Konjunkturdaten bewegen Kurse Wirtschaftsstatistiken beeinflussen die Börse immer stärker. Anleger sollten auf drei Indices achtenAm Freitag zitterten die Börsianer mal wieder - diesmal vor der Handelsbilanz der USA für Juli. Viele erwarteten ein neues Rekorddefizit. Doch das blieb aus. Stattdessen war es gegenüber dem Vormonat sogar um fast neun Prozent auf etwas über 50 Milliarden Dollar gesunken. Die Händler beruhigten sich daher wieder, heftige Ausschläge blieben aus.
Doch das ist nicht immer so, wenn volkswirtschaftliche Daten veröffentlicht werden. Mit schöner Regelmäßigkeit erschüttern sie die Finanzmärkte. Dabei kommen sie nicht so unverhofft über die Börsianer, wie es manchmal scheint. Die Veröffentlichungstermine stehen fest, und es sind auch nur eine Hand voll Kennziffern, die Händler in Panik oder Entzücken versetzen können.
"Die wichtigsten Daten aus den USA sind der Arbeitsmarktbericht und der Einkaufsmanagerindex", sagt Jürgen Michels, Volkswirt bei der Citigroup in London. "In Europa wird zusätzlich noch sehr stark auf den Ifo-Geschäftsklima-Index geachtet", so Michels.
Zahlen zum amerikanischen Arbeitsmarkt werden jeweils am ersten Freitag im Monat veröffentlicht. Die Börsianer schauen dabei jedoch weniger auf die Arbeitslosenquote als auf die Zahl der neu geschaffenen Stellen. Denn geht sie zurück, droht ein Ende des Aufschwungs.
Was dabei in Washington publiziert wird, ist allerdings nur eine erste Schätzung. Denn die Arbeitsmarktdaten werden in den USA anders erfasst als in Deutschland. Während hier die Bundesagentur für Arbeit genaue Statistiken führt, basieren die US-Zahlen auf einer Befragung der Bevölkerung. Die Ergebnisse werden oft nachträglich noch erheblich korrigiert. Das nehmen die Finanzmärkte aber meist kaum noch wahr.
Ein weiterer Nachteil der Arbeitsmarktdaten ist, dass sie der Entwicklung der Konjunktur hinterherlaufen. Unternehmen stellen erst neue Mitarbeiter ein, wenn die Gewinne schon wieder sprudeln. Die Aktienkurse sind dann schon längst gestiegen.
Der Einkaufsmanager-Index dagegen gibt einen Hinweis, wie sich die Wirtschaft in Zukunft entwickeln könnte. Das Institute for Supply Management (ISM) befragt dazu jeden Monat die Einkäufer von rund 400 US-Industrieunternehmen, wie sich ihr Geschäft entwickelt. Jeweils am ersten Wochentag des Monats veröffentlicht das ISM das Ergebnis. Ein Wert über 50 deutet dabei auf eine expansive Wirtschaftsentwicklung hin, unter 50 auf Kontraktion.
Eng mit diesem Index verwandt ist der Einkaufsmanager-Index von Chicago, der bereits wenige Tage früher, am letzten Werktag jedes Monats, publiziert wird. Er gilt zwar nur für die Region Chicago und hat dadurch nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Er kann aber einen Hinweis geben, was vom ISM-Index wenige Tage später zu erwarten ist.
Der Geschäftsklima-Index des Münchener Ifo-Institutes ist die wichtigste Kennzahl für die Aktienhändler in Europa und wird jeweils gegen Ende des Monats veröffentlicht. Er summiert die Geschäftserwartungen und die Geschäftslage der gewerblichen Wirtschaft. Die Daten basieren auf einer Umfrage unter 7000 deutschen Unternehmen.
Auch hierzu gibt es einen kleineren Bruder, den Index des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW), der jeweils ein bis zwei Wochen vor dem Ifo-Index publiziert wird. Obwohl das ZEW nur Finanzmarktteilnehmer und keine Industrie-Unternehmen nach ihrer aktuellen Stimmung befragt, wird der Index dennoch oft als Hinweis auf den Verlauf des Ifo-Index gewertet. Neben diesen drei Trendsettern gibt es noch eine Reihe weiterer Indices, die je nach Gemütslage der Börse auf mehr oder weniger großes Interesse stoßen. So veröffentlicht die Universität Michigan beispielsweise jeweils am 15. jedes Monats ihren Index zur Verbraucherstimmung. Er basiert auf einer Befragung von 500 Haushalten und soll die Konsumstimmung der amerikanischen Bevölkerung abbilden. Sie ist wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung, denn immerhin steht der Konsum in den USA für rund 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Auch das Marktforschungsinstitut Conference Board aktualisiert jeden Monat seinen Index zum Verbrauchervertrauen. Allerdings gelangen die Daten stets erst rund zwei Wochen nach den Zahlen aus Michigan an die Öffentlichkeit. Daher finden sie an den Börsen weniger Beachtung.
Wie stark die einzelnen Indices beachtet werden, hängt letztlich jedoch auch immer von der jeweiligen Konjunkturphase ab. "Derzeit schauen alle auf die Inflationszahlen", sagt Citigroup-Volkswirt Michels. "Vor einiger Zeit waren diese Daten den Märkten dagegen noch vollkommen gleich." Doch bei anziehender Wirtschaft besteht auch immer die Gefahr einer aufkeimenden Inflation. Steigt die Teuerungsrate, muss die Notenbank mit einer Erhöhung der Leitzinsen reagieren. Dadurch wird die Refinanzierung für die Unternehmen wiederum teurer und die Gewinnmargen geraten unter Druck. Genau dies befürchten derzeit viele Börsianer.
"An diesem Beispiel ist auch schön zu beobachten, wie eine veränderte Datenlage zu einem veränderten Anlageverhalten führt", so Michels. Denn seit einigen Monaten boomt der Markt der inflationsindexierten Anleihen. Ihre Wertentwicklung ist an die Teuerung gekoppelt. "Daher sind die Händler nun darauf erpicht, Prognosen bis auf die zweite Nachkommastelle zur Inflation zu erhalten." Da dies aber bislang kein Analyst leisten kann, wird es auch in Zukunft immer wieder Tage mit überraschenden Daten und entsprechenden Reaktionen der Märkte geben. Frank Stocker
Artikel erschienen am 12. September 2004
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