Freut mich, dass ich so viele zum sonntäglichen Nachdenken und kommentieren anregen konnte. Aus den Kommentaren möchte ich zwei Punkte herausgreifen, die mir Anlass zum weiteren Nachdenken gegeben haben: 1. HIGHLAENDER: "Meine Sorge ist, was mit der Aktie passieren würde, wenn die Massenimpfung startet und es, was ich niemanden wünsche, zu Todesfällen kommen würde."
Was würde mit der TESLA-Aktie passieren, wenn der Autopilot versagt und es zu einem Todesfall kommt? Oh, richtig, da war doch was.. Will damit die Frage nicht banalisieren, ganz im Gegenteil:
a.) Der erste wichtige Aspekt ist: Hätte solch hypothetischer Todesfall mit dem Produkt (Corona-Impfstoff), oder der Technologie (mRNA) zu tun. Bei Tesla war es eben "nur" der Autopilot, damit wurde aber nicht E-Mobilität grundsätzlich in Frage gestellt. Wenn die mRNA-Technologie im ganzen scheitert, ist natürlich jede Phantasie aus BioNTech raus. Wir reden hier über nicht mehr und nicht weniger als die technologische Umkrempelung einer ganzen Industrie, mit Riesen-Potential für die erfolgreichen Pioniere (siehe Microsoft etc.), aber auch eben der Möglichkeit, dass der neue Ansatz an Unvorhergesenem scheitert. Da hat sich wenig seit Jahresbeginn geändert, und so wird es (siehe Dein Beispiel, Highlaender) auch noch einige Zeit bleiben. Aber: No risk, no fun (und kein überdurchschnittlicher Gewinn). b.) Allerdings geht es hier nicht um Computer, Autos, Handys - Produkte die fast jeder zu Hause hat und zu kennen/ verstehen meint. Pharmazeutika sind notorisch komplex und für die meisten ein Buch mit sieben Siegeln. Da wird dann möglicherweise schnell das Kind (mRNA) mit dem Bade (Impfstoff) ausgeschüttet, weil Investoren und Öffentlichkeit gar nicht in der Lage sind, zwischen beiden zu unterscheiden. Und - so richtig gute PR hatte die Branche auch schon vor dem Aufkommen der Anti-Vaxxer nicht.. Pharma hat nichts mit lifestyle zu tun - bzw. doch, aber mit einem lifestyle, der in den seltensten Fällen frei gewählt ist, und fast jeden Betroffenen wünschen lässt, er wäre nicht auf die Pharma-Industrie angewiesen. Ausnahmen (Designerdrogen, Potenzmittel, Empfängnisverhütung) bestätigen die Regel. Insofern hinkt der Vergleich mit Apple, Microsoft, Tesla, Zalando etc. schon. Andererseits: Die Ü45er, die sich notgedrungen etwas intensiver mit diversen Pharmazeutika beschäftigen müssen (Diabetes 2 hier, aber lasst uns bitte keinen Austausch über unsere Wehwehchen starten) sind zwar nicht unbedingt trendsetzend, aber haben ab und zu durchaus etwas Geld zum Anlegen über. Ärzte und Apotheker sollen ja auch nicht ganz schlecht verdienen, wie man munkelt.. 2. CESKO: "Was Du nicht im Detail beschrieben hast (weil Du Dich auf die kurzen bzw. mittelfristigen Zukunftsaussichten beschränkst) ist, wie das zu erwartende Gewinn reinvestiert wird: Kapazitätsausbau, F&E, oder was ich hier immer mal eingebracht habe, Akquisitionen!" Tja, U.Sahin fragt sich wahrscheinlich gerade, ob er zu Weihnachten für Obdachlose oder für Strassenkinder in der Dritten Welt spenden soll..
