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Heute in der weltplus - damit hinter der Bezahlschranke. Ich kopiere es her rein:
Die Midas-Linie verrät, wann Sie wieder einsteigen können Stand: 08:31 Uhr | Lesedauer: 6 Minuten Von Daniel Eckert, Holger Zschäpitz
Quelle: Infografik WELT Nach dem Börsencrash infolge der globalen Corona-Krise ist der Deutsche Aktienindex Dax gleich mehrfach an einer imaginären Linie abgeprallt. Diese Wendemarke hielt auch schon in anderen großen Krisen. Wer sie kennt, weiß, wann er wieder einsteigen kann. 44
Und es ist wieder passiert. Erneut ist der Dax von einer imaginären Linie abgeprallt. Kaum jemand kennt diese Linie, dabei bestimmt sie das geheime Leben des Deutschen Aktienindex (Dax) seit Jahrzehnten. Dieser imaginären Linie kommt immer dann eine entscheidende Bedeutung zu, wenn es an den Börsen kracht.
Denn dann stellt sich immer die Frage: Wie weit kann der Index noch fallen? Mangels validen Unternehmensdaten halten sich Experten in ihrer Not zur Orientierung an alte Tief- und Wendepunkte.
Doch diese Index-Wegmarken der Vergangenheit sind fix, die imaginäre hingegen ist dynamisch, sie verhält sich – als Ableitung der Volkswirtschaft – fast schon wie ein lebendes Wesen. Ein Wesen, das Anlegern in schweren Zeiten den Weg weist.
Die imaginäre Linie wird durch die Buchwerte aller Dax-Konzerne bestimmt, also durch all das, was den Unternehmen gehört, seien es Grundstücke, Anlagen und Maschinen oder auch Patente. Rechnet man diesen Milliardenwerte, die den 30 größten Börsenunternehmen des Landes gehören, in Index-Punkte um, verläuft der Dax-Buchwert bei exakt 8343,63 Zählern.
Quelle: Infografik WELT In der Vergangenheit fiel das Deutsche Börsenbarometer nie unter diese Marke oder nur für extrem kurze Zeit. Immer machte der Dax kehrt, wenn er die Marke touchierte, weshalb sie von Börsianern manchmal auch scherzhaft Midas-Linie genannt wird. So war es auch diesmal: Am 16. März 2020 tauchte der Leitindex einige Stunden unter seinen rechnerischen inneren Wert ab und erreichte im Handelsverlauf ein vieljähriges Tief von 8255 Punkten, am Ende ging der Leitindex bei mehr als 8700 Punkten aus dem Handel.
Auch am darauffolgenden Tag fiel der Dax zunächst wieder kräftig, um dann an der imaginären Linie umzukehren. Einen Tag später markierte der Dax dann auf Schlusskursbasis seinen Jahres-Tiefstand bei 8441 Punkten. Immer prallte der Index von der imaginären Linie ab und schloss wieder oberhalb des Buchwerts.
„Scheinbar fangen eine Reihe von Investoren an, ihre Aktienquote zu erhöhen, wenn Sie sehen, dass die Marktkapitalisierung der Dax-Unternehmen unter dem aggregierten Eigenkapital in den Bilanzen der Unternehmen liegt“, sagt Andreas Hürkamp, Chefanlagestratege der Commerzbank.
Der Markt dreht von dieser Linie an Wer sich an dieser imaginären Linie orientierte, konnte mit den wilden Indexbewegungen ein Vermögen machen. Als der Dax sich nach dem Platzen der Internetblase geviertelt hatte und die Anleger im Frühjahr 2003 mehrheitlich keinen Pfifferling mehr auf deutsche Börsenpapiere gaben, drehte der Markt und setzte zu einer fulminanten Rallye an. Ganz kurz hatte der Index seinen damaligen Buchwert berührt, der damals gut 2300 Punkten entsprach.
Das gleiche Schauspiel wiederholte sich im Absturz von 2009. In der damaligen Finanzpanik sackte der Dax im Handelsverlauf auf 3589 Zähler, auf Schlusskursbasis waren es 3666 Stellen. Die imaginäre Linie verlief damals exakt bei 3600 Punkten. Auch zu diesem Zeitpunkt herrschte an der Börse Weltuntergangsstimmung, was die Kurse nicht daran hinderte, dem Buchwert ihren Respekt zu erweisen und sich von da an nach oben zu entwickeln.
Bis 2020 konnten Dax-Investoren eine Jahresrendite von fast 13 Prozent erzielen. Selbst wer in der Corona-Krise den Absprung nicht rechtzeitig geschafft hat und noch heute auf vermindertem Niveau drin ist, hat noch neun Prozent per annum.
