GRÜNE UND DIE VERMÖGENSTEUER Wie schröpfe ich einen Millionär? Von Dominik Baur, Dresden
Es gehört zu den wiederkehrenden Ritualen der Grünen, dass die Basis ihre Oberen auf Parteitagen gerne abwatscht. Die erste Möglichkeit wäre in Dresden die Debatte über die Vermögensteuer gewesen. Doch die Parteispitze entging durch geschickte Taktik einer Blamage. Dresden - Die erste Hürde ist genommen. Bei der einzigen wirklich kontroversen Sachfrage auf dem Bundesparteitag der Grünen in Dresden ist die Parteiführung einer möglichen Blamage zuvorgekommen. Dem Bundesvorstand um die Parteichefs Reinhard Bütikofer und Angelika Beer hatte eine peinliche Abstimmungsniederlage beim Streit um die Vermögensteuer gedroht - eingebrockt hätte sie ihnen der übliche Verdächtige: Hans-Christian Ströbele. Doch die Parteispitze trat die Flucht nach vorn an: Um Ströbele, dem letzten Aushängeschild der Parteilinken, den Wind aus den Segeln zu nehmen, reduzierte sie die Unterschiede zwischen dem eigenen Leitantrag und dem Ströbele-Papier auf ein Minimum. Eine Passage, in der die Vermögensteuer auf Privatvermögen beschränkt wurde, strich der Bundesvorstand kurzerhand. Stattdessen hieß es jetzt: "Wir wollen negative Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen ebenso vermeiden, wie eine Substanzbesteuerung von Unternehmen in der Krise."
Die Rechnung ging auf. Der Leitantrag wurde mit großer Mehrheit angenommen. Zum Schluss wurde es jedoch noch einmal spannend, als über den Ergänzungsantrag Ströbeles abgestimmt wurde. Das Abstimmungsergebnis war so knapp, dass eine schriftliche Abstimmung nötig war. Die Delegierten mussten sich also noch etwas gedulden, bis schließlich um 22 Uhr das Ergebnis vorlag: Von 671 gültigen Stimmen votierten nur 297 für Ströbele. 28 enthielten sich, 346 lehnten den Antrag ab. Damit erteilten die Delegierten vor allem einem Punkt in Ströbeles Antrag eine Absage: "Die Fraktion wird aufgefordert, im nächsten Jahr so bald wie möglich - spätestens bis zur Europawahl im Juni 2004 - einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Vermögensteuer vorzulegen und diesen danach parallel zu dem geplanten Gesetzentwurf zur Neuregelung der Erbschaftsteuer in die Beratungen in der Koalition und im Bundestag einzubringen." Mit dieser Formulierung wollte Ströbele den seiner Ansicht nach oft allzu lahmen Fraktionskollegen Feuer unterm Hintern machen. Die sonstigen Punkte hatte der Bundesvorstand bereits mehr oder weniger übernommen.
Die Forderung nach einer Millionärsteuer, wie sie ihre Befürworter dieser Tage gerne nennen, ist bei der Mehrheit der Grünen relativ unumstritten. Ausgesprochene Gegner der Steuer wie Oswald Metzger stehen in der Partei ziemlich allein da. Es ist seit langem eine verbreitete grüne Ansicht, die Steuer sei ein geeignetes Mittel, damit auch die "stärkeren Schultern" ihren Teil an der Finanzierung des Staates beitragen. Millionäre schröpfen ja - aber wie?
Den Eindruck, es könnten wieder alte Grabenkämpfe ausbrechen, wollte die Parteiführung um keinen Preis aufkommen lassen. "Wir werden uns da nicht auseinanderdividieren lassen", erklärte Parteichef Bütikofer in der Debatte. "Wer große Vermögen hat und macht, darf nicht unter Naturschutz stehen." Deshalb habe schließlich der letzte Parteitag in Cottbus vor einem halben Jahr den Auftrag erteilt, eine neue Initiative zur Wiedereinführung einer verfassungsfesten Vermögensteuer auf den Weg zu bringen. "Es geht darum, wie wir jetzt Nägel mit Köpfen machen."
Prominente Unterstützer
Daran hatte es in der Fraktion freilich gehapert. Eine Kommission wurde zwar gebildet, der auch Ströbele angehörte, doch zu greifbaren Ergebnissen kam sie nicht. Fazit: Ströbele erarbeitete auf eigene Faust ein Konzept - und fand schließlich sogar zahlreiche prominente Unterstützer: Jürgen Trittin, Claudia Roth, Volker Beck, Kerstin Müller, Bärbel Höhn, so ziemlich alles, was ehemals links war in der Partei, stand hinter Ströbele. "Es ist nicht gerecht, wenn die, die viel haben und viel verdienen, sich arm rechnen und faktisch keine Steuern zahlen", schimpfte Trittin in seinem Redebeitrag. "Und ich sehe es auch nicht ein, dass BMW und Daimler keine Steuern mehr zahlen."
Kernpunkte des Ströbele-Konzept: Auf alle Vermögensgegenstände wie Bares, Aktien oder Immobilien sollte eine Vermögensteuer erhoben werden, wobei die Schuld aus der Vermögensteuer mit der gezahlten Einkommensteuer verrechnet werden kann. Pro Person sollte es einen Freibetrag von 200.000 Euro, bei Betriebsvermögen von einer Millionen Euro geben. Für Rentner ist ein zusätzliches Schonvermögen für selbst genutzten Wohnraum vorgesehen. Der Ertrag aus der neuen Vermögensteuer dürfe dabei 15 Milliarden Euro im Jahr nicht unterschreiten, heißt es in dem Antrag.
Um sich keine Blöße vor dem nahenden Parteitag zu geben, nahm die Parteispitze einfach das Ströbele-Werk, schwächte es an einigen Stellen ab und brachte es selbst als eigenen Antrag ein. Bauchschmerzen hatte Bütikofer & Co. vor allem die Besteuerung der Betriebsvermögen bereitet. "Man muss aufpassen, dass man den zweiten Schritt immer mit bedenkt", warnte der Grünen-Chef noch am Rande des Parteitags. "Der erste Schritt ist steuerpolitisch, der zweite Schritt ist wirtschaftspolitisch." Und auf dem Feld befürchtete Bütikofer negative Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen. Christine Scheel, Finanzexpertin der Grünen im Bundestag, wählte noch drastischere Worte: "Wir verhindern mit Vorschlägen à la Ströbele Innovation in Deutschland."
Doch mit der gefundenen Kompromissformel konnten nun alle zufrieden sein. Besonders Bütikofer, der schon zum Auftakt des Parteitags ein Ziel formuliert hatte, mit dem sich die Grünen schon seit geraumer Zeit deutlich von ihrem Koalitionspartner SPD unterscheiden: "Ich möchte, dass ein geschlossenes Signal von dieser Versammlung ausgeht."
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,276053,00.html |