und Ausnahmezustand an der Börse!
Sygnis Pharma ist ein Pionier: Das Biotech-Unternehmen forscht nach neuen Medikamenten. Eine Substanz ist bereits gefunden: AX200. Ein Mittel gegen Schlaganfall. Wenn das Medikament einmal auf den Markt kommt, sind Milliarden-Umsätze drin. Aber kommt es auf den Markt? Auf Sommertour bei Sygnis - Vorstandschef Alfred Bach im Interview mit boerse.ARD.de AX200 klingt ein bisschen nach Wunderwaffe. Und das soll das Eiweißmolekül auch einmal sein: eine Waffe gegen den Zelltod. Sygnis Pharma will damit Schlaganfall bekämpfen oder auch die Nervenlähmung ALS oder Rückenmarksverletzungen. Vor allem setzt man aber auf die Indikation Schlaganfall. Hier sind die Forschungen am weitesten gediehen. Die Konkurrenz auf diesem Forschungsgebiet ist relativ überschaubar, und Sygnis Pharma hat nach eigenem Bekunden die besten Aussichten: "AX200 gilt als das vielversprechendste unter den Medikamentenkandidaten", sagt Unternehmenschef Alfred Bach stolz. "Das wurde uns auf einer Internationalen Schlaganfall-Konferenz in den USA bescheinigt." Im Rahmen einer Meta-Analyse habe AX200 am besten abgeschnitten. Wissenschaftler und Pharmaindustrie seien begeistert. Ein künftiger Blockbuster? Das Besondere an AX200 ist: Es wirkt auf mehreren Ebenen. Zum einen stoppt das Molekül akut das Zellsterben, es leistet also eine erste Schadensbegrenzung beim Schlaganfall. Zum anderen regt es die Regeneration an, es stimuliert die Produktion neuer Nervenzellen und Blutgefäße. AX200 ist nicht nur der Hoffnungsträger von Sygnis Pharma, sondern auch der von Millionen von Menschen: Weltweit gibt es jedes Jahr 1,8 Millionen neue Schlaganfall-Patienten, 250.000 davon alleine in Deutschland. Hierzulande ist der Gehirnschlag die dritthäufigste Todesursache. Sygnis Pharma, die früher Lion Bioscience hieß, könnte damit einmal Milliarden einnehmen. Das Mittel hat Blockbuster-Potenzial. Allerdings ist es bis dahin noch ein weiter Weg, der nicht zwingend von Erfolg gekrönt sein muss. Das ist das Los der Forscher: Viele bleiben auf der Strecke. Von 5.000 bis 10.000 untersuchten Wirkstoffen meistert nur einer den Weg bis zur Marktzulassung. Selbst verheißungsvolle Medikamenten-Kandidaten scheitern. Manche straucheln auf den letzten Metern, wie GPC Biotech mit seinem vermeintlichen Hit Satraplatin. Die Gesundheitsbehörden genehmigten das Mittel nicht. SYGNIS PHARMA A... Hauptgewinn oder Totalverlust? Ist es der 6er im Lotto oder die Niete? Hauptgewinn oder Totalverlust? Bei Biotech-Aktien weiß der Anleger meist nicht: Der Aktionär braucht eine gehörige Portion Glück. Gerade wenn die Medikamentenentwickler jung sind und noch kein Geld verdienen, ist ein Investment gewagt. Der Aktionär braucht neben Mut auch einen langen Atem. Bis ein neues Mittel gefunden, erprobt und auf den Markt gebracht ist, vergehen durchschnittlich zwölf Jahre. Mehr dazu in unserer Fotoserie: Wie macht man ein Medikament? Erst wenn die Forscher die ersten Lorbeeren verdient haben, das erste Medikament auf dem Markt ist, wird das Risiko für ein Investment überschaubar. Einige Pioniere der ersten Stunde haben längst den Status des Geldverdienens erreicht. Beispiel Genentech, das erste Biotech-Unternehmen der Welt. Sein Krebsmedikament Avastin ist ein Blockbuster. Oder Amgen, derzeit der Biotech-Konzern mit den weltweit höchsten Umsätzen. Die Nummer 1 der Branche verdient Milliarden mit seinen Krebsmitteln. Davon kann Sygnis Pharma nur träumen. Gerade erst hat das Unternehmen mit seinem AX200 gegen Schlaganfall die Studie der Phase II begonnen. Das heißt, es dauert immer noch fünf Jahre, bis das Medikament auf den Markt kommt. Wenn alles nach Plan läuft, wäre das frühestens 2014. Sygnis sucht Anschluss Geld verdienen will das Unternehmen mit seinem Mittel gegen Schlaganfall schon früher. "Unser Ziel ist nicht, AX200 allein auf den Markt zu bringen, sondern mit einem Partner", erklärt Sygnis-Chef Alfred Bach. "Wir hoffen, die Phase II-Studie bis spätestens zur Jahresmitte 2011 abgeschlossen zu haben. Wenn diese Daten überzeugend sind, dann werden wir sicher einen Partner finden." Ein paar Monate braucht man dann noch für die Verhandlungen. Ende 2011 könnte das erste Geld fließen. Sygnis: "Unser Geschäftsmodell ist digital" Wie viele junge Biotech-Unternehmen verdient Sygnis Pharma noch kein Geld. Der Medikamentenentwickler steckt in der Forschungsphase. Das heißt: Man gibt Geld aus und nimmt nichts ein. Angst, dass die Mittel knapp werden, hat Unternehmenschef Alfred Bach aber nicht. Im Interview mit boerse.ARD.de deutete er Partnerschaften an. [mehr] Anleger sorgen sich, ob Sygnis bis dahin über die Runden kommt. Die Kapitaldecke ist nicht gerade komfortabel. Alfred Bach beruhigt: "Unsere liquiden Mittel würden Ende 2010 ausgehen, wenn alles