25. November 2007, 04:00 Uhr Von Lutz Frühbrodt
Internetunternehmer Ralph Dommermuth segelte bisher im Windschatten der Telekom. Mittlerweile hat er einen eigenen Kurs gefunden. Doch der ist für Konkurrenten schwer ergründbar Manchmal wandelt Ralph Dommermuth derart gedankenverloren durch die Gegend, dass er Bekannte, die ihm entgegenkommen, einfach nicht wahrnimmt. Der Chef von United Internet wirkt aber nicht nur oft in sich gekehrt. Für einen Machertypen aus der Wirtschaft scheint er auch etwas zu melancholisch dreinzuschauen.
Doch der äußere Eindruck täuscht. Dommermuth wälzt seine Gedanken keinesfalls endlos hin und her. Manchmal will er nur nicht angesprochen werden. Und wahrscheinlich sind es nur seine angeborenen Gesichtszüge, die ihn stets ein wenig traurig erscheinen lassen. Der Unternehmer aus dem Westerwald ist weder ein verkappter Philosoph noch ein Mann der großen Gefühle. Der 44-Jährige ist ein kühler Rechner und Stratege, der - von der unfreiwillig melancholischen Note abgesehen - mit einem ausgesprochenen Pokerface seinen Geschäften nachgeht. Das macht ihn unberechenbar und zuweilen auch ein bisschen gefährlich.
Diese Erfahrung mussten jetzt Eckhard Spoerr und Pascalis Choulidis machen. Vor zwei Monaten hatte sich Choulidis, der Chef des kleinen Mobilfunkdienstleisters Drillisch, mit Dommermuth zusammengetan, um Spoerrs Unternehmen Freenet zu zerschlagen. Drillisch ist auf die Mobilfunksparte Mobilcom von Freenet aus. Dommermuth hat es auf das lukrative DSL-Geschäft des Konkurrenten aus Nordeutschland abgesehen.
Zunächst sperrte sich Spoerr gegen die Filetierung seiner Firma. Doch schließlich sprachen die drei Topmanager miteinander. Spoerr, der Impulsive. Choulidis, der Emotionale. Und Dommermuth, der Undurchschaubare. Am Verhandlungstisch muss es wie bei einer Pokerrunde mit Millioneneinsatz zugegangen sein. Jeder Spieler wollte als der ganz große Gewinner aus der Partie hervorgehen. Keiner traute dem anderen über den Weg, trickste und bluffte.
Doch dann machte Dommermuth am Dienstag voriger Woche das Unvorhergesehene. Kurzerhand erklärte er die Verhandlungen für gescheitert. Hat der Manager so ein schlechtes Blatt gehabt? Wohl kaum. Es dürfte sich vielmehr um ein taktisches Manöver handeln. Denn den einen oder anderen Trick hat Dommermuth immer wieder eingesetzt, um sich seine Beute zu sichern. Mit großem Erfolg: United Internet ist ein Sammelsurium aus rund 20 Übernahmen, die Dommermuth seit Gründung seines Unternehmens vorgenommen hat.
Das war vor fast zwei Jahrzehnten, im Jahr 1988. Damals unterstützte der gelernte Bankkaufmann den Vertrieb des Internetvorläufers BTX. Doch als der Newcomer der Deutschen Telekom zu mächtig wurde, rief diese ein paar Jahre später ihre Tochtergesellschaft T-Online ins Leben und nahm das Geschäft wieder voll in ihre Regie. Ralph Dommermuth gründete daraufhin zwar seinen eigenen Onlinedienstleister, spielte allerdings nicht den Beleidigten. Denn bis heute segelt der Mann mit der Stirnglatze im Windschatten des Riesentankers. Und damit ist er durchaus gut gefahren.
Die Nähe zwischen der United-Internet-Zentrale in Montabaur und der des Ex-Monopolisten in Bonn ist nicht nur geografischer Natur: Die United-Internet-Töchter GMX und 1&1 vermarkten vor allem DSL-Anschlüsse der Telekom unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung.
