NAHOST (spiegel)
Hisbollah will bis zum Abzug Israels kämpfen
Das Aufgebot Israels im Kampf gegen die Hisbollah wird täglich größer - 10.000 Soldaten kämpfen inzwischen im Libanon, dennoch ruft die radikal-islamische Miliz unverdrossen zur Gegenwehr auf: Erst mit Abzug des letzten Israelis sei ein Waffenstillstand denkbar.
Beirut - Die Hisbollah hat einen Rückzug aller israelischer Soldaten aus dem Libanon zur Vorbedingung für einen möglichen Waffenstillstand gemacht. Eine Feuerpause sei nicht im Interesse der Libanesen, so lange auch nur "ein israelischer Soldat auf libanesischem Boden" sei, sagte Hisbollah-Sprecher Hussein Rahal heute dem arabischen Fernsehsender "al-Dschasira". Es sei das Recht eines jeden Libanesen, "bis zur Befreiung" zu kämpfen.
Verstärkte Offensive: Israelische Soldaten feuern Richtung Libanon Nur wenig später folgten den Worten des Hisbollah-Sprechers die ersten Meldungen über folgenschwere Raketeneinschläge in Israel. Wie die israelische Polizei berichtete, wurden im Norden des Landes fünf Menschen durch den Raketenbeschuss der Miliz getötet. Zwei der Opfer wurden aus Acre gemeldet, drei aus Maalot. Es habe außerdem Verletzte gegeben.
Bei Gefechten im Süden Libanons wurden zudem zwei israelische Soldaten getötet. Hisbollah-Kämpfer hätten einen Panzer mit einer Rakete getroffen, teilte die Armee in Tel Aviv mit. Zwei Mann der Besatzung wurden verletzt. Die Zahl der in dem Krieg getöteten israelischen Soldaten stieg damit heute auf 39.
Mit der neuen Bodenoffensive wollen die israelischen Streitkräfte ihre angekündigte Pufferzone im südlichen Libanon schaffen. Truppen gingen heute im Bereich von elf Grenzorten in Stellung. Dabei stießen sie aber weiter auf erbitterten Widerstand der Hisbollah.
Nach Einschätzung libanesischer Sicherheitskreise versuchen die Israelis im Südlibanon offenbar drei strategisch wichtige Anhöhen zu erobern. Von dort aus seien weite Teile des Südens kontrollierbar, das heißt Gebiete entlang der Linie von der Küstenstadt Nakura zu den Hisbollah-Hochburgen Bint Dschbeil, Tebnin und Nabatije.
Bislang hätten die israelischen Truppen aber erst die Anhöhe von Marun al-Ras eingenommen, hieß es. Aus Bint Dschbeil hatte sich das israelische Militär in der vergangenen Woche nach heftigen Kämpfen zurückgezogen.
Israel hat inzwischen rund 10.000 Soldaten an der Grenze zum Libanon stationiert, die aber nur sehr langsam vorankommen. Nach Militärangaben ist ein methodisches Vordringen beabsichtigt, um sämtliche Widerstandsnester der Hisbollah auszuschalten. Ziel sei eine Pufferzone bis zum Litani-Fluss, 30 Kilometer nördlich der Grenze. Vorerst aber solle die Hisbollah aus einem sieben Kilometer breiten Abschnitt vertrieben werden. Dieses Gebiet will Israel halten, bis eine multinationale Friedenstruppe dort die Kontrolle übernimmt.
Die israelische Bodenoffensive wurde heute wieder durch den massiven Einsatz von Kampfflugzeugen unterstützt. Es seien Angriffe auf 120 Ziele geflogen worden, teilte die Armee in Tel Aviv mit. So wurden auch wieder der Süden Beiruts, eine wichtige Brücke im Osten des Libanons und Dörfer in der Nähe von Tyrus beschossen. Libanesischen Angaben zufolge wurden durch die Angriffe mindestens sechs Menschen verletzt, eine dreiköpfige Familie kam bei der Bombardierung des libanesischen Dorfes Taibeh ums Leben.
Zur Beilegung des Konflikts planen die USA und Frankreich nach Uno-Angaben gleich zwei Sicherheitsratsresolutionen. Die erste fordert ein Ende der Kämpfe und schafft die grundsätzlichen politischen Voraussetzungen für einen Waffenstillstand, wie gestern in New York verlautete. Die zweite Entschließung befasst sich demnach mit der Stationierung einer internationalen Friedenstruppe, der Sicherung der Grenze und anderen langfristigen Aspekten.
Eine Einigung stand weiterhin aus. Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy erklärte jedoch, man komme im Einklang mit den USA gut voran. Syrien versicherte dem in Damaskus weilenden spanischen Außenminister Miguel Angel Moratinos, man sei bereit, Einfluss auf die Hisbollah auszuüben, wenn dafür die politischen und militärischen Voraussetzungen gegeben seien.
Der britische Premierminister Tony Blair hofft auf ein baldiges Ende der Gewalt im Libanon. "Wir brauchen sobald wie möglich einen Waffenstillstand, dem beide Seiten zustimmen", sagte der Labour-Regierungschef heute in London. Der Uno- Sicherheitsrat werde dazu wahrscheinlich innerhalb der nächsten Tage eine Resolution verabschieden.
Israels Ministerpräsident Ehud Olmert bezeichnete in der "Financial Times" die Entsendung einer soliden internationalen Friedenstruppe als Voraussetzung für ein Ende der Feindseligkeiten. Eine Truppe von rund 15.000 Soldaten sei notwendig, um den Raketenbeschüssen der Hisbollah auf Israel ein Ende zu setzen. Die Mission müsse aus "echten Soldaten" bestehen und nicht aus "Rentnern, die ein paar ruhige Monate im Libanon verbringen wollen", fügte Olmert hinzu. Die Dauer der Offensive hänge stark von der "Natur der Uno-Entschließung" ab.
Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) forderte auf einem Krisengipfel in Malaysia einen sofortigen Waffenstillstand im Libanon. Die Vertreter von 17 der 56 Mitgliedstaaten sprachen sich zudem für die Stationierung einer internationalen Friedenstruppe mit Uno-Mandat an der israelisch-libanesischen Grenze aus. Dabei müssten die islamischen Länder eine aktivere Rolle spielen als bisher, betonte der malaysische Regierungschef Abdullah Ahmad Badawi.
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