Ich habe lediglich versucht, die in deinem vorhergehenden Post gestellte Frage, warum eine Aktie ein riesiges GAP zum NAV so beharrlich verteidigt und keinerlei Anstalten macht, auf einen Pfad nachhaltiger Kurssteigerungen einzuschwenken.
Zum einen ist es das mit besonders vielen Kurzfristzockern durchsetzte Aktionariat. Die seit Jahren extrem hohe Vola wirkt auf Charttrader wie Licht auf Motten.
Zum anderen ist da aber fundamental eben auch ein riesiger Unterschied zu anderen Immokonzernen, namens Verschuldungsgrad, der in einer Hochzinsphase mit fallenden Gewerbeimmobilienpreisen hochexplosiven Sprengstoff für die Bilanzqualität darstellt.
Bei 60% Verschuldungsquote inkl. Perpetuals muss man sich dieses Risikos als Anleger bewusst sein und sollte nicht glauben, man sei hier in einer bilanziell hochsoliden Vonovia investiert, die im Gegensatz zum Original nur ultrabillig bewertet ist.
Das Risiko-Chancen-Profil einer Aroundtown sieht gänzlich anders aus als bei Vonovia. Aroundtown ist wie ein Optionsschein auf sinkende Zinsen und steigende Immopreise. Geht die Spekulation auf, hat man hier auf Sicht von zwei, drei Jahren Potenzial für eine Verdreifachung.
Senkt die EZB hingegen nicht schnell genug die Zinsen oder geht die Wirtschaftsschwäche in Deutschland ungebremst weiter und bleibt die Nachfrage nach Gewerbeimmobilien weiter ultraschwach, dann wird Aroundtown irgendwann gezwungen sein, Immobilien zwecks Schuldentilgung zu deutlich unter den aktuellen Buchwerten zu verkaufen.
Der hohe NAV geht dann schnell in Rauch auf, wie man am Beispiel der Adler Group in allen für Anleger unschönen Einzelheiten studieren konnte. NAV von anfänglich über 40 EUR je Aktie durch fortwährende Wertberichtigungen und Verkäufe des Immoportfolios binnen zwei Jahren auf Null EUR geschrumpft. Das ist das Risiko, wenn dein Leverage signifikant höher liegt als in der Peer Group und der Leverage-Hebel in die falsche Richtung wirkt, weil die Spekulation auf permanent steigende Immobilienpreise gescheitert ist.
Nun ist Aroundtown keine Betrügerfirma wie Adler und direkte Vergleiche zu deren Geschäftsverlauf verbieten sich. Es geht mir allein darum, klar zu machen, dass ein auf Bilanzansätzen beruhender weit über dem Aktienkurs liegender NAV keine Garantie für steigende Kurse darstellt, wenn die Profitabilität des Unternehmens und die Fähigkeit zur Erzielung von Free Cashflows durch exorbitant steigende Finanzierungskosten erodiert. Solange Aroundtown den anhaltenden Negativtrend beim FFO1 nicht nachhaltig stoppt und auf Sicht wieder ins Positive dreht, wird die Aktie weiter Gegenwind sowohl von Analystenseite als auch von Gläubigern bekommen. Aroundtown ist aktuell damit beschäftigt, in kürze auslaufende Anleihefinanzierungen in neue Anleihen umzuschulden. Das ist kurzfristig sicherlich sinnvoll, um Zeit zu kaufen. Das Problem der FFO1 Erosion lässt sich indes nicht durch Umschuldung sondern nur durch signifikante Entschuldung lösen. Hierzu hat Aroundtown bislang weder Ziele, noch einen Fahrplan vorgelegt. Man kann ein wenig den Eindruck haben, dass Aroundtown am liebsten gar nichts am bisherigen Geschäftsmodell ändern möchte und darauf hofft, dass sich das Verschuldungsthema durch wieder steigende Immopreise quasi von selbst löst. Ich bin ganz klar der Ansicht, dass Aroundtown das Immoportfolio und die Bruttoverschuldung deutlich reduzieren sollte, um insbesondere die mittlerweile sündhaft teuer gewordenen Perpetuals schnellstmöglich vollständig zu tilgen.
Wie aggressiv ein Immokonzern seine Jahresüberschüsse in der Nullzinsära durch fortlaufende Neubewertungsgewinne = Buchwertzuschreibungen auf das Immoportfolio gepusht hat, lässt sich an der Summe der passiven latenten Steuern ablesen.
Die trotz Milliardenabschreibungen im Immoportfolio noch immer schlummernden Buchgewinne lassen sich überschlägig ermitteln, indem man die Summe der passiven latenten Steuern durch den in Dtl. gültigen Körperschaftsteuersatz i.H.v. 15% teilt.
Das Problem für Aroundtown und andere Immokonzerne, die in den Jahren mit hohen Immowertsteigerungen besonders aggressiv Zuschreibungen auf das Immoportfolio vorgenommen haben, ist, dass im Verkaufsfall hohe Gewinnsteuern anfallen, obwohl man in der IFRS Bilanz Verluste schreibt. In der nach HGB aufgestellten Steuerbilanz hingegen gilt das strikte Anschaffungskostenprinzip. D.h. die Immos stehen mit um viele Milliarden niedrigeren Buchwerten in der Steuerbilanz, welche - wie der Name schon sagt - für die Steuerbemessung maßgeblich ist.
