Michail Chodorkowski, Gründer des Erdölkonzerns Yukos, der als angeblicher Anführer einer kriminellen Gruppe wegen der unsauberen Privatisierung eines Bergwerks und wegen Steuerhinterziehung unter fragwürdigen Umständen vor Gericht steht, hat am Montag zu der sonntäglichen Zwangsversteigerung «seiner» Fördergesellschaft Yuganskneftegaz Stellung genommen. Über seine Anwälte liess er aus dem Gerichtssaal heraus ironisch ausrichten, die russische Obrigkeit habe sich mit der Zerstörung des effizientesten Erdölkonzerns ein schönes Weihnachtsgeschenk gemacht. Die Auktion, aus welcher am Sonntagabend in Moskau die bisher völlig unbekannte ominöse Baikal Finance Group als Sieger hervorging (vgl. NZZ vom 20. 12. 04), bezeichnete Chodorkowski als Show, welche trotz allen Reformen der letzten Jahren ganz in «bester Manier» der neunziger Jahre abgelaufen sei.
Tatsächlich erinnert vieles an inzwischen fast vergessen gegangene Traditionen der häufig alles andere als offenen und transparenten Privatisierungen der wilden neunziger Jahre. Dadurch, dass sich ausländische Finanzinstitute wegen des amerikanischen Richterspruchs ausserstande sahen, den Yuganskneftegaz-Kauf zu finanzieren, waren am Sonntag die auserwählten Bieter auf inländische Gelder angewiesen, die zur Bezahlung eines Weltmarktpreises für die äusserst attraktiven Erdölförderstätten wohl nicht ausreichen. Um zahlungskräftigere ausländische Bieter abzuhalten, sorgten die staatlichen Behörden für derart viel Unsicherheit, dass ein Kauf ohne bindende Abmachungen mit dem Kreml zu einem unkalkulierbaren Risiko wurde. So nahmen schliesslich nur zwei Bieter an der Versteigerung teil, wovon der Gewinner eine vor wenigen Tagen gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, hinter der sich vorläufig unbekannte - und möglicherweise mit dem einzigen anderen Bieter, Gazpromneft, verbundene - Interessen verstecken. Diese wahren ihre Anonymität vorläufig wie früher üblich vor allem deshalb, um sich vor juristischem Zugriff zu schützen. Vor diesem Hintergrund titelte die führende russische Wirtschaftszeitung, «Wedemosti», am Montag «Wie vor zehn Jahren», und der Vizepräsident der russischen Unternehmervereinigung RSPP, Igor Jürgens, hielt im Konkurrenzblatt «Kommersant» fest, Russland hätte ja in den letzten Jahren zu einigermassen ehrlichen Auktionen gefunden, aber bei der Handänderung von Yuganskneftegaz sei alles unzivilisiert abgelaufen. Die negativen Spuren dieser Auktion würden das Land wohl noch lange Zeit verfolgen. Für Chodorkowski, der sich einst in enger Absprache mit den zuständigen staatlichen Behörden die Kontrolle über das, woraus er später Russlands modernsten Erdölkonzern formte, für bloss gut 300 Mio. $ sicherte, gilt derweil die bittere Erkenntnis: wie gewonnen, so zerronnen. |