..geht so in die Richtung meiner These, daß alte Kurse nicht unbedingt wieder erreicht werden!! Börsenwelt in den 90er Jahren. Doch die Wachstumsphantasie ist längst raus aus den Oldtimern. Anleger sollten deshalb ihre Depots bereinigen und sie vom Tech-Ballast befreien. von Hartmut Conrad und Klaus Schachinger
Bill Gates? Nie gehört." So dürften Pisa-optimierte deutsche Schüler in einigen Jahrzehnten auf den Namen des derzeit reichsten Mannes der Welt reagieren. Kennen werden sie ANZEIGE dann wohl eher die Vor- und Nachnamen chinesischer Milliardäre.
Vielleicht geraten Hightech-Pioniere wie Gates bald in Vergessenheit. Wie die Eisenbahn-Könige der vorletzten Jahrhundertwende. Cornelius Vanderbildt - nie gehört? Der Mann war mal fast doppelt so reich wie Bill Gates heute. Die Nasdaq, die US-Börse für Wachstumswerte, hat 2005 den schlechtesten Jahresbeginn ihrer Geschichte hingelegt. Ein Minus von sechs Prozent in den ersten drei Wochen. Eigentlich kein Anlaß zur Aufregung, doch da steckt mehr dahinter: Offenbar sehen immer mehr Investoren einen Grund, die Hightechs heute grundsätzlich anders zu beurteilen als in der Vergangenheit.
Die Branche ist schnell gealtert. Die Zukunft von Microsoft (NASDAQ: MSFT - Nachrichten) , Nokia (Helsinki: Nachrichten) und Co wurde überschätzt. Und die Kurse des Boomjahrs 2000 werden die Titel kaum jemals wieder erreichen - im Durchschnitt müßten sie um 311 Prozent zulegen. Grund genug auch für die treuesten Privatanleger, ihre Depots jetzt zu bereinigen.
Wall-Street-Strategen haben den Tech-Sektor runtergestuft: Morgan-Stanley-Analyst Henry H. McVey erwartet 2005 im gesamten Tech-Sektor sinkende Margen - und das in einer wachstumsstarken US-Wirtschaft und in einer Zeit eines Mega-Booms in Asien. Eindeutiger kann man den Druck auf die Hightech-Branchen nicht illustrieren: "Die Tech-Industrien sind zyklische Industrien, die an der Börse lange Zeit so gehandelt wurden, als seien sie insgesamt immer noch Wachstumsbranchen", sagt McVey.
Die These, an die viele Anleger bis heute glauben, lautet: Technologieaktien bringen langfristig mehr Wachstum und höhere Kurszuwächse als Aktien aus anderen Sektoren. Spätestens seit dem Jahr 2000, dem Höhepunkt des Börsenbooms, gehörten die Aktien von Cisco, Ericsson (Stockholm: ERICb.ST - Nachrichten) und Nokia deshalb auch in Deutschland in das Depot jedes aufgeklärten Anlegers.
Und da liegen sie immer noch. Nokia ist nach wie vor die beliebteste ausländische Aktie der Deutschen. Dabei ist der Wert längst kein Selbstläufer mehr. Aber deshalb gleich die Trennung? Andreas Beck, Vorstand beim Marktforscher Tetralog in München, analysiert regelmäßig die Depots deutscher Privatanleger. Sein Urteil: "Zwar haben die Anleger nach dem Beginn des Absturzes im Jahr 2000 nicht noch mehr Hightech-Titel nachgekauft. Aber die meisten halten Aktien wie Nokia oder Deutsche Telekom (Xetra: 555750.DE - Nachrichten - Forum) immer noch - in der Hoffnung auf das Erreichen einstiger Höchstkurse."
Doch bisher ist wenig geschehen. Seit Jahren laufen die Titel seitwärts. Im schlechteren Fall, wie bei Sun und Lucent (NYSE: LU - Nachrichten) , geht es selbst nach dem Big Bang von 2000 noch weiter abwärts. Und wer darauf wartet, daß der einfache Mechanismus aus den 90er Jahren wieder anspringt und Hightech-Aktien wieder regelmäßig zweistellige Kurszuwäche bringen, der "könnte ziemlich lange warten", sagt Joseph Battipaglia, der Chef-Analyst beim US-Vermögenverwalter Ryan Beck & Co.
