Hey Kosto, ich grüße Dich und danke Dir wie immer für Deine Einzelanalysen und die Zeit, die Du Dir dafür nimmst. Übrigens auch ein tolles Format – Du sagst nicht „so isses“, sondern fängst eine Diskussion ein und fragst nach offenem Feedback der Beteiligten. Da Du gestern meine Nachricht auf einen Satz verkürzt und einen (Groß-)Teil meiner PN weggenommen hast (alles gut!), hast Du mich geschickt wieder in die Forum-Diskussionen reingeholt – dabei war ich jetzt einige Tage „trocken“ :-). Versuche ich aber danach weiterhin.
Also meine (komplette) Botschaft war wie folgt:
„Ganz ehrlich, diese Geschichten/Berechnungen um den direkten Einfluss der LVs auf den Kurs und die möglichen Short Squeezes sind für mich größtenteils Milchmädchenrechnungen (das ist jetzt ein generelles Statement und nicht auf Dich bezogen). Dazu gehören insbesondere diese ganzen „mit 50k Aktien haben die den Kurs gerade mal um 50 Cents drücken können“ Statements. Ohne zu wissen wieviele Aktien überhaupt gehandelt werden (dark pools, andere Börsen außerhalb XETRA wie Chi-X, Bats, Turquoise, etc), ohne zu wissen welcher andere long only Fonds gerade verkauft oder kauft, ohne zu wissen was der Gesamtmarkt macht/gemacht hat, ohne zu wissen wie ETF Investoren reagiert haben, wieviele Trader unterwegs sind, etc. - sind für mich diesen ganzen monokausalen LV Kurseinfluss-Berechnungen ehrlich gesagt ziemlicher Quatsch. Ich mag da aber falsch liegen.
Theoretisches Beispiel: da kann ein LV an einem handelsarmen und schwachen Börsentag 500k Aktien schmeißen und der Kurs könnte 3-5 Euro fallen. Da kann ein LV sogar 1 Mio Aktien schmeißen, gleichzeitig kaufen DWS, Artisan & Blackrock, es kommen gute non-farm payrolls, der Gesamtmarkt läuft, Goldman stuft rauf und der Kurs steigt vllt um 3-5 Euro. Wie man hieraus eine Korrelation rausfinden will, erschließt sich mir nicht.
Zu dem Chart von teenbagger: ja, der sieht eindrucksvoll aus und mag eine hohe Korrelation ausweisen, aber in der Zeit ist auch der Gesamtmarkt gut gelaufen, sind payment Dienstleister an der Börse en vogue gewesen, hat WDI enormes Wachstum gezeigt und kam zum Schluss das Adyen-IPO hinzu bei dem der Kurs von 400 auf 700 Euro in kürzester Zeit gestiegen ist. Sicherlich wurde der Kursanstieg durch das Covern befeuert/unterstützt, aber niemals würde ich daraus Schlüsse ziehen wie „20 Mio Aktien Covern = Kursverdopplung“ (hast Du so explizit nicht gemacht, ich weiß). Natürlich haben deren Aktivitäten Einfluss und natürlich gibt es Short Squeezes, siehe Tesla oder TUI jüngst (WDI +30% beim R&T Bericht). Aber die restlichen Annahmen dahinter sind für mich eher irreführend und vor allem auch ein wenig gefährlich: hier kommt jemand neu ins Forum und bekommt den Eindruck, dass hier Millionen von Aktien bald gekauft werden bzw. gekauft werden müssen und dass sich beim letzten mal der Kurs vervielfacht hat. Das ist in meinen Augen eben nicht der Fall und sollte man auch so kennzeichnen.
Übrigens, das ARP mit seinen vllt 10-15k Stück am Tag ist eher ein Placebo und in der Diskussion mit den LVs in meinen Augen völlig zu vernachlässigen. Und auch Softbank darf man mE hier nicht erwähnen. In 2024 - so denn der Kurs dann über 130 Euro stehen sollte - dann hat Softbank das Recht, die Anleihe in Aktien zu wandeln und dafür würden dann neue Aktien emittiert werden. Aber dass Softbank jetzt „Zugriff über eine Wandelanleihe auf 8% des Aktienbestandes“ hat, ist in meinen Augen leider völlig falsch, sorry (übrigens nur 5,6%, oder?).
Nachfolgend ein paar weitere ungeordnete Gedanken dazu (teilweise in Bezug auf die VW Referenzen):
1) Das Land Niedersachsen ist nicht DWS/Union/Deka/Artisan/Blackrock! Während Niedersachsen/Porsche nie auch nur eine Aktie verkaufen würden, würden DWS/Union/Deka/Artisan/Blackrock wohl bei (stark) steigenden Kurse auf der Verkäuferseite stehen, zumindest in der Theorie.
