Diskrepanzen - und Widersprüche Die Rally seit Mitte März übersteigt ganz klar das Ausmaß, welches man einer Bearmarket-Rally im Allgemeinen zugestehen würde...
Der DAX notiert nur noch ein halbes Prozent unter seinem Hochstand von Ende Februar. Und einige andere europäische Indizes tun es ihm gleich. War am Ende alles eine Fata Morgana für die Bären? Sind die Märkte vielleicht kerngesund, und der Mini-Crash in den ersten beiden März-Wochen war einfach nur ein Ausrutscher?
Diskrepanz bei den Analyse-Ansätzen
Bei alledem muss man natürlich bedenken, dass die Entwicklungen der einzelnen Aktienmärkte höchstunterschiedlich laufen. Während China bereits schon wieder ein Allzeithoch nach dem anderen erzielt, notiert der indische Sensex-Index auf dem tiefsten Stand seit dem Höchstkurs Mitte Februar. Und Japan und die amerikanischen Aktien-Indizes (mit Ausnahme des Dow Jones Utilities) liegen irgendwo so mittendrin in ihrer Hoch/Tief-Range der letzten Wochen. Das Bild ist also alles andere als eindeutig. Aber kommen wir zurück zu Deutschland/Europa. Wie im aktuellen Heft ausführlich beschrieben, ergibt sich hier momentan eine Diskrepanz bei den Aussagen unserer verschiedenen Betrachtungsweisen für den Aktienmarkt. Von Seiten der technischen- und der Sentimentanalyse sehen DAX Co. noch gut aus. Aus dem Blickwinkel der Fundamental-, Makro- und geopolitischen Analyse haben wir für 2007 eher Bedenken. Und letzteres deckt sich mit unseren zyklischen Betrachtungen. Lesen Sie hierzu auch den Artikel zum "Princeton Modell" im aktuellen Heft auf S. 12, in dem ähnliche Schlussfolgerungen gezogen werden, allerdings auf ganz anderen Wegen als wir dies tun.
Der Markt hat immer recht Letztendlich darf man sich seine eigene Meinung an der Börse nicht schön bzw. richtig reden. Smart Investor sah und sieht noch Gefahren für die Aktienmärkte in diesem Jahr und liegt damit seit Mitte März (am 14. März wurde das letzte markante Tief beim DAX markiert) nicht richtig, das müssen wir so feststellen. Andererseits hat sich ja aus unserer Sicht an den negativen Entwicklungen in den USA (Immobilienmarkt, Hypothekenbanken-Krise, Rezessionsgefahr) und der potentiellen Eskalationsgefahr im Nuklearstreit mit dem Iran nichts geändert. D.h. die Probleme sind geblieben, aber die Kurse in Europa und einigen Emerging Markets steigen weiter als ob es keine Probleme gäbe. Dafür gibt es nur zwei Erklärungsansätze: Entweder ist unsere Sicht des Marktes falsch, oder aber einige Märkte blenden schwelende Gefahren derzeit aus, um sie eben erst später in größerer Intensität einzupreisen. Hier muss jeder für sich selbst entscheiden, welche Meinung er vertritt.
Krisenherd Iran Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig die Eskalationsgefahr im Mittleren Osten von den Börsenkommentatoren und Analysten berücksichtigt wird. Das muss man sich mal vorstellen: Da rückt in den letzten Monaten eine ganze Armada amerikanischer Schiffe in den persischen Golf ein, positioniert sich hier mit insgesamt fast 500 Kampfflugzeugen und ebenso vielen Flügel-Raketen. Zeitgleich kommt es immer wieder zu Grenzverletzungen gegenüber dem Iran: US-Flugzeuge und Schiffe (und eben auch britische) missachten laufend iranischen Hoheitsraum. Und bei einer dieser vielen Aktionen wird es dem Iran zu bunt und sie nehmen 15 britische Seeleute gefangen. Und das ganze passiert just in dem Augenblick, in welchem sich die US-Streitkräfte vor Ort vollständig kampfbereit gemacht haben, also alle potentiellen Ziele bei einem Angriff auf den Iran in ihre Computer eingegeben wurden. Ach ja, und die Presse! Haben Sie's am Wochenende auch gelesen? Unsere Presse spricht fast unisono von 15 britischen "Geiseln", die da im iranischen Gefängnis sitzen. Ich dachte ich lese nicht richtig. Es handelt sich hierbei um Gefangene, aber doch um keine Geiseln. Zum Verständnis: Geiseln sind unrechtmäßig gefangen gehaltene Menschen zum Zwecke der Erpressung. Sowohl "unrechtmäßig" als auch "Erpressung" ist aber nicht gegeben. Wie um alles in der Welt kann dann unsere Presse von "Geiseln" sprechen? Meiner Meinung nach wird hier schon darauf hingearbeitet, dass der Angriff auf den Iran dann eben "gerechtfertigt" ist, wenn er passiert. Manche sprechen hier von "Nachrichten", ich spreche von "Propaganda". Es gäbe im Augenblick viele Fälle von Propaganda zu nennen, die ich nicht alle aufzählen will. Ich frage mich nur: warum will das alles keiner beachten? Sehe ich weiße Mäuse? Wie dem auch sei: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Eskalation (gemeint ist ein Krieg) hier fast schon "zwingend" auf der Agenda steht, und es eben nur noch eine Frage des Zeitpunktes ist.
Fazit Manchmal kommt Kritik bei uns an, dass wir zu extrem positioniert wären. Sind wir das? Der Anteil von Aktien an unserem Musterdepot liegt derzeit bei etwa 40%, den wir allerdings über Derivate abgesichert haben, zudem sind wir zu etwa 30% in Anleihen investiert. Ist das extrem? Ich denke, nein! Es ist dem angemessen, was wir für die Märkte erhoffen/befürchten. Gut möglich jedoch, dass es nach Ostern Verschiebungen in der Depotstruktur geben wird.
Ralf Flierl
Quelle: Smart Investor
Servus, J.B.
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