US-KREDITKRISE Angst vor dem schwarzen Montag Der Börse steht eine turbulente Woche bevor - denn das Wochenende war voller Hiobsbotschaften. Mehrere Großbanken sind von der US-Kreditkrise betroffen, ein weiterer Hypothekenfinanzierer ging Pleite. Wie es weiter geht, weiß keiner. Die einen beruhigen, die anderen malen Horrorszenarien. Frankfurt am Main - Soviel scheint sicher: Es wird wild zugehen an den Aktienmärkten diese Woche. Die Anleger sind hypernervös. Sobald ein weiterer US-Hypothekenfinanzierer Insolvenz anmeldet oder eine weitere Bank in den Strudel der Kredit-Krise gerissen wird, werden sie mit hektischen Verkäufen reagieren, glauben Experten. Volkswirte rechnen außerdem auch in den nächsten Tagen mit weiteren Geldspritzen der Notenbanken rund um den Globus. Schon in der vergangenen Woche haben Währungshüter weltweit innerhalb von nur zwei Tagen mehr als 230 Milliarden Euro in den Markt gepumpt, um die Liquidität der Banken zu sichern.
Getty Images Händler an der Wall Street: Er braucht auch kommende Woche starke Nerven, sagen Experten Ob die Krise am US-Hypotheken und Immobilienmarkt allerdings nur eine notwendige Korrektur oder aber der Auftakt für eine viel tiefergehende Finanzmarkt und -Wirtschaftskrise ist - darüber streiten sich die Finanzmarktexperten. Die einen verweisen darauf, dass in den USA noch fast zehn Billionen Dollar Hypothekenkredite ausstehen, davon rund ein Drittel mit schlechter oder zumindest nicht primärer Bonität. Die "Wirtschaftswoche" zitiert den Aachener Private-Equity-Experten Ralf Fix mit den Worten, für viele Anleger habe sich "ein Tor zur Hölle" geöffnet. Was dahinter hervorkomme, wisse niemand wirklich. Auch auf China richten sich die Blicke inzwischen: Dort leistet sich sei die rapide wachsende Mittelklasse in großem Stil neue Wohnungen - und die Kreditvergabe sei noch laxer als in den USA. Die chinesischen Banken, die Hypothekenkredite über umgerechnet 289 Milliarden Euro gewährt hätten, nähmen keine Bonitätsprüfungen vor, zitierte die Zeitung "South China Morning Post" den Wissenschaftler Yi Xianrong von der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. Die Behörden befürchten vor allem in großen Städten wie Shanghai ungezügelte Spekulationen und eine starke Übertreibung bei den Preisen und versuchen daher, den Markt zu zügeln. SUBPRIME Als Subprime werden Schuldner mit niedriger Bonität bezeichnet, arme Menschen, die sich den Kredit, den sie aufnehmen, eigentlich nicht leisten können. Dieser Sektor des Kreditmarktes entwickelte sich seit Anfang Juni 2003, nachdem der damalige Notenbank- Chef Alan Greenspan den Leitzins auf ein Prozent abgesenkt hatte. Dadurch nahmen plötzlich viele Menschen Kredite für Hypotheken auf - ohne zu bedenken, dass sie diese später, bei höheren Zinsen, wieder zurückzahlen müssten. Der Markt boomt: Allein in den vergangenen zwei Jahren sollen US- Finanzdienstleister 3200 Milliarden Dollar an Hypothekendarlehen ausgegeben haben - rund 20 Prozent an Kunden geringer Bonität. Mehrere Experten in Deutschland äußerten sich trotzdem optimistisch. Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Norbert Walter argumentierte in der "Neuen Presse": "Es ist immer noch sehr viel Geld im Markt, für das rentable Anlagen gesucht werden." Er halte "extreme Aufregung über die Ereignisse für völlig überzogen", ergänzte Walter in der "Börsen- Zeitung". Der Wirtschaftsaufschwung sei solide, die Gewinnsituation der Unternehmen gut. Der Chef des Deutschen Aktieninstituts, Rüdiger von Rosen, schrieb in der "Frankfurter Neuen Presse", es handle sich beim Überschwappen der US-Immobilienkrise "nicht um ein länger anhaltendes Unwetter, sondern lediglich um ein reinigendes Gewitter". "Die US-Immobilienkrise wird die Konjunktur in Deutschland nicht abwürgen", sagt auch der Konjunkturchef des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts, Michael Bräuninger, im Hamburger Abendblatt. "Die deutsche Konjunktur ist sehr robust und wird durch die Binnennachfrage getragen." Selbst wenn die Aktien vorübergehend an Wert verlören, hieße dies nicht automatisch, dass darunter die Konjunktur leide. Das Eingreifen