Mein Leben mit dem iPhone Karsten Lemm | 24. September 2007 20:02 Uhr
Apples bester iPod? Das coolste Telefon der Welt? Stimmt das? Persönliche Eindrücke aus dem Alltag mit T-Mobiles neuem Star.
Ich geb's ja zu: Ich war einer von denen, die am 29. Juni in der Schlange standen, um gleich am ersten Tag ein iPhone zu ergattern. Als Technikreporter findet man immer eine Ausrede, um gegen die Grundregel zu verstoßen: "Kaufe nie ein Gerät mit Versionsnummer 1.0!"
Inzwischen sind die hektischen Berichte der ersten Stunde verklungen, und deutsche Apple-Fans haben den 9. November als Datum zum Entgegenfiebern - vielleicht kein schlechter Moment für einige persönliche Eindrücke aus meinem Leben mit dem iPhone.
Zunächst die guten Nachrichten: Dieses schicke Glitzer-Telefon, das so elegant und zerbrechlich aussieht, ist bemerkenswert hart im Nehmen. Seit gut zwei Monaten trage ich das iPhone in meiner Hosentasche herum, ohne ihm oder mir eine klobige Schutzhülle zuzumuten, und bis auf ein paar kleine Kratzer im Metallrahmen, der das Display einfasst, ist von Gebrauchsspuren nichts zu sehen. Die meisten iPod-Modelle geben sich da wesentlich sensibler.
Überhaupt: der Bildschirm. Natürlich verschmiert er, wenn man mit den Fingern darauf herumtappst. Aber in der Regel genügt ein schnelles Abwischen an der Jeans oder dem Pullover-Ärmel, damit wieder klare Sicht herrscht. Ich war skeptisch, als Steve Jobs das Gerät im Januar enthüllte, und ziehe nun mein Baseball-Käppi vor den Entwicklern. Müsste man das Display mit einem Spezialtuch feudeln oder sich ständig sorgen, dass die Fingernägel Spurrillen hinterlassen, käme wenig Spaß auf.
Spaß aber ist das Haupt-Wort, das sich für das iPhone anbietet. Schließlich kann dieses Mobiltelefon, das nur in zweiter Linie als Quassel-Strippe zur Außenwelt dient, Musik machen, Fotos zeigen, Filme abspielen, im Internet surfen und sich bei YouTube einklinken. Das meiste funktioniert wie versprochen. Der brilliante Breitbildschirm macht das iPhone zum perfekten Taschenkino (ähnlich wie seinen neuen Bruder, den iPod Touch), und Fotos vorzuführen ist die reine, eitle Freude: Ein Fingerschnippen genügt, um zum nächsten Bild zu wechseln, und dank eingebauter Sensoren passt sich die Anzeige automatisch an das Hoch- oder Querformat an, sobald das iPhone um 90 Grad gedreht wird. Andere Sensoren sorgen dafür, dass die Display-Helligkeit immer stimmt: Bei Sonnenlicht strahlt es stärker, sonst fährt die Elektronik die Beleuchtung zurück.
Wie lange die Batterie bei alledem durchhält, ist eine andere Frage. Nach meiner Erfahrung kommt man selbst mit intensivem Internet-Surfen (per WLAN und Mobilnetz) gut durch den Tag - allerdings sollte man nicht unbedingt noch zwei, drei lange Videos anschauen wollen. Das schluckt wirklich Strom. Wer nur sporadisch E-mails verschickt und ein paar Telefonate führt, braucht sich mehrere Tage lang ums Aufladen nicht zu kümmern.
Es gab viel Geschrei, weil die Batterie fest eingebaut ist und nur von Apple ausgetauscht werden kann. Mich kümmert das nicht weiter. Normalerweise halten Lithium-Ionen-Batterien mindestens 300 Ladezyklen durch, ehe sie spürbar an Kraft verlieren. Das dürfte für zwei bis drei Jahre reichen - in der schnellebigen Technikwelt eine kleine Ewigkeit.
Viel mehr stören mich ein paar andere Dinge an Apples Multitalent: Wie kann es sein, dass die Entwickler eine ebenso simple wie wichtige Funktion wie Kopieren und Einfügen ausgelassen haben? Das macht es unmöglich, Textpassagen aus einer E-Mail in eine andere zu übernehmen oder auch nur einen Link aus Safari zu kopieren. Kaum zu glauben auch, dass Steve Jobs keine Gelegenheit auslässt, die "Spotlight"-Suchfunktion der Macintosh-Rechner zu preisen - dann aber ein vermeintliches Wunder-Handy ausliefern lässt, das nicht mal eine simple Suchfunktion fürs Adressbuch besitzt. Jemanden wiederzufinden, wenn man sich nur an die Firma oder den Ort erinnert, ist praktisch unmöglich; Kontakte werden entweder nach Vor- oder Nachnamen sortiert, das war's.
Nervig auch, dass das iPhone beim Anmelden bei WLAN-Netzen gern so tut, als sei alles OK - selbst wenn in Wahrheit keine Verbindung besteht. Dass etwas schiefgegangen ist, merkt man erst, wenn die Netzanzeige auf "E" umspringt. Das steht für das "Edge"-Mobilnetz, das Apple nutzt, weil die Funk-Chips weniger Strom saugen als ihre schnelleren GPRS-Verwandten, wie Steve Jobs gerade erklärt hat.