2) Das Forum war begeistert als die Leihegebühren erst bei 2%, dann 4%, dann 8%, dann über 10%, etc. waren. Jetzt waren wir teilweise bei 40% (?) und Rackette konkrett immer noch nicht da. Das gleiche gilt für die vermeintliche Zahl an zur Verfügung stehende Aktien.
3) Es ist für mich eine falsche Annahme, dass bei einem Testat hier auf einmal jeder wieder rein will. Die Profis werden wissen, dass die Causa WDI nicht von einem auf den anderen Tag vorbei ist. Wie schon oft geschrieben: WDI ist für die eine von hunderttausend Investitionsmöglichkeiten, die sehen das völlig unemotional.
4) Es ist für mich auch eine falsche Annahme, dass die bisherigen long Investoren bei einem Kursanstieg all ihre Aktien behalten wollen. Um das mal zu verdeutlichen, vllt am Beispiel der DWS: ich glaube, dass deren Investment eine ganze Menge in- und externer Schmerzen verursacht hat: signifikante Medien-Coverage, wahrscheinlich extreme due diligence und interne Diskussionen, Briefe an die Geschäftsleitung der DWS, öffentliche Zurschaustellung, etc. Wenn die ihren Einstandskurs bei 105-10 Euro (?) wiedersehen und sich von MB falsch informiert fühlen nach dem KPMG Bericht, warum sollten die dann nicht einfach auf den "gib-mir-meine-Ruhe-zurück"-Verkaufsknopf drücken?
Auf mich bezogen (bitte nicht an den Zahlen festmachen): selbst wenn ich zB glauben würde, dass die Aktie 180 Euro wert sein müsste, wahrscheinlich würde ich die bei 150 Euro verkaufen einfach weil dieses Investment Schmerzen verursacht. Und die gehen nicht so schnell weg. WDI ist vllt 10% meiner Aktienpositionen, aber 90% meiner Postings (gewesen) bzw. Research-Aktivitäten.
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Zusätzlich hätte ich die folgende Anmerkung, Kosto: all diese Informationen, die Du oben postest, haben auch die ganzen LVs, sprich: dgap Stimmrechte, ihors Daten, Leihekosten, etc. Im Zweifelsfalle sind die besser informiert als wir. Also wenn Du – zugegebenermaßen extrem in die Tiefe eingestiegener Investor – diese obige Analyse so machen kannst, dann können das die TCIs, Slate Path, Coatues, etc erst Recht. Und das wiederum macht die obigen Überlegungen fraglich. Dass hier hoch-professionelle Anleger, die Milliarden verwalten, so blindlings in eine solche Falle tappen und diese Entwicklungen über „kaum noch vorhandene Aktien“ nicht erkennen, daran kann ich einfach nicht glauben. Was das aber natürlich nicht ausschließt.
Vor allem glaube ich aber, dass der 18. Juni nicht dieses „endgame“ wird, wie das hier im Forum hochstilisiert wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der 18. Juni alle Fragen beantworten wird. Und die nächsten Termine stehen ja dann schon an: KPMG Update, HV mit oder ohne Entlastung, wie reagiert das Analysten-Dutzend, das vor 6 Wochen aufgegeben hat, was ist mit Singapur, welche Vorstände überleben, welche Verträge werden nicht verlängert, was passiert mit der BaFin-Untersuchung, gibt es ein Nachspiel des MB DD, etc.
Meine Erwartung ist ein Testat am 18. Juni, eine solide Präsentation inkl. des 9-Punkte-Plans – und eine insgesamt recht positive Kursreaktion. Und das wäre dann ein Startpunkt für das mittelfristige (Wieder-)Aufbauen von Vertrauen und damit verbunden eine Aufholung des Bewertungsdiscounts ggü Wettbewerbern. Und da man – nur auf die Zahlen schielend – auch locker das doppelte Kursniveau für WDI annehmen könnte, will ich so einen Kursverlauf wie in TBs Chart gar nicht ausschließen – aber ich würde den dann nicht monokausal auf die LVs schieben, auch wenn der Chart sich in zwei Jahren ähneln könnte.
Wünsche nen schönen Rest-Sonntag und sorry für evtl nicht beantwortete Postings die letzten Tage. Wie hier schon oft geschrieben wurde, das Forum wird jeden Tag grenzwertiger/unerträglicher - und Ihr könnt mein Posting gerne dazu zählen. |