14.11.2006 http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/9/0,1872,4000329,00.html Frontal21 Gefährliche Ignoranz Diabetes, die schleichende Epidemie Die Folgen der Krankheit sind dramatisch, sie kann zu Erblindung oder Amputation führen. Dennoch wissen viele Patienten und Mediziner zu wenig über Diabetes. Die hohen Behandlungs- und Folgekosten belasten zunehmend das Gesundheitssystem, sprengen es sogar, sagen Experten.
Dabei ließe sich die Krankheit in vielen Fällen vermeiden, denn Hauptursachen beim Diabetes Typ 2 sind Übergewicht und Fettleibigkeit. In Dänemark setzt das Gesundheitssystem dagegen mehr auf Prävention. Dort sinkt die Zahl der Erkrankungen, während sie in Deutschland von Jahr zu Jahr steigt. Wissenschafter sprechen bereits von einer Epidemie: Gerade einmal 0,6 Prozent der Deutschen litten 1960 an der so genannten Zuckerkrankheit - heute ist schon jeder Zehnte erkrankt. Bis 2010 soll die Zahl der Diabetiker sogar auf zehn Millionen steigen, das sind mehr als zwölf Prozent der Bevölkerung. Auch weltweit sind die Prognosen schlecht: Zurzeit sind bereits 230 Millionen Menschen erkrankt, bis 2025 sollen es nach Schätzungen 300 bis 350 Millionen sein. Kosten belasten Gesundheitssystem Diabetes verringert die Lebenserwartung, Folgen der Krankheit können Erblindung, Nierenversagen und die Amputation von Gliedmaßen sein. Die hohen Behandlungs- und Folgekosten könnten das Gesundheitssystem kollabieren lassen. Schon jetzt belaufen sie sich nach Angaben des Deutschen Diabetiker Bundes auf bis zu 27 Milliarden Euro. Dabei könnte jeder Betroffene zumindest beim Diabetes Typ 2 - das ist der so genannte Altersdiabetes - mit einfachen Mitteln dafür sorgen, der Erkrankung vorzubeugen: mit gesunder Ernährung und regelmäßigem Sport. Schon eine halbe Stunde täglicher körperlicher Bewegung und eine Gewichtsabnahme von nur wenigen Kilo würde das Risiko um die Hälfte senken, darin sind sich Mediziner einig. Überforderung und Unwissenheit Ursula Dittli leidet schon viele Jahre am Altersdiabetes, die allerdings immer mehr auch jüngere Menschen trifft. Sie wiegt 160 Kilogramm. Schon lange ist ihr klar, dass sie abspecken muss: "Ja, das hat wohl der Hausarzt gesagt. Aber er hat nicht gesagt, wie oder was. Als Laie weiß man doch zu wenig Bescheid darüber", sagt sie gegenüber Frontal21. Wie Ursula Dittli geht es vielen Betroffenen. Sie fühlen sich überfordert und mit der Krankheit alleine gelassen. Umgekehrt klagen Mediziner und Apotheker über mangelnde Selbstdisziplin der Patienten. Anders in Dänemark. Dort wurde die Therapie von Diabetes ganz neu organisiert. Neben der qualitativ hochwertigen Behandlung steht die Prävention im Vordergrund. Patienten sollen früh schon so therapiert werden, dass die Folgen der Krankheit gemildert werden. Dänisches System erfolgreich Vor allem sinkt die Zahl der erblindeten Patienten ganz wesentlich.« Die Weiterbildung der Hausärzte spielt dabei eine wichtige Rolle. Die Mediziner bekommen außerdem ein Zusatzhonorar, wenn sie die Ziele der Diabetes-Therapie einhalten. Damit hat das dänische System Erfolg, wie Chefarzt Knut Borch-Johnsen vom Steno Diabetes Center in Kopenhagen gegenüber Frontal21 bestätigt: "Es gibt weniger Fälle von Amputationen von Zehen, Füßen, eventuell ganzen Beinen - und vor allem sinkt die Zahl der erblindeten Patienten ganz wesentlich." In Deutschland setzt man bei der Prävention immer noch auf Einsicht und Freiwilligkeit und unterstützt damit auch die Sorglosigkeit vieler Betroffenen. Ein gefährlicher Irrtum, der das Leiden vieler Patienten vergrößert und das deutsche Gesundheitssystem Milliarden kostet - jedes Jahr. Diabetes mellitus
Dieser Begriff steht für mehrere Störungen des Stoffwechsels, die dazu führen, dass das körpereigene Insulin teilweise oder gar nicht mehr produziert wird. Das führt zu erhöhten Blutzuckerwerten, der Volksmund spricht daher von der "Zuckerkrankheit".
Beim Diabetes Typ 1 kommt es zu keiner körpereigenen Insulinproduktion mehr, weil die entsprechenden Zellen der Bauspeicheldrüse zerstört sind. Die Betroffenen müssen sich darum ihr Leben lang Insulin spritzen.
Vom Diabetes Typ 2, früher auch "Altersdiabetes" genannt, sind etwa 90 Prozent aller Diabetiker betroffen. Diese Form ist auf die so genannte Insulinresistenz zurückzuführen. Das Hormon ist zwar zunächst ausreichend vorhanden, aber die Körperzellen reagieren nicht mehr darauf. Deshalb produziert die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin, um dann später zu kollabieren. So wird im Verlauf der Krankheit auch beim Diabetes Typ 2 die Insulinproduktion komplett eingestellt. Auslöser für die Erkrankung sind häufig fettreiche Nahrung, Übergewicht und Bewegungsmangel. Betroffene können zumindest zu Beginn der Krankheit die Blutzuckerwerte durch eine gesunde Lebensweise oder durch die Einnahme von Tabletten beeinflussen. |