"Wir sind keine stolzen AKW-Besitzer"
Der designierte baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller von den Grünen über die zwiespältige Rolle als Anteilseigner von EnBW und den Unsinn, den Noch-Ministerpräsident Mappus zum Thema Windenergie sagt. Der designierte baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Der designierte baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Foto: dpa
Herr Untersteller, wie ist es, als Grüner Mitbetreiber von zwei Atomkraftwerken zu sein?
Wir sind Mitbesitzer von Neckarwestheim und Philippsburg, allerdings wirklich keine stolzen Besitzer. Aber es hilft nichts: Wir müssen uns der Verantwortung stellen, die uns vom CDU-Ministerpräsidenten Mappus mit dem Kauf des Stromkonzerns EnBW aufgedrückt worden ist. Er war es ja, der den überteuerten Milliarden-Deal am Parlament vorbei eingefädelt hat.
Konkret?
Wir tun als künftige Landesregierung alles dafür, dass die beiden noch am Netz befindlichen AKW mit höchstem Sicherheitsstandard betrieben werden. Außerdem ist unser Ziel, dass auch sie schnellstmöglich abgeschaltet werden.
Wann sollen Neckarwestheim 2 und Philippsburg 2 also von Netz gehen?
Die Bundes-Grünen haben 2017 als Enddatum für alle AKW gefordert. Ich sehe erst mal keinen Grund dafür, diese Linie in Frage zu stellen.
Was passiert mit den beiden jetzt abgeschalteten Altmeilern, wenn das AKW-Moratorium am 15. Juni ausläuft? Dann wird der Bund noch kein Abschaltgesetz beschlossen haben.
Ich gehe davon aus, dass diese beiden genauso wie die andern Alt-Meiler in Deutschland nie mehr ans Netz gehen werden. Es ist der Job der Bundesregierung, das in den nächsten Wochen sicherzustellen.
Bei EnBW haben Sie bald doch selbst ein gewichtiges Wort mitzureden.
Wir sind einer von zwei großen Anteilseignern. Ich habe keine Signale aus dem Unternehmen, dass die Altreaktoren wieder angefahren werden sollen.
Die vier Reaktoren lieferten bisher rund 50 Prozent des in Baden-Württemberg verbrauchten Stroms. Ein im Ländervergleich sehr hoher Wert. Wie wollen sie den Atomstrom ersetzen?
Wir fahren zweigleisig. Wir planen den beschleunigten Ausbau von Wind-, Biomasse-, Wasser- und Sonnenenergie, wir brauchen aber auch neue effiziente und CO2-arme Gas-Kraftwerke. Meine Hoffnung ist, dass sich in all diesen Bereichen neben der EnBW auch die Stadtwerke und andere Investoren in den kommenden Jahren verstärkt engagieren. Allein die Windkraft, die jetzt nur einen minimalen Anteil von 0,8 Prozent hat, soll bis 2020 auf zehn Prozent kommen.
Sie brauchen keinen Strom aus französischen Alt-AKW?
Diese Debatte ist scheinheilig. Atomstrom aus Frankreich oder Tschechien wurde auch schon eingeführt, als es gar kein Moratorium hab. Wir bekommen keine Stromknappheit, es sind genug Kapazitäten da. Derzeit gehört Deutschland zu den Stromexporteuren.
Zurück zum Wind. Der CDU-Ministerpräsident Mappus hat gesagt, es weht gar nicht genug in Baden-Württemberg...
Das ist Unsinn. Mappus liegt schlicht falsch. Sein eigenes Wirtschaftsministerium hat ihn noch vor kurzem widerlegt. Danach gibt es in Baden-Württemberg sehr große Potenziale. Dass es geht, zeigt Rheinland-Pfalz, das heute schon knapp sieben Prozent Windanteil hat. Wir müssen die Potenziale heben und dabei auch die Bürger mitnehmen.
Wie denn? Wo Windräder und Biomasse-Kraftwerk gebaut werden sollen, gibt es Widerstand.
