„Ein Teilverkauf von Freenet macht keinen Sinn“
Freenet-Chef Spoerr wehrt sich 29. August 2007 Eckhard Spoerr, Vorstandschef des Hamburger Telekommunikationsunternehmens Freenet, steht gehörig unter Druck. Aktionäre wie der Konkurrent Drillisch und der Investor Florian Homm wollen das Unternehmen zerschlagen. Drillisch würde sich daher gerne selbst von Freenet übernehmen lassen, um auf einen Schlag eine überlebensfähige Größe zu erreichen und die 3 Milliarden Euro hohen Verlustvorträge zu nutzen. Für Drillisch drängt die Zeit, denn die Verlustvorträge sind nur noch in diesem Jahr nutzbar. Spoerr spielt daher auf Zeit und sucht nun ebenfalls nach einem Partner, der Freenet übernimmt.
Herr Spoerr, wie lange bleiben Sie noch Vorstandsvorsitzender von Freenet? Mein Vertrag läuft bis Ende 2010, und den möchte ich erfüllen.
Ist das realistisch? Bisher habe ich jede Vertragslaufzeit erfüllt.
Mobilcom und Freenet werden sich wohl wieder trennen Aber Sie standen bisher noch nie so unter Druck wie jetzt? Ich stand schon häufiger unter Druck und habe ihn ausgehalten.
Aber die Frage ist doch, ob Sie gezwungen werden könnten, Ihren Posten aufzugeben, oder ob Sie selber noch das Gefühl haben, bei Freenet die Fäden in den Hand zu halten? Als Mobilcom im Jahr 2005 angekündigt hatte, dass Freenet reintegriert werden sollte, war mit Sicherheit auch nicht geplant, dass ich weiter als Vorstand tätig sein sollte. Es ist anders gekommen, als alle dachten. Daher werde ich auch jetzt nicht aufgeben, dafür zu kämpfen, was ich für richtig erachte.
Eckhard Spoerr während der turbulenten Hauptversammlung Aber im Grunde haben Sie doch aufgegeben, als Sie sich von Ihrem Plan verabschieden mussten, Freenet und Mobilcom als eine Einheit zu begreifen. Nein. Man muss trennen zwischen dem, was wir als strategische Option im Auftrag unserer Großaktionäre prüfen, und dem, was wir als Unternehmen vorantreiben, nämlich Produkte für das mobile Internet auf den Markt zu bringen. Die Großaktionäre können keinen Teilverkauf durchführen. Sie können uns nur darum bitten, diesen zu prüfen. Das tun wir jetzt.
Wie sieht denn ein realistisches Szenario aus? Im Moment sieht es so aus, dass die Aktionäre wie Drillisch und Florian Homm Druck machen, das Unternehmen in Einzelteile zu zerlegen und zu verkaufen. Dahinter steht die Hypothese, dass die Einzelteile deutlich mehr wert sein sollen als das Gesamtunternehmen. Diese Hypothese gilt es zu überprüfen.
Haben Sie darauf schon eine Antwort? Nein.
Sie haben lange behauptet, ein Teilverkauf sei nicht sinnvoll. Jetzt sagen Sie, das könnte doch richtig sein. Was denn nun? Ich bin weiterhin der Meinung, dass ein Teilverkauf keinen Sinn macht, da der verbleibende Teil nicht stark genug aufgestellt ist im deutschen Telekommunikationsmarkt. Es kann aber durchaus sinnvoll sein, wenn die unterschiedlichen Teile bei verschiedenen Unternehmen landen. Wenn zum Beispiel ein Mobilfunk-Netzbetreiber Interesse hätte, Freenet zu übernehmen, weil er unsere Strategie des mobilen Internet gut findet, könnte er unser Internetzugangsgeschäft und das Internetportal übernehmen. Nur für unser Mobilfunk-Serviceprovidergeschäft müsste eine andere Lösung gefunden werden, da ein Netzbetreiber keinen Service-Provider halten darf. Mit Zugriff auf ein Mobilfunknetz könnten wir unsere Strategie sogar besser umsetzen als heute.
Das heißt, Sie verhandeln mit Mobilfunk-Netzbetreibern über eine Übernahme von Freenet? Über die Gespräche werde ich jetzt nicht berichten. Aber es ist ja klar, dass die Mobilfunk-Netzbetreiber in der Konsolidierung des deutschen Telekommunikationsmarktes eine wichtige Rolle spielen können.
Wie sieht eine Konsolidierung aus? Das DSL-Geschäft flaut spätestens 2008 ab, und im Mobilfunkgeschäft werden die Margen immer enger.
Wir wollen den Service-Provider über die Zeit zu einem sogenannten virtuellen Netzbetreiber ausbauen. Wenn wir es schaffen, für einzelne Netzbetreiber ein guter, verlässlicher, großer Partner zu werden und die eigene Wertschöpfung zu erhöhen, wird es uns gelingen, die Margen wieder zu steigern. Der Sprachmarkt ist zwar gesättigt, aber der mobile Internetmarkt wächst. Der wird zum Wachstumsmotor der Telekommunikationsbranche.
