Wie erkennt man verdecktes Kaufinteresse? von Jochen Steffens
Ich finde, dass sich die amerikanischen Indizes angesichts der Fülle der schlechten Nachrichten erstaunlich stabil halten. Heute veröffentlichte der Mischkonzern General Electric seine Zahlen. Zwar konnte im vergangenen Quartal ein Gewinn verbucht werden, doch gleichzeitig wurde vor einem extrem schwierigen Jahr 2009 gewarnt. Das schlug sich belastend auf die US-Kurse nieder. Es wird in den nächsten Tagen sehr wichtig sein herauszufinden, wo die großen Jungs gerade stehen. Dazu muss man genau beobachten, ob und wie Käufe in den Markt kommen. Aber noch wichtiger ist, wann sie in den Markt kommen.
Man kann schwer beschreiben, wie man solche Prozesse feststellt, da sie natürlich auch immer, je nach Situation, anders verlaufen. Aber ich will mich nicht auf „Erfahrung“ zurückziehen und es damit bewenden lassen. Also versuche ich mich dieser Frage durch eine Beschreibung zu nähern:
Kaufdruck in Einzelaktien
Bei Einzelaktien sieht man hin und wieder, dass die Positionen im Bid (Nachfrage) deutlich größer sind, als die im Ask (Angebot). Zudem fällt in solchen Fällen auf, dass Positionen auf dieser Seite immer schnell wieder aufgefüllt werden, sobald die Bid-Seite weggefressen wird. Auch die Größe der Einzelpositionen, die im Ask gekauft werden, kann ein Hinweis sein. Beobachtet man auf diese Weise Einzelwerte fällt dem geübten Auge sofort auf, wann plötzlich größere Käufer auftauchen. In den meisten Fällen ist das ein Hinweis darauf, dass irgendetwas mit der Aktie in nächster Zeit passiert.
Gesamtmarkt verrät sich durch zu schwache Reaktionen
Im Gesamtmarkt ist es etwas schwieriger: Hier muss man sich daran orientieren, wie die Kurse auf Nachrichten reagieren. Wenn sie zum Beispiel nach einer Nachricht zunächst einbrechen und doch unerwarteter weise wieder aufgekauft werden, ist das ein erster Hinweis, dass größere Adressen einsteigen. Geschieht das öfter hintereinander, sollte die Aufmerksamkeit zunehmen. Dabei muss es in dieser Zeit nicht unbedingt zu höheren Hochs kommen. Stellen Sie sich das so vor, dass diese nebulösen größeren Adressen alles tun, um nicht allzu sehr aufzufallen. Das tun sie, um möglichst große Summen platzieren zu können, ohne dass sie ihre eigenen Kurse treiben.
Aber man „merkt“ einfach, wenn man auf solche Hinweise achtet, dass Reaktionen nach unten abflachen. Das hängt damit zusammen, dass es natürlich wesentlich unauffälliger ist, in fallende Kurse, also nach schlechten Nachrichten, einzusteigen. Wenn dann zum Schluss sogar noch ein Minus am Tag übrig bleibt, perfekt. Dann müssen die Akteure am nächsten Tag eventuell nicht zu höheren Kursen einsteigen. Auf jeden Fall muss verhindert werden, dass zu bullishe Signale ausgebildet werden und zwar so lange, bis die gewünschte Investitionsquote erreicht wird.
Wenn die Großen satt sind, wollen sie zu große Kursverluste vermeiden
Wenn dann diese großen Adressen ihre Investitionsquote nahezu erreicht haben, kommt es gerne zu einer Art „Kurspflege“, damit die bisher eigenen Positionen nicht zu sehr ins Minus laufen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Markt gewöhnlicher weise noch nicht mitbekommen, dass hier Adressen einsteigen. Die Kurse bewegen sich in dieser Zeit tendenziell seitwärts. Immer noch kommt es aber zu dynamischen Downmoves. Diese verunsichern die kleineren Anleger, so dass sie es nicht wagen einzusteigen.
