Wir haben seit März 2020 mMn mal wieder ein ähnliches Phänomen: Die Börsen üben sich wegen der Geldschwemme in "Resilience", und diese Widerstandsfähigkeit gegen jede Art von Bad News - von Massenarbeitsloskeit in USA bis zur zweiten Corona-Welle in Europa - wird als "Beleg" dafür angeführt, dass all diese Widrigkeiten angeblich schon eingepreist seien und/oder keine Gefahr (mehr) darstellten.
Das Mantra lautet: Billiges Geld hebt eben alles, und es wird auch immer weiter billiges Geld geben. Wegen der Nullzinsen sollen die dabei zwangsläufig ausufernden Staatsverschuldungen keine Rolle (mehr) spielen. Der gute alte Lehrsatz von der "Schuldentragfähigkeit" werde hinfällig, wenn fortschreitende Staats-Überschuldung nicht mit fortschreitendem Abfluss von Steuermitteln in den "Schuldendienst" einhergeht.*
Der Schwarze Schwan, die hinter dem dicken Baum des Wohlgefallens lauert, ist plötzlich aufkommende starke Inflation, die Notenbanken dazu zwingt, die Zinsen wieder zu erhöhen. Tritt dies ein, könnter der SP-500 mMn durchaus wieder unter 1000 abstürzen.
Hier greift auch wieder das Wohlgefälligkeits-Paradoxon: Es gab ja seit 2009 trotz ausufernden weltweiten Gelddruckens keine Inflation. Woher sollte sie also JETZT plötzlich herkommen? (Das sagt zurzeit fast jeder Bulle.)
Das Problem dabei ist, dass die Ursachen für die (bislang) ausgebliebene Inflation von Ökonomen (noch) nicht genau verstanden sind. Wenn man aber etwas nicht versteht, ist es aber erst recht gefährlich, Spekulationen darüber zu treffen, dass "alles [wohl] immer so weitergeht". Genau das macht Wall Street.
Timen lässt sich das für Bären diesmal nicht. 2007 war es in der Hinsicht "übersichtlicher".
---------------------
* Als es noch marktübliche Zinsen gab, galt eine Staatsverschuldung ab 140 % als finanziell nicht mehr tragbar, weil dann zu viele Steuermittel für die Zinsen ausgegeben werden müssen, die die Staatsverschuldung im Teufelskreis noch weiter erhöhen. |