Das könnte bedeuten, dass Sie mit O2 über eine Partnerschaft als virtueller Netzbetreiber verhandeln?
Unser erklärtes Ziel ist, in diese Richtung zu gehen. Dafür kommen aber unterschiedliche Netzbetreiber in Frage.
Gibt es einen Zeitdruck für den Verkauf, um die Verlustvorträge zu nutzen? Wenn jemand die Freenet AG übernehmen möchte, dann empfiehlt es sich, das noch in diesem Jahr zu tun, weil dann die Verlustvorträge erhalten bleiben. Vom kommenden Jahr an fallen die Verlustvorträge bei einem mehrheitlichen Anteilseignerwechsel wegen der Unternehmensteuerreform weg.
Wie hoch sind die Verlustvorträge? Rund drei Milliarden Euro.
Wie wichtig ist dieser Verlustvortrag in den Verhandlungen? Unterschiedlich. Unternehmen, die eine UMTS-Lizenz erworben haben, haben selbst genug davon.
Drillisch hat Ihnen in der Hauptversammlung die Entlastung verweigert. Wie ist das Verhältnis zu Ihrem Großaktionär? Noch ist Drillisch kein Großaktionär. Wir müssen erst einmal warten, bis die Transaktion vollzogen ist. Ich kann nicht so tun, als ob ein Aktionär 29 Prozent hält, wenn er sie noch nicht hält. Beispielsweise weiß ich nicht, wie Drillisch das finanzieren möchte. Solange die Fragen nicht geklärt sind und Fakten geschaffen sind, muss man abwarten.
Könnte Drillisch Freenet ganz übernehmen? Ich denke, das würde den finanziellen Rahmen von Drillisch sprengen. Aber die sind ja immer für Überraschungen gut.
Warum kaufen Sie Drillisch nicht? Hierbei würde es sich faktisch um einen kreditfinanzierten Aktienrückkauf handeln, der uns beim derzeitigen Kursniveau zu teuer ist. Außerdem liegt Drillisch mit seiner Geschäftsausrichtung nicht in unserer Kernstrategie.
Leidet Ihr operatives Geschäft unter dem schlagzeilenträchtigen Gezerre um die Zukunft von Freenet? Natürlich kann man weniger Zeit für das operative Geschäft verwenden. Das ist bedauerlich. Bei unseren Kunden, Vertriebspartnern und Mitarbeitern steigt sicherlich die Verunsicherung, und bei Neueinstellungen haben wir Absagen kassiert wegen der unsicheren Situation.
In diesem Jahr aktivieren Sie die Kundenakquisitionskosten. Bereinigt um diesen Effekt, haben Sie die Ergebnisprognose für dieses Jahr de facto reduziert, oder? In einem wettbewerbsintensiven Markt ist es eine große Herausforderung, die Ergebnisse stetig weiter zu steigern. United Internet hat mit Vodafone eine Mobilfunk-Flatrate ins Festnetz zum Nulltarif eingeführt. Da mussten wir reagieren und mitziehen, auch wenn in unserem Geschäftsplan ursprünglich höhere Ergebnisbeiträge angesetzt waren.
Das sogenannte Aktienwertsteigerungsprogramm für den Vorstand und die Führungskräfte ist mit 50 Millionen Euro – davon 25 Millionen Euro allein für Sie – ungewöhnlich großzügig bemessen und daher sehr umstritten. Werden Sie auf Ansprüche verzichten? Das sind doch reine Rechenbeispiele. Das Aktienwertsteigerungsprogramm ist ein Sechsjahresprogramm und führt nur zu Zahlungen in dieser Gesamtgrößenordnung, wenn wir den Börsenwert innerhalb eines Jahres um mehr als eine Milliarde Euro steigern und dies dann auch fünf Jahre lang halten. Der Aufsichtsrat hält das Programm für angemessen. Ich persönlich würde nicht einseitig auf eine Anpassung dringen in Anbetracht des Einsatzes, den wir hier täglich bringen, und in Anbetracht des schwierigen Marktumfeldes, in dem die Wertsteigerungen zu erreichen sind.
Profitieren auch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von dem Wertsteigerungsprogramm? Dazu sage ich nichts in der Öffentlichkeit.
Haben Sie noch das Vertrauen Ihrer Aktionäre? Ich denke, dass ich das Vertrauen vieler Aktionäre habe.
Vieler, aber nicht aller? Das Vertrauen aller Aktionäre hat man nie.
Wie geht es nun weiter mit Freenet? Mein primäres Ziel ist es nicht, die Firma zu verkaufen, sondern sie so weiterzuführen, wie sie ist. Daran arbeiten wir. Wir müssen nur sehen, ob wir die Zeit dafür bekommen.
Das Gespräch führten Johannes Ritter und Holger Schmidt.
Text: F.A.Z. |