Der False Break
Doch wenn dann wichtige Unterstützungen oder sogar die letzten Tiefs nach unten brechen, passiert gewöhnlich etwas sehr Erstaunliches. Normalerweise müsste es beim Bruch der Tiefs zu einer dynamischen Abwärtsbewegung kommen. Auch weil oft an derart markanten Stellen viele Stopps platziert sind.
Doch stattdessen verliert sich der Druck der Verkäufer. Obwohl viele Stopps ausgelöst wurden, werden diese durch Käufe aufgesogen, ohne dass es zu weiteren Kursverlusten kommt. Das ist meist ein klarer Hinweis darauf, dass größere Adressen massiv kaufen. Sie müssen sich fragen, warum diese das tun, wenn sie doch zu viel tieferen Kursen auch noch einsteigen könnten? Es liegt eben unter anderem daran, dass diese Adressen bereits größere Positionen erworben haben und es wesentlich schwieriger ist, Kurse nach einem weiteren Kursrutsch wieder nach oben zu bringen, als sie rechtzeitig abzufangen.
Und dann werden bullishe Signale generiert
Der Ausbruch wird also wieder über die letzte Unterstützungszone gehievt. Das ist dann für viele Trader das „eindeutige“ Zeichen, dass hier der Weg nach unten aufgrund eines hohen Käuferinteresses versperrt ist, und genau das ist dann auch das Zeichen, dass nun eine stärkere Rally kommen kann. Die großen Jungs haben damit erreicht was sie wollten. Sie sind investiert und nun soll auch endlich eine Rally starten, damit man einen fetten Gewinn einsacken kann. So bildet sich der bekannte „False Break“ (falscher Ausbruch), der gerne eine starke Gegenbewegung einleitet.
Jetzt müssen diese Adressen nur noch dafür sorgen, dass auch wirklich die ersten oberen Widerstände gebrochen werden. Schon springen auch viele der kleineren Anleger auf und kaufen was das Zeug hält. Mit dieser letzten Position haben sie dann auch ihre geplante Investitionsquote erreicht.
Es ist unerheblich, ob es diese "Adressen" wirklich gibt
Das, was ich hier nun sehr vereinfacht beschrieben habe, soll nur verdeutlichen, wie sich ein Boden entwickelt. Völlig uninteressant ist, ob es solche Adressen gibt oder aber ob andere Effekte dazu führen, dass diese Ereignisse sich immer wiederholen (zum Beispiel weil Aktien in solchen Situationen im Vergleich zu Anleihen massiv unterbewertet sind) Es kann also durchaus sein, dass viele dieser Entwicklungen wesentlich „unbewusster“ ablaufen, als ich es hier beschrieben habe. Aber es hilft ungemein sich vorzustellen, dass es diese großen Adressen gibt, um Marktpsychologie im Zusammenhang mit Charttechnik zu verstehen. Und nur darum geht es. Ob es dann tatsächlich so abläuft, sei also dahingestellt - es muss einfach nur funktionieren.
Noch ist nichts entschieden
Und trotzdem muss man vorsichtig bleiben. Wir wissen nicht, was noch für Nachrichten kommen. Wir wissen auch nicht, welche Player mit welchen Intentionen noch an den Markt kommen. Schließlich können sich auch kapitalstarke Anleger verspekulieren. Sollte also der Ausbruch unter diese Widerstandszone nach unten signifikant gelingen, ist das Tief das nächste Kursziel. Dort müssen wir dann weiter sehen.
In deren Verlauf konnte sogar der erste Widerstand mit einem kleinen Gap-Up bei 4.375 Punkten nach oben aufgelöst werden. Trotzdem ist dieser Trend (hier im Minuten-Chart des DAX) natürlich noch sehr klein und brüchig. Zumindest haben sich damit die ersten frühen Zeichen bestätigt. Nun müssen wir warten, ob diese ersten zaghaft positiven Signale eine weitere Bestätigung erfahren. Dazu wäre als nächster Schritt ein nachhaltiges Überwinden der 4.600er Punkte Marke notwendig. Bis dahin ist all das, was wir gerade erleben, noch sehr fragil und von zweifelhafter Relevanz.
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