztlich hat sich nichts geändert: Banken gehen zu große Risiken ein. Wenn es gutgeht, kassieren sie die Gewinne. Wenn es schiefgeht, trägt der Staat und damit der Steuerzahler alle Risiken. Aber so muss das Spiel funktionieren. Die Banken sind die größten Abnehmer der Staatsanleihen. Nur mit dem Bewusstsein, dass der Staat letztlich ihre Risiken trägt, sind sie noch zum Kauf dieser hochriskant gewordenen Papiere zu bewegen. Ohne die Banken als Käufer könnten sich die meisten Staaten nicht mehr refinanzieren. Ohne den Staat als Retter wären viele Banken dann auch offiziell pleite.
Hier ist eine gegenseitige Abhängigkeit entstanden, die man durchaus als demokratiegefährdent einstufen muss. Ich habe leider wenig Hoffnung, dass sich dieser Prozess von alleine umkehrt. Aber er ist zumindest nicht unbemerkt geblieben. Ich glaube kaum, dass die Völker Europas eine Aufgabe ihrer nationalen Souveränität im Tausch gegen ein Überleben des bestehenden völlig maroden Finanzsystems einfach hinnehmen werden. Oder besser gesagt, ich hoffe es. Selbst die zementierte deutsche Parteienlandschaft bewegt sich ja inzwischen.
In dieser Situation zeigte sich wenigstens ein konjunktureller Lichtblick: Die deutschen Industrieaufträge sind im Oktober um 5,2% gestiegen (Prognose: +1,0%) nach einem Einbruch von -4,6% im Vormonat. |