Bavarian Nordic wird allerdings nur mit einem Satz bedacht... Gruß EXPRO
Handelsblatt Nr. 184 vom 22.09.00 Seite 16
Unternehmen und Märkte
Börsenfieber unter Forschern - Pioniere schaffen 2000 neue Jobs In Bayerns Gen-Valley wird schon der Platz knapp
Der Großraum München ist zu einem Zentrum der boomenden deutschen Biotech-Szene geworden. Der Standort Martinsried platzt aus allen Nähten. Bereits fünf Unternehmen sind erfolgreich an der Börse gestartet. Etwa fünf bis zehn weitere sollen in den nächsten zwei Jahren folgen.
CASPAR BUSSE HANDELSBLATT, 22.9.2000 MÜNCHEN. Gleich hinter der Stadtgrenze Münchens weist ein unscheinbares Schild nach links: "IZB - Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie". Taxifahrer verpassen leicht das kleine Sträßchen, das durch grüne Felder und Wiesen zum einem glitzernden Gebäudekomplex aus Glas und Stahl führt. "Wir sind hier dabei, die Zukunft der deutschen Pharmaindustrie aufzubauen", sagt Simon Moroney, Gründer und Chef der Morphosys AG. Der gebürtige Neuseeländer ist der Pionier am aufstrebenden Biotech-Standort Martinsried. Moroney kam schon 1992 hierher und brachte im März 1999 - kurz vor dem jüngsten Biotech-Boom in Deutschland - Morphosys als eines der ersten Biotech-Unternehmen an den Neuen Markt. "Inzwischen gibt es hier eine richtige Industrie", meint Moroney, dessen Firma zurzeit an der Börse fast 800 Mill. EUR wert ist.
Der Großraum München zählt heute zu den führenden Biotech-Regionen in Europa. Es gibt rund hundert Bio-Firmen in der bayerischen Landeshauptstadt, davon über 50 am Standort Martinsried. Die Pioniere vor Ort beschäftigen knapp 2 000 Mitarbeiter - Tendenz steigend. Bereits jeder fünfte Beschäftigte in der deutschen Biotech-Branche arbeitet im Großraum München, teilt das bayerische Wirtschaftsministerium mit. "Wir haben die besten Chancen, zu den globalen Bio-Regionen wie Cambridge in England oder Boston in den USA aufzuschließen", sagt Wirtschaftsminister Otto Wiesheu.
Unter den Forschern grassiert das Börsenfieber. Experten erwarten in den nächsten zwei bis drei Jahren etwa fünf bis zehn Börsengänge. Zu den Kandidaten könnten die Morphochem AG oder die Axxima AG gehören. Beide sind im IZB in Martinsried daheim.
Schon fünf Münchener Biotech-Firmen haben vorgemacht, wie man mit Erfolg an die Börse geht. Erst Ende Juni feierte die Medigene AG - seit 1995 in Martinsried - das Debüt am Neuen Markt. Etwa 125 Mill. DM kamen damit in die Kasse. Medigene-Chef Peter Heinrich hofft, bereits im Jahr 2003 die ersten eigenen Medikamente auf den Markt zu bringen. In der Entwicklung sind zwei Medikamente zur Therapie von Herzkrankheiten und zur Behandlung von genitalen Warzen, die auch in Zusammenhang mit Aids auftreten können. Potenzial: im Milliardenbereich.
Mit den Pharmagiganten Aventis und Schering hat Heinrich bereits Allianzen vereinbart. Obwohl die Verluste noch deutlich höher sind als der Umsatz, ist Medigene an der Börse fast eine Mrd. EUR wert. Etwa genauso viel bringt die GPC Biotech AG, Nachbar in Martinsried, auf die Waage. Das Unternehmen, das sich der Krebstherapie sowie Infektions- und Immunkrankheiten widmet, ist seit Ende Mai am Neuen Markt. GPC-Chef Bernd Seizinger war vor drei Jahren wegen der guten Bedingungen aus Berlin nach Bayern umgesiedelt. Er machte von sich Reden, als er einen Konkurrenten aus den USA kaufte - ein Novum für junge deutsche Biotech-Branche. Weitere Übernahmen schließt GPC nicht aus.
Mitten in der Neuausrichtung befindet sich die MWG Biotech AG, bereits seit Mai 1999 am Neuen Markt. Das Unternehmen besteht seit zehn Jahren und handelte früher mit Laborgeräten. Dann etablierte sich MWG über die Zulieferung von Biomolekülen als Dienstleister für Pharmaunternehmen. Inzwischen bietet das Unternehmen, das an der Börse mehr als 700 Mill. EUR wert ist, den Kunden eine Vielzahl von Angeboten: von Bioinformatik über Genchips für die Erforschung des Erbguts bis zur Laborautomation. Auch die Martinsrieder Biotech-Firma Bavarian Nordic Research, die sich auf die Erforschung von Entzündungskrankheiten spezialisiert hat, gehört zu den Börsenpionieren. Bereits 1998 ging die dänische Muttergesellschaft an die Börse Kopenhagen. Inzwischen wird über eine weitere Aktienplatzierung nachgedacht.
Horst Domdey ist Chef der privaten Fördergesellschaft Bio-M, dem Herzstück von Bayerns Gen-Valley. "In München ist nicht das Angebot an besonderer Intelligenz oder an besonderen Unternehmern größer", räumt er offen ein. "Wir haben lediglich einen Zeitvorsprung von zwei bis drei Jahren." Dass sich Martinsried zu einem funktionierenden Technologiepark entwickelt, beweist nach Ansicht Domdeys die wachsende Zahl an Börsengängen. Mit dem Erfolg kommen die Probleme. Erstens sind hoch qualifizierte Mitarbeiter im Großraum München ganz besonders knapp. Vor allem aber fehlt rund um den Standort Martinsried Platz für neue Unternehmen. Das Innovations- und Gründerzentrum ist praktisch voll. Auch im angrenzenden Gewerbegebiet, wo sich mehrere Biotech-Firmen angesiedelt haben, wird es bereits eng; und geeignete Grundstücke in der Nähe sind ebenfalls rar. Das bayerische Wirtschaftsministerium hat dafür bisher noch keine Lösung parat. Vielleicht müssen demnächst junge Biotech-Unternehmen abgewiesen werden.
Autor: Busse, Caspar
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