P O L I T I K SPD-Vorstand soll Fall Hanau klären Dicke Luft?
Gerhard Schröder bekommt in den eigenen Reihen immer mehr Widerstand gegen den geplanten Export der Hanauer Atomanlage nach China zu spüren. Der SPD-Energieexperte Hermann Scheer warnte vor einer Ausfuhr der Anlage. Scheer betonte in der „Berliner Zeitung“ vom Montag, der Atomwaffensperrvertrag biete genug Handhabe, die Ausfuhr zu untersagen. Er wolle den Streit auch im SPD-Vorstand zur Sprache bringen, auch die SPD-Fraktion werde darüber beraten. „Wenn es überhaupt je einen Grund gibt, einen Export zu untersagen, dann bei sensitiver Atomtechnologie“, sagte der Bundestagsabgeordnete. Mit der Anlage lasse sich atomwaffenfähiges Material herstellen.
Zoff zwischen Schröder und Fischer?
Nach Informationen des „Handelblatts“ soll es bei einem Treffen von Schröder und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) über die umstrittenen Pläne zum Verkauf der Atomfabrik heftigen Streit gegeben haben. Schröder habe Fischer am Sonntag vorgeworfen, sich in der Angelegenheit aus der Verantwortung zu stehlen und die Debatte bei den Grünen nicht unterbunden zu haben, berichtete das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Kreise der Koalition. Fischer wiederum habe Schröder vorgeworfen, ein „Kommunikationsdesaster“ verschuldet zu haben. Ein Sprecher der Regierung und ein Sprecher des Auswärtigen Amtes wiesen den Bericht als „völlig frei erfunden“ zurück.
„Ich finde es ärgerlich“
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Krista Sager, warf Schröder vor, zu wenig gegen die Absicht der Firma Siemens getan zu haben, die Hanauer Atomfabrik an China zu verkaufen. Sager sagte im ZDF-Morgenmagazin: „Ich finde es ärgerlich, dass es dem Bundeskanzler entweder nicht gelungen ist oder er es nicht gewollt hat, hier seinen Einfluss auf die Firma Siemens geltend zu machen, von der Transaktion Abstand zu nehmen.“
Aber da nun diese Transaktion vorangetrieben sei, könnten die Grünen „höchstens seelisch rebellieren, aber uns nicht über das Gesetz hinwegsetzen“. Die Grünen-Politikerin bedauerte, nicht mehr Einflussmöglichkeiten zu haben. Es gebe in Deutschland ein Gesetz, das den Atomausstieg regele, aber „leider keine gesetzliche Grundlage, die sagt, eine private Firma darf ihre privaten Anlagen nicht ins Ausland verkaufen“.
„Wir haben Einflussmöglichkeiten, aber die sind begrenzt. Es geht vor allem um das Verhindern einer militärischen Nutzung, dass es keinen Missbrauch gibt, das Ganze einzudämmen auf rein zivile Zwecke“, sagte Sager. Die entscheidenden Fragen würden jetzt weitergeleitet. Bei einer vergleichbaren Situation vor zwei Jahren hätte ein Verkauf der Hanauer Anlage nach Russland zwar auch rechtlich nicht verhindert werden können; er sei aber letztlich nicht zustande gekommen, weil man ihn von politischer Seite finanziell nicht gefördert habe.
Müntefering hat keine Bedenken
Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering steht dem umstrittenen Export der Hanauer Brennelemente-Fabrik nach China nichts mehr Wege. Eine Koalitionskrise befürchtet er nicht: „Dass so ein Krach hier und da mal passieren kann, ist klar. Aber ich glaube, das ist im Wesentlichen eine Sache, die die Grünen untereinander ausmachen müssen“, sagte Münterfering am Sonntag im Deutschlandfunk. „Das ist eine etwas künstliche Aufregung, die da plötzlich reingekommen ist“, fügte er hinzu. China habe versprochen, dass mit der Anlage kein Plutonium, „auch kein waffenfähiges Plutonium“, produziert werde. Unter diesen Voraussetzungen könne Siemens der Verkauf der Anlage nicht untersagt werden.
Der SPD-Politiker sieht in dem Geschäft auch kein Glaubwürdigkeitsproblem für die rot-grüne Energiepolitik. Mit dem Abbau der Atomkraft in Deutschland sei nie verbunden gewesen, dass weltweit darauf gedrängt werde, dass kein anderes Land die Kernkraft nutzen dürfe. „Damit würden wir uns auch erheblich übernehmen“, sagte Müntefering. Der Fraktionsvorsitzende stellte zudem klar, dass er sich nicht von der Bundesregierung übergangen fühlt. Weil „alle Mitglieder des Kabinetts rechtzeitig über den Exportantrag informiert wurden“ und die friedliche Nutzung der Anlage garantiert sei, sei das 50-Millionen-Euro-Geschäft kein Problem. 08.12.03, 8:30 Uhr Quelle: http://news.focus.msn.de/G/GN/gn.htm?snr=127448&streamsnr=7 |