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NACH DEM CRASH Diese Aktien werden nach der Krise die großen Gewinner sein Damit scheint die Crashsituation bei aller Panik der Akteure auch rationale Züge anzunehmen. Es ergibt keinen Sinn, dass ein Unternehmen an der Börse längere Zeit unterhalb des Wertes gehandelt wird. Denn dann könnte jeder mit tiefen Taschen einen Reibach dadurch machen, dass er Unternehmen aufkauft und die Liegenschaften, Maschinen etc. gewinnbringend weiterveräußert.
„Käufer, die den Markt auf dem Niveau seines Buchwerts kaufen, werden häufig belohnt – auch wenn Sie oft noch vier bis sechs Monate bei einer sehr hohen Volatilität schwitzen müssen“, erklärt Hürkamp.
Das bedeutet nicht, dass jede einzelne Index-Firma auf ihren Substanzwert notieren muss, damit die Gegenbewegung einsetzt. Vielmehr scheint die magische Linie ihre Midas-Macht vor allem für das Kollektiv der Dax-Mitglieder zu entfalten.
Jeder Einzelaktie lässt sich ein Substanzwert zuordnen. Dazu wird der Buchwert aus der Bilanz durch die Zahl der Anteilscheine dividiert. Börsianer sprechen vom Buchwert pro Aktie. Der Quotient von Aktienkurs und Buchwert wird auch KBV (Kurs-Buchwert-Verhältnis) genannt.
Value-Investoren wie Buffett schwören auf das KBV Ein KBV von eins bedeutet, das der Kurs durch die harten Vermögensgegenstände gedeckt ist und keinerlei Fantasieaufschläge für künftige Geschäftserfolge und Expansionspläne enthält. Vor allem sogenannte Value-Investoren wie Warren Buffett schwören auf das KBV.
Für die Bewertung von Einzeltiteln ist das Kurs-Buchwert-Verhältnis allerdings nur ein Anhaltspunkt. So gibt es dann auch heute einige Unternehmen im deutschen Leitindex, die weit über ihrem Buchwert notieren und dennoch nicht unbedingt als Schnäppchen anzusehen sind. Umgekehrt muss ein hohes KBV für ein Unternehmen nicht unbedingt ein Zeichen von extremer Überbewertung sein.
Wie angemessen ein hohes KBV im Einzelfall ist, hängt vielmehr von der Branche an. In manchen Sektoren liegen die Buchwerte deutlich unterhalb des Börsenwerts. In anderen Sektoren wiederum ist das Vertrauen in den Wert der veräußerbaren Vermögenswerte oder „Assets“ prinzipiell so gering, dass eine Firma fast schon aus Tradition unterhalb ihres Buchwert gehandelt wird. Das beste Beispiel dafür sind Finanzkonzerne, deren Forderungen in der Krise uneinbringbar werden können.
LESEN SIE AUCH Die Marktteilnehmer haben den Absturz der Kurse beschleunigt, sagt Joachim Goldberg GELDANLAGE Darum sollten Sie Ihrem ETF-Sparplan die Treue halten Insbesondere Unternehmen aus dem Tech-Sektor mit großer Wachstumsfantasie oder aber Firmen mit großen immateriellen Vermögenswerten wie starken Marken notieren auch in der Krise weit oberhalb ihres Buchwerts. Im Dax weist der Sportartikelhersteller Adidas mit 5,4 das höchste KBV auf. Auf den Plätzen folgen der Zahlungsdienstleister Wirecard mit 4,8 und der international erfolgreiche Softwarekonzern SAP mit 3,7.
Die leidgeprüfte Deutsche Bank bildet mit einem KBV von 0,2 das Schlusslicht im Leitindex: Bei keinem anderen Dax-Unternehmen ist das Misstrauen gegen die „Assets“ in der Bilanz so groß.
Quelle: Infografik WELT Auch HeidelbergCement, Lufthansa, Daimler, BMW und VW weisen einen dicken Abschlag zum Buchwert auf. Die Versicherer Allianz und Münchener Rück oder die Chemieriesen BASF und Covestro werden ebenfalls unter Buchwert gehandelt. Risikofreudige Investoren können angeleitet durch den Buchwert-Vergleich eine Wette wagen.
Allerdings muss die im Einzelfall nicht aufgehen. Die Deutsche Bank dümpelt an der Börse seit Jahren mit einem Bewertungs-Malus vor sich hin, ohne dass sich daran etwas ändert. Ähnlich scheint es beim Autobauer Daimler zu sein. Hier wirken strukturelle Umbrüche wertmindernd. Die Krise von 2020 könnte dazu führen, dass Firmen einen Teil ihrer Buchwerte abschreiben müssen.
Dennoch hat sich die imaginäre Linie für Anleger in den vergangenen Jahrzehnten als guter Mentor erwiesen. Immer wenn der Dax auf diesen Mentor traf, sei es beim ersten Mal oder beim zweiten Mal, markierte dies das Ende der Talfahrt. |