Recht pointierter Artikel der britischen Ökonomin Helen Thompson in der Financial Times, welcher sich jedoch hinter einer Bezahlschranke verbirgt.
https://www.ft.com/content/25451156-434a-4c36-96ef-774d99c89688Eine trockene und relativ knappe Analyse der wirtschaftlichen Abhängigkeiten und unvermeidbaren Notwendigkeiten:
Die Thesen von Helen Thompson nach vier Punkten zusammengefasst:
1. Der Grund der steigenden Energiepreise liegt nicht am Krieg in der Ukraine. Er liegt in einer nach wie vor ungebremst wachsenden Nachfrage nach fossilen Energieträgern, vor allem in China und Indien. Der Entwicklung der Renewables zum Trotz bleiben Erdgas und Öl die Hauptpfeiler allen wirtschaftlichen Wachstums. Es gibt hier keine Alternative, kurzfristig sowieso nicht, aber auch mittelfristig kaum. Frühestens ab 2030 kann damit gerechnet werden, dass alternative Energiequellen nennenswert Öl und Gas ersetzen werden.
2. Dem steigenden Bedarf im Ölsektor sind seit 2010 die USA durch die Entwicklung ihrer Schieferöl-Vorkommen gerecht geworden. Die USA sind heute der weltgrößte Produzent von Erdöl, noch vor Saudi-Arabien und Russland. Die Förderung dieser Vorkommen ist jedoch nicht weiter wirtschaftlich ausbaubar, der Peak ist bereits überschritten. Die einzigen weltweiten Reserven, die in der Lage sind, den Hunger der Welt nach Öl zu befriedigen, liegen in Russland. Diese Quellen müssen entwickelt werden, wenn die Weltwirtschaft nicht in harte Kämpfe um das Öl einsteigen und das Öl dauerhaft verteuern will.
3. Wie mächtig die USA auch noch sein mögen, sie haben nicht die Macht, Indien und China vorzuschreiben, wieviel Öl sie bei wem einkaufen werden. Beide Länder werden die Ressourcen Russlands nutzen und zu relativ günstigen Preisen erhalten. Das bedeutet: Im Falle fortgesetzter Sanktionen gegen Russland werden die Ökonomien des Westen doppelt getroffen sein: Nicht nur überschreitet die Nachfrage dauerhaft das weltweite Angebot (da Russland, auch mit Chinas Hilfe, unter westlichem Boykott die Erschließung neuer Ölfelder vermutlich nicht in der nötigen Geschwindigkeit schaffen wird), es wird auch ein Zweiteilung des Weltmarktes geben, in Russland freundlich gesonnene – und feindliche Länder.
4. Der Westen hat keine Alternative, er muss auf Russland zugehen – von Helen Thompson hier formuliert als Aufrechterhaltung der Fähigkeit, die Ukraine zu unterstützen:
"This coming winter will bring a reckoning. Western governments must either invite economic misery on a scale that would test the fabric of democratic politics in any country, or face the fact that energy supply constrains the means by which Ukraine can be defended."
Dieses "either – or" ist zwar eher ein "und", aber wir verstehen, was die Autorin uns sagen will. Den Hinweis auf den drohenden Verlust der Fähigkeit des Westens, die Ukraine zu unterstützen, ist die Autorin der Leserschaft der neoliberalen und russophoben FT offenbar schuldig.