Banken ohne Perspektive
Das Beispiel Hypo-Vereinsbank zeigt, das Geschäft in Deutschland ist eine Qual. Besserung ist nicht in Sicht.
"Das war der letzte Schlag." HVB-Vorstandschef Dieter Rampl
Von Gerald Braunberger
Nachdem die Hypo-Vereinsbank (HVB) am Freitag überraschend Wertberichtigungen für Immobilienkredite über 2,5 Milliarden Euro und damit für das Geschäftsjahr 2004 einen satten Verlust angekündigt hatte, begann die in solchen Fällen übliche Beschwichtigung. "Das war der letzte Schlag", sagte HVB-Vorstandschef Dieter Rampl, weitere böse Überraschungen stünden nicht an. Eine Kapitalerhöhung zur Aufstockung des geringen Eigenkapitals? "Eine abwegige Vorstellung, ganz und gar unnötig", heißt es in München.
Die Bank, die in den Jahren 2002 bis 2004 zwischen fünf und sechs Milliarden Euro verloren haben dürfte (der Abschluß für 2004 liegt noch nicht vor) und zum dritten Mal in Folge keine Dividende ausschüttet, sieht sich nun gar als attraktiver Partner für einen internationalen Zusammenschluß. Derweil denkt man bei Ratingagenturen über eine schlechtere Bewertung der Schulden der HVB nach. Eine schlechte Note würde die Refinanzierungskosten erhöhen. Deutschlands Finanzwelt erlebt einen beispiellosen Niedergang. Verzweifelt schrumpfen sich die Geldinstitute mit Ausnahme der Deutschen Bank auf ein Niveau herunter, das international keine Rolle mehr spielt. Im Heimatmarkt aber ist der Wettbewerb nicht nur brutal, sondern geradezu ruinös.
"Desaströse Ausmaße" habe er angenommen, klagt der oberste Bankenaufseher Jochen Sanio. Die niedrigen Kreditzinsen deckten die Risiken nicht angemessen ab. In der Branche scheint es mittlerweile sogar an Grundlagenwissen zu fehlen. Viele deutsche Banker könnten überhaupt nicht richtig rechnen, bemerkte selbst ein Vorstand kürzlich mit Blick auf die Zustände im Kreditgeschäft bissig. Die künftige Rolle der deutschen Banken: Juniorpartner.
Die HVB preist sich über die Medien geradezu aufdringlich als geläuterter Kandidat für eine Übernahme. Denn der norditalienische Unicredito, der in München unverhohlen als Wunschpartner genannt wird, weist einen mehr als doppelt so hohen Börsenwert auf und würde daher bei einer Vereinigung die dominierende Rolle spielen."
Dabei finden derzeit überhaupt keine Verhandlungen zwischen der HVB und dem Unicredito statt, räumt man in München ein. Die reichen Italiener wollen zwar durch Übernahmen wachsen, haben sich allerdings vor wenigen Jahren bei einem gescheiterten Versuch, mit der Commerzbank zusammenzugehen, schon einmal die Finger in Deutschland verbrannt. Eine Fusion mit einer anderen deutschen Großbank schließt man in der HVB aus.
Da kämen sowieso nicht viele in Frage, denn von der Deutschen Bank abgesehen, die wegen ihrer Größe und ihrer sehr starken internationalen Präsenz noch in einer anderen Liga spielt, geht es den übrigen Großbanken nicht viel besser als der HVB. Sie haben zwar mit Erfolg Kosten gesenkt und sich von unrentablen oder sehr riskanten Geschäften getrennt. Aber richtig gut geht es ihnen nicht. Im Gegenteil: In allen großen europäischen Ländern geht es den Banken besser als in Deutschland.
Gleich ob HVB, Commerzbank oder Dresdner Bank, sie alle streben an, 2005 gerade die Kosten des eingesetzten Kapitals zu verdienen. Das entspricht bei den drei Häusern einer Rendite vor Steuern von rund 10 Prozent. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank, die im Weltmaßstab ebenfalls keine Ertragsperle ist, hat sich eine Rendite vor Steuern von 25 Prozent zum Ziel gesetzt.
Die Schwierigkeiten der Großbanken sind nicht erstaunlich. Denn mit der Reduzierung von Geschäft, die ja mit Kostensenkungen üblicherweise einhergeht, sinkt auch die Möglichkeit, Erlöse zu erzielen. Wer hohe Erlöse erzielen will, muß aber auch bereit sein, hohe Risiken einzugehen. Ansonsten fehlt es an Perspektiven - vor allem, wenn man sein Geld hauptsächlich auf dem sehr schwierigen deutschen Markt verdienen muß. Ein Haus wie die Commerzbank, das sich weitgehend auf Deutschland beschränkt und dort bei Privatkunden und im Mittelstand punkten will, hat auch im Selbstverständnis bestenfalls die Aussicht, dank einer harten Kostenkontrolle einen halbwegs annehmbaren Gewinn zu erzielen.
Mehr ist angesichts des scharfen Wettbewerbs nicht drin. "Gar keine", antwortet ein Manager lakonisch auf die Frage, welche Wachstumsperspektive die Commerzbank, so wie sie heute aufgestellt ist, eigentlich habe.
Die Leiden des heimischen Geschäfts kennt auch die HVB, die in der jüngeren Vergangenheit in Österreich und in Osteuropa ansehnliche Gewinne erzielte, um sie in Deutschland zu versenken. Die 2,5 Milliarden Euro Wertberichtigungen auf Immobilienkredite sollen die Voraussetzungen schaffen, um in Zukunft auch auf dem Heimatmarkt Gewinne zu erzielen, wo man vor allem Hoffnungen auf Geschäft in den Großräumen München und Hamburg setzt.
Für das leidgeprüfte Trio HVB, Dresdner und Commerzbank bedeutet das wiederbelebte Interesse der Deutschen Bank am Heimatmarkt keine gute Nachricht. Unter Führung des für das Deutschland-Geschäft zuständigen Managers Jürgen Fitschen will man vor allem Unternehmenskunden umwerben. Im Privatkundengeschäft besitzt die Deutsche ohnehin die beste Basis unter allen Großbanken. Zurück zu ihren Wurzeln strebt auch die WestLB, deren Vorstandschef Thomas Fischer in einem Gespräch mit dieser Zeitung den Rückzug in die Heimat so begründet: "Schon in England ist uns jeder lokale Spieler am Markt überlegen."
Fragt man bei den angeschlagenen Großbanken nach, wie es weitergehen soll, kommt als Antwort: "Auf jeden Fall nicht durch Fusionen unter uns." Da spielt auch Frustration über gescheiterte Projekte eine Rolle. Im Jahr 2000 kam eine bereits verkündete Ehe zwischen Deutscher und Dresdner Bank nicht zustande, und auch die wiederholt erwogene Idee einer Verbindung von HVB und Commerzbank ließ sich nicht realisieren.
Heute ist ein Interesse der Deutschen an einer Übernahme einer deutschen Großbank nicht zu erkennen, und die Allianz will offenbar an der Dresdner Bank festhalten. Solange die privaten Banken nicht in größerem Stile Sparkassen oder Genossenschaftsbanken kaufen dürfen, sieht es trübe aus.
"Das war der letzte Schlag." HVB-Vorstandschef Dieter Rampl
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 23.01.2005, Nr. 3 / Seite 31
MfG kiiwii |