bleibt wie bisher", erklärt der Sygnis-Chef. Das wird es aber nicht: "Wir können an mehreren Stellschrauben drehen." Denkbar sind als letztes Mittel Kostensenkungen oder auch eine Kapitalerhöhung. Erst will Bach aber alle Register auf der Einnahmenseite ziehen. Viele Eisen im Feuer Da hat der Sygnis-Manager einige Eisen im Feuer: AX200 zur Behandlung von ALS und bei Rückenmarksverletzungen. Hier gibt es erste Gespräche mit potenziellen Partnern. Mehr zu diesen Projekten in unserer Fotoserie: Die Pipeline von Sygnis Größere Hoffnungen setzt Bach aber auf das Neuronale Stammzell-Programm und das Protein KIBRA, das eine zentrale Rolle bei Lern- und Gedächtnisprozessen spielt. Beide Projekte hat man sich durch den Kauf der US-Tochter Amnestix ins Haus geholt. "Wir gehen davon aus, dass wir aus beiden Projekten Einnahmen generieren können", erklärt der Manager. "Einige Pharmaunternehmen sind interessiert, und wir führen bereits Gespräche. Es ist aber noch zu früh zu sagen, wann daraus Einnahmen generiert werden können." Analysten sind optimistisch Bach wirkt zufrieden, und Biotech-Analysten teilen seinen Optimismus. "Es gibt an diesen Studien sehr großes Interesse von Pharmaseite. Hier könnte sich eine längerfristige Finanzierungsperspektive für das Unternehmen ergeben", sagt Hanns Frohnmeyer von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). "Da würde sich die schwache Finanzierungssituation von Sygnis auflösen." Ähnlich zuversichtlich klingt Martin Schnee von Fairesearch, der die Aktie für Close Brothers Seydler analysiert. "Es wäre auch eine alternative Finanzierung denkbar, beispielsweise durch eine Stiftungen aus den USA. Zum Beispiel finanziert die Melinda und Bill Gates-Stiftung unterschiedlichste Projekte in der medizinischen Forschung." Beide Analysten empfehlen, die Sygnis-Aktie zu kaufen – allerdings nicht für Jedermann: "Die Aktie ist sicher nichts für den kleinen Privatanleger, sondern für den risikobewussten Investor", warnt Schnee. "Wir betreiben unser Research für professionelle Anleger." Gleichwohl sieht er große Chancen. Wegen der Zukunftsperspektiven: "Es gibt wenig erfolgreichen Wettbewerb in diesen schwierigen Indikationen. Sygnis war außerdem in seinen Studien mit kleiner Patientenzahl erfolgreich, muss nun aber in einer deutlich größeren klinischen Studie die positiven Ergebnisse bestätigen. Und mit der Übernahme von Amnestix und den damit übernommenen Projekten kann man diese Empfehlung rechtfertigen." Ohne Partner läuft nichts Biotech-Unternehmen wären ohne Partnerschaften mit Pharmariesen aufgeschmissen. Umgekehrt brauchen auch die Pharmakonzerne die Schmieden, in denen neue Medikamente entstehen. Sie können damit ihre Pipeline wieder auffüllen, wenn ihre Patente ablaufen und Generikahersteller mit ihren billigen Nachahmer-Medikamenten ihnen das Leben schwer machen. Hoffnungsträger Biotech An den deutschen Biotechnologiefirmen ging die Wirtschaftskrise bisher vorbei. Die Branche zeigt sich recht standfest, und die Aussichten bleiben gut. Aber Vorsicht: Das Risiko ist enorm. [mehr] "Verpartnerungen sind üblich in der Biotech-Branche", erklärt LBBW-Analyst Frohnmeyer. Das Geld kann in die Forschungsunternehmen auf mehreren Wegen geschehen: Als erstes gibt es Vorabzahlungen, als zweites Milestone-Zahlungen, erfolgsabhängige Zahlungen, die an mehrere Entwicklungsschritte gekoppelt sind. Schließlich gibt es Lizenzzahlungen, sobald das Produkt auf dem Markt ist. Gegenüber dem breiten Markt hat sich die Sygnis-Aktie in der Krise erstaunlich resistent gezeigt. "Deren Höhe richtet sich nach dem Umsatz. Das Biotechunternehmen bekommt in der Regel 10 bis 20 Prozent des Umsatzes, teilweise auch bis zu 50 Prozent", so der LBBW-Analyst. Das ist abhängig vom Verhandlungsgeschick der Firma. Es hängt aber auch von dem Medikament selbst ab: Hat das Produkt ein Alleinstellungsmerkmal? Wie riesig ist das Potenzial? Aktie als Valium ungeeignet Sollte Sygnis eine solche Partnerschaft abschließen, dürfte an der Börse Ausnahmezustand herrschen. Ebenso, wenn der ein oder andere Studienerfolg errungen wird. So ist das immer bei Biotechs: Anleger verlieren jedes Maß. Zu Neuer-Markt-Zeiten wurden die Aktien in irrationale Höhen getrieben. Bei einem Misserfolg geht es ebenso schnell abwärts – selbst wenn das Unternehmen in seiner Produktpipeline noch andere Hoffnungsträger hat. In den letzten zwölf Monaten lief die Sygnis-Aktie weitgehend im Gleichklang mit den Branchenkollegen. Anleger brauchen deshalb starke Nerven. Sie müssen bei aller Hoffnung Rückschläge einkalkulieren – schlimmstenfalls auch den Totalverlust. Daher eignet sich die Aktie nur als Beimischung. Und wenn man sein Geld ganz lange nicht braucht. Quelle: http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_367926 |