Scheiden tut weh Daimlers ungeliebte Braut ---------------------------- Über Scheidung zu sprechen tut weh, ganz besonders am Valentinstag. Doch wenn eine Ehe nach neun Jahren nicht mehr funktioniert, während der ganzen Zeit eigentlich noch nie richtig funktioniert hat, dann muss das Thema auf den Tisch. Es geht um den Bund fürs Leben zwischen Daimler und Chrysler. Aber wie lange kann dieser Bund noch währen? Blick zurück: Es war eine Blitzhochzeit, als Bräutigamsvater Jürgen Schrempp 1998 seinen Zögling Daimler-Benz aus Stuttgart vor den Traualtar schleppte, um ihn mit der Detroiter Braut Chrysler von Robert Eaton zu vermählen. Bis zuletzt hielten die beiden ihr Vorhaben geheim. Umso größer war das Erstaunen weltweit, umso größer war der Applaus weltweit, als sich Daimler und Chrysler das Jawort gaben. Beide sollten die Stammeltern eines neuen Geschlechts werden, einer Welt-AG, der Traum von Schrempp. Es war aber auch die Geschichte der gekauften Braut, der viel zu teuer gekauften Braut. Zwar behaupteten die Brauteltern zunächst noch steif und fest, es sei eine Liebesheirat gewesen. Später jedoch, der Rausch der Hochzeitsnacht war längst verflogen, musste Schrempp einräumen, dass Chrysler wohl doch eher aus der Not heraus unter die Decke von Daimler geschlüpft war. Es stellte sich nämlich heraus, dass der reiche König ein bettelarmes Aschenputtel zur Frau genommen hatte, das überdies noch bis über beide Ohren verschuldet war. Verschuldet, und nicht verliebt. Und Märchen heißen nun mal Märchen, weil sie Märchen sind und meist auch Märchen bleiben: Das Aschenputtel wollte und will einfach nicht zur schönen Prinzessin werden. Inzwischen hatte man sogar Kinder adoptiert, Mitsubishi im fernen Japan zum Beispiel. Und wieder zuviel bezahlt für eine verlebte alte Dame. Irgendwann musste der Hochzeitsplaner Schrempp schließlich eingestehen, dass sein Plan gehörig schief gegangen war. Zunächst warf er Adoptivtochter Mitsubishi auf den Markt, dann sein Handtuch, und überließ das Feld seinem treuen Vasallen Dieter Zetsche. Den hatte er vorher bereits nach Amerika geschickt, um die Braut Chrysler, pardon: inzwischen Ehefrau, endlich salonfähig zu machen. Und das Wunder schien zu gelingen. Chryslers Verluste verringerten sich, das Unternehmen stand so gut da wie lange nicht. Lohn für Zetsche: er durfte Schrempp auf dem Thron beerben und schlug dabei seinen Widersacher Bernhard aus dem Rennen. Aber das nur nebenbei. Kaum war Zetsche zurück in Stuttgart, fingen die alten Probleme bei Chrysler wieder an. Beschleunigt wurde der Verfall noch von den drastisch gestiegenen Energiepreisen. Plötzlich wollten auch die Amerikaner Sprit sparende Autos fahren. Für Chrysler völlig überraschend, für die japanische und deutsche Konkurrenz überhaupt nicht. Chrysler hat seine Stärke traditionell bei den hoch motorisierten Geländewagen, den Pick-Ups, den Vielzweckwagen. Eine Stärke, die sich schon längst zu einer eklatanten Schwäche verkehrt hatte. Das Schlimmste jedoch: das Management hat diese Entwicklung viel zu spät erkannt und viel zu lang am Markt vorbei produziert. Und tut dies bis heute. Die Folge: Chrysler-Autos stapeln sich auf den Halten und können nur noch mit riesigen Rabatten an den Mann gebracht werden. Die Verluste kann der deutsche Gatte Daimler schon längst nicht mehr auffangen. Die aktuellen Zahlen sprechen Bände: Mercedes schrieb im vergangenen Jahr einen Milliarden schweren Gewinn, Chrysler dagegen einen Milliarden schweren Verlust. Also doch endlich die Scheidung? Wirtschaftlich wäre das sicherlich das sinnvollste, denn wer will schon auf ewig sein Aschenputtel durchfüttern? Aber noch zögert Zetsche, muss er wohl zögern. Denn welche Möglichkeiten hat er? Chrysler an die Börse bringen? Wäre sicherlich eine Lösung, aber zu welchem Preis? Wer will schon Aktien kaufen von einem Unternehmen, das auf absehbare Zeit keine Gewinne einfahren wird? Chrysler als Ganzes verkaufen? Auch hier dürfte wohl kaum ein vernünftiger Preis zu erzielen sein. Zudem dürften die Ex-Frau und der neue Bräutigam eine üppige Mitgift verlangen. Aber vielleicht das wichtigste: Wenn Zetsche jetzt die Scheidung einreicht, dann müsste er sich eingestehen, dass die Sanierung von Chrysler gescheitert ist. Dass sein eigenes Lebenswerk gescheitert ist. Also bleibt ihm vorerst nur Eines: die Ehe zähneknirschend aufrecht zu erhalten, koste es was es wolle. Und die Kosten sind wahrlich hoch: 13.000 Stellen bei Chrysler sollen gestrichen, mehrere Milliarden Euro in neue Produkte investiert werden. Ob diese auf dem mittlerweile verwöhnten amerikanischen Markt ankommen, die Schönheitsoperation also gelingt, bleibt abzuwarten. Und ob sich danach ein neuer Bräutigam findet, der die aufgemotzte Braut Chrysler will, ebenso. Noch ist ein Ende der Schreckensehe jedenfalls nicht in Sicht. Ob da nicht ein Ende mit Schrecken vielleicht doch die bessere Alternative wäre..?
Quelle: Peter Espenhain, n-tv
noch das Hochzeitsbild *grins Nicht jede im Himmel geschlossene Ehe bleibt auch dort. |
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