Nun könnte man einwenden, man habe durch Abgrenzung passiver latenter Steuern in der IFRS Bilanz doch Vorsorge für ebendiese Steuernachzahlungen im Verkaufsfall getroffen. Auf Gewinnebene ist das Argument zutreffend. Nicht aber auf Liquiditätsebene. Denn die Bildung einer Steuerrückstellung löst keinen Cashabfluss aus. Dieser folgt erst mit der Steuernachzahlung im Verkaufsfall.
Sprich Aroundtown könnte einen signifikanten Teil der Immo-Veräußerungspreise nicht zur Schuldentilgung einsetzen, weil dieser für Steuerzahlungen draufgeht.
Dieses Phänomen kennt jeder Anleger, wenn er Aktien mit hohem Gewinn aus dem Depot verkauft. Man ist anschliessend schlicht ärmer als zuvor, weil vom Verkaufspreis KapESt und Solz abgezogen werden, während man vor dem Verkauf den Bruttowert der Aktie ohne Abzug latender Spekulationsgewinnsteuern als Depotwert angezeigt bekam.
Es gibt also auch gute Gründe jenseits der Spekulation auf wieder steigende Immopreise, die einen Immoverkauf zur Schuldentilgung aus Sicht des Managements nicht sonderlich attraktiv machen, eben weil in den IFRS Buchwerten so gigantische Zuschreibungsgewinne aus dem letzten Jahrzehnt enthalten sind, die im Verkaufsfall echte Steuerzahlungen und mithin Liquiditätsabflüsse auslösen würden...
Das Problem, warum Aroundtown und Co. trotz eigentlich mega erfolgreicher Immokäufe der vergangenen Jahre bilanziell schwach aufgestellt sind ist eben der Wahnsinn, dass IFRS die Bilanzierung von Anlageimmobilien, also gerade nicht zum Weiterverkauf gedachter Immos, zu Fair Values erlaubt. Statt Bildung stiller Reserven wie im HGB haben die Immokonzerne den durch Gutachten (nicht realisierte Verkäufe!) ermittelten Wertzuwachs Jahr für Jahr als Gewinn in der IFRS Bilanz ausgewiesen, die durch die Zuschreibungsgewinne erzielte Senkung des Verschuldungsgrades für Dividendenzahlungen und Aufnahme zusätzlichen Fremdkapitals genutzt, um weitere Immobilien zu kaufen. Im Vertrauen auf quasi naturgesetzlich immer weiter steigende Immopreise hat man die Verschuldung in der Boomphase nicht etwa reduziert, wie es in anderen Branchen Usus ist, sondern das Portfolio unter Aufnahme weiterer Schulden immer weiter ausgebaut. Ein vermeintliches finanzielles Perpetuum Mobile... der DAX hatte plötzlich zwei Immogiganten und Aroundtown wurde Anfang 2020 als weiterer DAX Aufsteiger gehandelt...
Dann kam Corona, die Zinswende, der Absturz der Immopreise... der Absturz der Aktie von in der Spitze über 9 EUR auf im Tief 88 Cent... die Aussetzung der Dividende... zwei Jahre Kampf gegen Windmühlen und Hoffnung auf eine Rückkehr niedriger Zinsen und mindestens stabiler Immowerte, um das Geschäftsmodell möglichst wertschonend an die neue Zinswelt anpassen zu können.
Rückläufige Immopreise und das nahezu vollständige Austrocknen des Transaktionsmarkts wirken auf hochverschuldete Immokonzerne wie ein kalter Entzug eines Junkies.
Das bisherige Geschäftsmodell mit 60% Gesamtleverage ist nachhaltig untragbar geworden. Die Rückkehr zur Dividendenfähigkeit muss sich Aroundtown hart erarbeiten, während vergleichsweise niedrig verschuldete Wohnimmobilienkonzerne wie Vonovia die Dividende nicht einmal im Crashjahr 2023 aussetzen mussten.
Ich bin guter Dinge, dass Aroundtown die Transformation in ein zukunftsfähiges, auf signifikant niedrigerem Verschuldungsniveau aufbauendes Geschäftsmodell erfolgreich meistern kann. Daher bin ich trotz Gegenwinds und trotz vieler skeptischer Analystenstimmen hier weiterhin stark investiert.
Ich habe aber null Interesse, hier irgendwen in eine Aktie hineinzuquatschen oder substanzlose Durchhalteparolen zu posten. Jeder Anleger soll wissen, auf was er sich hier einlässt und entscheiden, ob das für ihn passt. Nur so bekommen wir wieder ein Aktionariat, dass nicht bei jeder kleinen Negativnachricht in Panik verfällt oder ausschließlich kurzfristig herumzockt...
Allen Investierten viel Erfolg! |