Auch in Europa bedeutet das leider Schneckentempo, wenn das iPhone nicht gerade an einen WLAN-Hotspot andocken kann. Das AT&T-Netz, das ich in den USA nutze, ist manchmal so langsam, dass Seiten wie die New York Times oder Stern.de Minuten brauchen, um vollständig zu laden. Mehr als einmal habe ich in solchen Fällen aufgegeben - seufzend oder fluchend, je nach Laune. Von "vierfacher ISDN-Geschwindigkeit", wie sie T-Mobile für Deutschland verspricht, kann in Amerika jedenfalls keine Rede sein, selbst wenn das Netz zwischendurch mal flott arbeitet.
Dabei funktionieren der Safari-Browser und das E-Mail-Programm im Prinzip so gut, dass ich nun auf Reisen das Laptop zu Hause lasse, wenn ich nicht mehr brauche. Natürlich wäre es schön, wenn das iPhone Word- und Excel-Dateien nicht nur anzeigen, sondern auch bearbeiten könnte; andererseits ist das Herumtippen auf der Bildschirm-Tastatur für längere Texte ohnehin kein Vergnügen. Es ist nun mal gedacht für E-Mail und SMS-Nachrichten, und da funktioniert es prima. Die Software, die Tippfehler mit Hilfe eines eingebauten Wörterbuchs korrigiert, ist sogar so clever, dass sie mittlerweile eine Reihe von deutschen Wörtern aufgeschnappt hat. Chapeau! (Französisch geht auch, das iPhone lernt einfach mit, was oft geschrieben wird.)
Ausgerechnet als Telefon und Taschenmusikant begeistert mich Apples Multitalent eher mäßig. Sehr praktisch ist es einerseits, dass man Telefonnummern, die in E-Mails stehen, einfach antippen kann, um anzurufen. Die "Visual Voicemail" begeistert ebenfalls: Nachrichten vom Anrufbeantworter erscheinen als Liste mit Namen oder Telefonnummern und können angehört werden wie Lieder auf dem iPod. Auch Herumspringen in der Nachricht ist kein Problem - perfekt, um etwas noch mal zu hören, ohne sich wieder durch die ganzen fünf Minuten zu hangeln. Die Tonqualität allerdings ist dürftig, sowohl beim Telefonieren als auch bei den Nachrichten auf der Mailbox. Beides klingt dünn und blechern, und bei Umgebungslärm kann es schwierig sein, überhaupt etwas zu verstehen.
Das mag ganz oder zum Teil die Schuld von AT&T sein, und vielleicht erledigt sich das Problem mit T-Mobile von allein. "Der beste iPod, den Apple je hergestellt hat", wie Steve Jobs gern behauptet, wird das iPhone dagegen auch in Deutschland nicht sein: Acht Gigabyte Speicher sind für viele Musiksammlungen schlicht zu wenig, und ärgerlicherweise lässt iTunes es nicht zu, Songs nach Lust und Laune auf das iPhone zu kopieren (was bei jedem iPod geht) - alles muss per Playlist synchronisiert werden. Da ist es fast schon konsequent, dass sich das iPhone auch nicht als externe Festplatte (bzw. USB-Stick) einsetzen lässt, was sehr praktisch wäre, um Daten von einem Rechner zum anderen zu kopieren oder um unterwegs eine Sicherheitskopie anzulegen. Da haben die reinen iPods ebenfalls die Nase vorn.
Ärger macht auch die Kopfhörerbuchse, die so tief ins Gehäuse eingelassen ist, dass der Stecker vieler Kopfhörer nur passt, wenn man einen Adapter kauft. Das mag gut gemeint sein - angeblich schützt dieses Design vor Wackelkontakten. Aber warum liefert Apple solch einen Adapter (geschätzte Materialkosten: 50 Cent) nicht gleich mit? Die zehn Dollar, die Belkin dafür verlangt, sind auf jeden Fall eine gute Investition, weil die iPhone-Knopfhörer eher scheppernd klingen. Mir fallen sie außerdem immer aus den Ohren. Als Ersatz bietet sich ein Stereo-Headset mit eingebautem Mikrofon an.
Das Beste, das Versöhnliche zum Schluss: Google Maps. Perfekt ans iPhone angepasst und weit praktischer noch als auf dem PC. Neulich war ich in Detroit und habe mich von Google Maps vom Flughafen zum Hotel lotsen lassen. Anschließend hat mir das iPhone den Weg zum nächsten Supermarkt gezeigt, im Tandem mit Safari die Kinos und Vorführzeiten herausgefunden und mich etliche Male davor bewahrt, mich im Labyrinth der Highways heillos zu verirren.
Heute geht's nach San Diego, und ich weiß schon, wo ich morgen mein Frühstück finde. Wenn ich hören will, wann das Café aufmacht, kann ich mit einem Fingertippen anrufen: Für alles, was Google Maps in den Gelben Seiten findet, zeigt das Programm die Adresse und Telefonnummer an. Ein, zwei weitere Klicks genügen, schon folgt die Wegbeschreibung - auf Wunsch mit Anzeige des aktuellen Staureports.
Solch einen ortskundigen Helfer immer dabei zu haben ist fantastisch und beinahe allein den Kaufpreis wert. (Ein dreifach Hoch auf den starken Euro!) Und das Schöne an einem Gerät, das nur vier fest eingebaute Knöpfe besitzt, ist ja: Es kann per Software-Update immer noch etwas besser werden...
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