Gute Planung, intensive Beteiligung der Bürgerschaft daran, Gestaltung der Windparks als Bürger-Anlagen, bei denen Gewinne auch in die Region fließen. Dann klappt es. Perspektivisch sollten wir pro Jahr rund 100 Windkraftanlagen errichten. Das ist ambitioniert, aber zu schaffen. Stromerzeugung in Deutschland Der Strom für deutsche Steckdosen kommt aus verschiedenen Quellen: Braunkohle, Gas, Steinkohle und Uran (AKW). Damit der Strom alle Haushalte erreicht gibt es Stromtrassen - doch deren Kapazität reicht laut Experten nicht aus. Daher sind neue Stromtrassen vor allem für erneuerbare Energien geplant. Der Ausstieg aus dem Atomstrom könnte schneller erfolgen als geplant. Die Grafik zeigt die Anteile des Atomstroms bis 2019 - die Folgegrafik geht weiter.... Bis 2010 könnte aller Strom aus erneuerbaren Energieformen stammen. Bildergalerie ( 9 Bilder ) Durchklicken
Es gibt auch Konflikte mit dem Naturschutz. Das Landschaftsbild, Lärm durch die Rotoren...
Natürlich müssen naturschutzrechtliche Anforderungen bei solchen Projekten eingehalten werden. Bisher sind hier aber oft überzogene Anforderungen gestellt worden. Windräder sind nun mal sichtbar, und wenn sie größer werden, um mehr Strom zu produzieren, werden sie noch sichtbarer. Wenn man dem Klimawandel entgegentreten will, gibt es keine Alternative zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Dann muss man sich auch zum Bau der dafür nötigen Anlagen bekennen. Daran geht kein Weg vorbei.
Wird EnBW nach Abschaltung von Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1, die quasi Gelddruckmaschinen waren, überhaupt noch die Finanzkraft haben, die beschleunigte Energiewende zu stemmen?
Das ist ein schwieriger Spagat, den der Konzern aber vollziehen muss: Auf der einen Seite das Wegbrechen von Einnahmen, auf der anderen Seite ein erhöhter Bedarf für Investitionen in Ökoenergien und Gas-Kraftwerke.
Wie soll das gehen?
EnBW wird unter anderem darüber nachdenken müssen, von welchen Unternehmensbeteiligungen man sich trennen kann, um mit den Erträgen dann wiederum die überfällige Energiewende zu stemmen und gleichzeitig die Ertragskraft nachhaltig zu steigern. Man kann zum Beispiel die Frage aufwerfen, ob es Sinn macht, die Strom-Übertragungsnetze zu veräußern, so wie es Eon und Vattenfall bereits getan haben. Das wäre ohnehin sinnvoll, um den Wettbewerb zu fördern.
Sie haben die bisherige CDU-Umweltministerin Gönner gelobt, sie habe auch Gutes bewirkt. Was davon führen sie fort?
Zum Beispiel das Erneuerbare-Wärme-Gesetz mit seinen Anforderungen bezüglich des Einsatzes von Ökoenergien für Gebäudeheizung und Warmwasserbereitung. Unser Ziel ist es die Vorschriften auf Nicht-Wohngebäude wie Büros oder Schulen ausdehnen - und zwar nicht nur für neue Häuser, sondern auch für den Gebäudebestand.
Kommt eine Union, die Atomausstieg betreibt, denn wieder als Koalitionspartner in Betracht?
Das ist jetzt kein Thema. Wir haben einen Koalitionspartner, wir wollen mit der SPD erfolgreich Politik gestalten. Auf Bundesebene muss man erst abwarten, welche Atompolitik die Union wirklich macht. Grundsätzlich gilt: In einer Demokratie müssen alle Parteien miteinander gesprächsbereit sein. Es kommt bei Bündnissen immer darauf an, wie groß die Schnittmengen sind.
Ihr künftige Regierungschef Kretschmann hat gesagt, es wäre gut, wenn Daimler und Porsche weniger Autos bauten. Was fahren Sie denn für eines?
Ich bin leidenschaftlicher Bahnfahrer, ich habe eine Bahn-Card 100. Außerdem besitze ich einen zwölf Jahre alten Wagen, den ich aber selten fahre. Ich will nun ein kleineres, sehr sparsames Auto kaufen.
Und als Minister?
Ich werde wohl vorerst den Audi A 8 von Frau Gönner übernehmen. Wir wollen aber den Fahrzeugpark der Ministerien so rasch wie möglich entlang den Kriterien klimafreundlich und effizient erneuern.
Vielleicht bietet Porsche bis dahin ein Öko-Modell an.
Mal sehen. Käme als Dienstwagen aber trotzdem wohl kaum in Frage.
Interview: Joachim Wille |