der Europäischen Zentralbank (EZB) und anderer Notenbanken bezeichnete Bräuninger als richtigen Schritt: "Das koordinierte Eingreifen ist sinnvoll, um die Finanzmärkte zu stabilisieren." Eine Bankenkrise in Deutschland hält er derzeit für ausgeschlossen. Auch Deutsche Bank betroffen SCHNELLTENDER Der Schnelltender ist ein zentrales geldpolitisches Instrument, mit der die EZB Liquiditätsschwankungen ausgleichen kann. Innerhalb kürzester Zeit - meist in ein bis zwei Stunden - kann die Bank zusätzliches Geld in den Markt pumpen oder abziehen. Er findet nur bei Bedarf statt und ist meist auf wenige Tage begrenzt. Die Nachrichten, die am Wochenende die Runde machten, reichen aber sicherlich trotzdem, um den Anlegern die Laune zum Wochenstart gründlich zu verderben. Zuletzt machte der US-Hypothekenfinanzierer HomeBanc Pleite (mehr...)- zu dessen Gläubigern unter anderem die Deutsche Bank , die Commerzbank und die französische BNP zählen. Wie hoch die Kredite waren, die die Banken gewährten, ist noch unklar. Die Deutsche Bank wollte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE keinen Kommentar zu dem Thema abgeben. Bei der Commerzbank war niemand erreichbar. In einer Mitteilung an das zuständige Insolvenzgericht in Wilmington, Delaware hatte die HomeBanc ihr Vermögen mit 5,1 Milliarden Dollar und die Schulden mit 4,9 Milliarden Dollar angegeben. Zudem sickerte durch, dass die amerikanische Citigroup mit Kreditanleihen mehr als 500 Millionen Dollar verloren haben soll. In Deutschland steckt die Mittelstandsbank IKB obendrein weit tiefer im Kreditsumpf als bislang bekannt. Wegen des Verlustrisikos bei Geschäften auf dem US-Hypothekenmarkt hatte die Bank eine Gewinnwarnung herausgegeben, die bundeseigene KfW - die 38 Prozent an der IKB hält - sprang mit einer Kreditlinie ein. Bekannt war da lediglich die Höhe der von der Finanzaufsichtsbehörde Bafin erzwungenen Risikoübernahme: 3,5 Milliarden Euro. Tatsächlich ist die IKB aber noch viel stärker auf dem kriselnden US-Hypothekenmarkt engagiert: mit rund 7,8 Milliarden Euro. 544 Millionen Euro investierte die Bank selbst in die hoch riskanten Wertpapiere, die auf sogenannten subprime loans basieren. Weitere 757 Millionen Euro investierte die Luxemburger Tochter der IKB in die Wackel-Anleihen. 6,5 Milliarden Euro der nunmehr teilweise unwiederbringlichen Investitionen liefen über die Rhineland Funding Capital Corporation. Postbank, WestLB und SachsenLB betroffen FORUM
Börsenminus - Gefahr eines neuen Crashs? Diskutieren Sie mit anderen SPIEGEL-ONLINE-Lesern! 399 Beiträge Neuester: Heute 21:59 Uhr von A.M.HB In wie weit noch mehr deutsche Banken von der US-Immobilienkrise betroffen sind, bleibt weiterhin unklar. Ein WestLB-Sprecher sagte dem SPIEGEL, die Bank habe "über alle Positionen des Handels- und Bankbuchs 1,25 Milliarden Euro in Subprime-Wertpapieren investiert". Das Institut betont aber, dass selbst ihre zweitklassigen Kreditpapiere von den Rating-Agenturen noch gut bewertet würden. Die Postbank ist noch dabei, das genaue Engagement im Subprime- Markt festzustellen. Ende Juli hatte die Bank bereits das Volumen von Anleihen, in denen auch Subprime-Kredite stecken könnten, mit 800 Millionen Euro angegeben. Nun wurde bekannt, dass die Postbank mit 600 Millionen Euro bei zwei Gesellschaften des Rhineland-Fonds der IKB engagiert war. Von dieser Summe entfalle aber höchstens ein Drittel auf Immobilienkredite und die meisten davon seien von hoher Qualität, betonte ein Sprecher heute. "Was davon 'subprime' ist, wird analysiert." Die Bank habe die Investition inzwischen in die eigenen Bücher genommen. Die SachsenLB ist angesichts der Krise ebenfalls ins Rampenlicht geraten. Die Finanzaufsicht Bafin nimmt eine umgerechnet fast 13 Milliarden Euro schwere Zweckgesellschaft der Bank ins Visier, die wie der in Schieflage geratene IKB-US-Fonds am krisengeschüttelten Kreditmarkt engagiert ist. Die Landesbank versuchte zu beschwichtigen. "Wir haben keine Liquiditätsprobleme. Wir können alle unsere Verpflichtungen erfüllen", sagte ein Sprecher der Bank. ase/dpa/Reuters
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