Das Ende vieler Kurshoffnungen? Ja. Die Erklärung liefert Professor Jochen Röpke, Wachstumsforscher aus Marburg: "Die Informationstechnologie war eine Basisinnovation, vergleichbar mit der Erfindung des Autos. Ihre Produkte haben nun alle Lebensbereiche durchdrungen. Der Wachstumseffekt läuft deshalb in den nächsten zehn Jahren langsam aus." Laut Röpke sind die Anzeichen eindeutig. Es entstehen nur wenige echte neue Märkte. Die IT-Produkte gelangen in einen gnadenlosen Preiswettbewerb. Nachahmer reißen das Massengeschäft an sich. Produktion und neuerdings auch die Weiterentwicklung wandern ab in Billiglohnländer wie Indien und China. Geld verdienen in einzelnen Märkten nur noch der Marktführer und Nischenanbieter.
Ist denn alles schlecht? Über haupt nicht. Nur - was nicht schlecht ist, kann trotzdem langweilig sein. Die Aktien der profitablen Marktführer wie Dell (NASDAQ: DELL - Nachrichten) oder Microsoft sind gemessen am Kur/Gewinn-Verhältnis zwar nicht mehr teuer, doch es fehlt die Wachstumsstory.Doch derzeit liefern Hightech-Titel eine ganze Bandbreite an Gefühlen: Apple ist die reine Freude, verfünffachte den Gewinn, brachte Anlegern in einem Jahr ein Kursplus von 150 Prozent. Das Unternehmen ist das Musterbeispiel für den Überflieger in der Nische. Mit dem MP3-Player iPod hat Apple den Markt neuerfunden und mit einem Musikladen im Internet der Branche gezeigt, wie Musik über das Web legal und erfolgreich verkauft werden kann.
Infineon (Xetra: 623100.DE - Nachrichten - Forum) ist das Gegenbeispiel und ein Dauerdesaster. Nicht Marktführer, nicht Nische. Der finanzstarke Marktführer Samsung schafft es als einziges Unternehmen, in guten Zeiten ausreichend zu verdienen, um die Perioden mit Verlust im zyklischen Geschäft zu überstehen. Und mit dem SMIC-Konzern sind seit kurzem auch die Chinesen im Spiel. Bitter für Infineon.
Und der Markt könnte schrumpfen. Nach einem Umsatz von 217 Milliarden Dollar auf dem Weltmarkt halten die Marktforscher von Semico Research einen Rückgang auf 207 Milliarden für möglich. Das ist nicht gut für die Branche, für die Marktführer Intel (NASDAQ: INTC - Nachrichten) und Samsung, aber immer noch besser als für die Mitläufer.
Die Aussichten für das klassische Geschäft mit Computern? Durchwachsen. Von einer Wachstumsbranche kann keine Rede mehr sein. Im November fiel der Computerumsatz, bei bestem Konsumklima, in den USA um 5,7 Prozent. Merrill Lynch (NYSE: MER - Nachrichten) erwartet für 2005 maximal einen Umsatzzuwachs von 3,9 Prozent auf dem US-IT-Markt. Marktführer wie Dell und Microsoft können auch in einer solchen Situation an Macht gewinnen und gute Zahlen präsentieren, wie Microsoft am vergangenen Donnerstag.
Wer die Nummer 2 oder 3 in einem Markt ist, kann bei den Preiskämpfen viel Kraft verlieren. Beispiel Hewlett-Packard (HP). Carleton Fiorina, Chefin des Computer- und Druckerkonzerns, kann das Tempo von Dell und IBM (NYSE: IBM - Nachrichten) nicht halten. Bei IT-Dienstleistungen, dem Kerngeschäft von IBM, konnte HP bislang nicht, wie von Fiorina versprochen, Marktanteile erobern. Und die PC-Sparte, wo Dell mit Gewinnmargen von rund sechs Prozent vormacht, wie Geld verdient wird, schafft HP magere 0,9 Prozent Marge. Geld verdient HP heute eigentlich nur mit Druckern. Jetzt bekommt Fiorina drei Aufpasser an die Seite gestellt.
Im Handy-Markt gerät selbst Marktführer Nokia unter Druck. Immerhin überraschten die Finnen am Mittwoch mit guten Zahlen und optimistischem Ausblick. Doch in Nokias Markt tummelt sich mit Samsung der härteste Angreifer der Hightech-Branche.
Wer Hightech-Wachstum sucht, der muß nach Osten schauen. Dort entstehen neue Weltkonzerne. Wie etwa der chinesische Telekom- und Netzwerkausrüster Huawei, der vor kurzem auch ein UMTS-Handy vorstellte. Huawei wächst pro Jahr um 20 bis 30 Prozent. 2004 schaffte der nicht börsennotierte Konzern fünf Milliarden Dollar Umsatz, 40 Prozent davon in den USA und Europa. Ericsson und Cisco beobachten Huawei mit Argwohn. Bill Gates könnte es noch erleben, daß der reichste Unternehmer der Welt bald ein Chinese sein wird. Der allerdings dürfte aus der Biotech-Branche kommen.
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