Seit einigen Monaten stellt Dommermuth seine langjährige Freundschaft mit Telekom-Chef René Obermann allerdings auf die Probe. United Internet verkauft nun auch eigene Anschlüsse, die über die Netze von Telekom-Konkurrenten laufen. "Wenn es ums Geld geht, hört bei Dommermuth die Freundschaft auf - und zwar früher als bei anderen", heißt es aus Telekom-Kreisen. Nicht ohne Grund stünde auf seinem Konferenztisch eine große Dagobert-Duck-Sparbüchse.
Der Erfolg scheint dem Internetunternehmer jedoch recht zu geben: Seit Jahren legt United Internet Wachstumsraten von 50 bis 60 Prozent vor. Die Geschäfte liefen keineswegs immer so gut. 1998 hatte Dommermuth United Internet als erstes Internetunternehmen am Neuen Markt platziert - mit Erfolg. Doch als drei Jahre später die New-Economy-Blase platzte, machte auch der Überflieger einen schmerzhaften Bauchklatscher.
Dommermuth, der seit dem Börsengang noch 38 Prozent am Unternehmen hält, reagierte blitzschnell und trennte sich quasi über Nacht von allen Verlustbringern. Damals stellte der CEO das Unternehmen auf zwei neue Standbeine: die Onlinewerbung und das Webhosting, die technische Betreuung von Internetseiten. "Wir verkaufen nicht nur DSL-Anschlüsse", wird Dommermuth nicht müde zu betonen. Er ist leicht genervt, wenn sein Unternehmen nicht in seiner vollen Produktbreite anerkannt wird.
United Internet überlebte damals auch deshalb, weil der bodenständige Westerwälder sich nicht wie ein überdynamischer Start-up-Entrepreneur in Blütenträumen verlor, sondern die Situation nüchtern wie ein Buchhalter analysierte. Dommermuth ist zudem kein Technikfreak, dem es um "die Sache an sich" geht. Er versteht sich vielmehr als Vermarkter. So hat er zwar einen Segelschein in der Tasche, doch Sponsor des America's Cup ist er in erster Linie geworden, weil die bekannteste Segelregatta der Welt auch die Popularität seiner Markennamen steigert. Dafür hat der Multimillionär fast 30 Millionen Euro aus seiner persönlichen Schatulle beigesteuert.
Wenn die Segler trotz ihrer bisher bescheidenen sportlichen Erfolge die Sektkorken knallen lassen, ist Dommermuth meist nicht mit von der Partie. Mit voller Absicht. Wenn überhaupt, feiert er lieber im eigenen kleinen Kreis. Und er hält den Ball gern flach. In seiner Garage in Montabaur steht zwar ein Ferrari. Allerdings nicht im klassischen Rot, sondern in Schwarz. "Rot wäre mir zu auffällig", sagt Dommermuth.
Wie im Privatleben kommt der Internetmillionär auch bei seinen Geschäften am liebsten aus einer guten Deckung heraus. Als er vor gut zwei Jahren verkündete, United Internet habe das führende Onlineportal Web.de für 330 Millionen Euro übernommen, hatte vorher kaum jemand aus der Branche etwas von den Geheimverhandlungen bemerkt. Vor einem Jahr wollte Dommermuth dann den Deutschland-Ableger von AOL kaufen, musste dabei aber gegen mehrere Bieter antreten. Er pokerte wieder einmal und sagte Treffen mit den Verkäufern kurzfristig ab. Angeblich soll er sogar in die USA geflogen sein, um den Deal an der Konkurrenz vorbei mit der Konzernmutter einzufädeln. Doch letztlich erhielt die Telecom-Italia-Tochter Hansenet ("Alice") den Zuschlag.
Und vielleicht hat sich Dommermuth ja auch bei Freenet verkalkuliert. "Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass da zwei Charaktere aufeinandergetroffen sind, die sich in die Haare geraten sind", sagt Frank Rothauge. Der Analyst der Investmentbank Sal. Oppenheim spielt darauf an, dass sich Dommermuth und Freenet-Chef Eckhard Spoerr grundsätzlich nicht mit der allergrößten Sympathie begegnen. Dem United-Internet-Chef liegt also Menschliches doch nicht ganz so fern, wie es manchmal erscheinen mag. |