Im Ernst: Ich bin mir nicht sicher, ob es dazu überhaupt schon detailliertere Pläne gibt. Im Augenblick sind alle bei BioNTech gut damit beschäftigt, vom home office aus die Welt zu retten, die größte Impfkampagne der Menschheitsgeschichte vorzubereiten, und ab und zu per Videoschalte die Neugier von Medien und chinesischen Parteisekretären zu befriedigen. Die wollen jetzt erst mal den Bären erlegen, das Fell wird später verteilt. Ist auch gut so.. Lt. meines Bekannten bei BioNTech ist U. Sahin den Corona-Impfstoff ursprünglich v.a. als Möglichkeit angegangen, Cash für die Krebsforschung zu generieren, und nebenbei eine Plattform zur Diskussion über mRNA mit den Regulatoren zu erhalten. Das war aber der Stand vom Sommer, als BioNTech noch dachte, sie kämen hinter AZ und Moderna als Dritter, Vierter ins Ziel.
Der Kauf des Marburger Werks deutet diesbezüglich ein Umdenken an: Solche Kapazitäten bindet man sich nicht ans Bein, wenn man nicht glaubt, sie auch langfristig auslasten zu können. Langfristige Auslastung geht nur durch Impfstoffe - die Mengen, die für Krebsbehandlung benötigt werden, können quasi nebenbei in der Kaffeeküche hergestellt werden. Grippe-Impfstoff habe ich für mich persönlich schon fest einkalkuliert. Frage ist aber: Ab wann? Das Thema ist gar nicht so sehr der Impfstoff selbst - dazu ist ja seit Herbst 2019 schon ein bißchen geforscht worden, bis das gesamte Grippe-Team auf SARS-CoV2 angesetzt wurde. Mein Bekannter sieht eher Probleme in der Klinik: "Bei Corona rennen Dir alle die Bude ein. Aber versuch mal, 30.000 Freiwillige zu finden, die einen neuen Grippe-Impfstoff an sich testen lassen wollen. Grippe-Impfstoffe gibt es ja schon. Da sieht kaum jemand die Notwendigkeit, für einen neuen Ansatz den Ärmel hochzukrempeln und sich spritzen zu lassen." Gut, vielleicht hilft auch da Pfizer, die Grippe-Impfstoff schon ab 2022 avisieren. Aber mein Bekannter rechnet eher mit 2023. Damit besteht im schlechtesten Fall durchaus die Möglichkeit, dass der Corona-cash flow im Frühsommer 2022 endet, und Grippe erst im Herbst 2023 anläuft. Zwischendurch müssen Fixkosten und laufende Forschung weiter finanziert, und die nicht unerheblichen Produktionskapazitäten mehr schlecht als recht durch Lohnfertigung irgendwie am Laufen gehalten werden. Dafür sollten schon so zwei Milliarden, vielleicht auch etwas mehr, auf die hohe Kante gelegt werden. Bleibt aber natürlich immer noch ein Berg freie Liquidität.. Zu Akquisitionen kann ich nichts sagen - ist nicht die Baustelle meines Bekannten. Im Zweifel bist Du diesbezüglich vermutlich besser vernetzt. Ich persönlich weiss nicht, ob ich weitere Akquisitionen jetzt begrüßen würde. In 2021 gilt es erstmal Corona-Impfstoffproduktion in Riesen-Mengen zu stemmen, einschließlich Integration des Marburger Werks. Die Krebs-Pipeline ist voll, bei den Impfstoffen ist coronabedingt einiges liegen geblieben, intern scheinen HR, vielleicht auch Warenwirtschaft, upgrades zu benötigen, und strategisch gilt es zu klären, wie die mittelfristige Kooperation mit Pfizer und Fosun aussehen soll. Eigentlich genug zu tun fürs Management, da muss man sich nicht auch noch die Integration eines frisch gekauften Unternehmens ans Bein binden... Soll nicht heissen, das nicht hier und da ein lohnendes und problemlos integrierbares Aqkuisitionsziel auftauchen könnte. Als ich mir BioNTechs kleines aber feines Peptidgeschäft (20% Wachstum p.a.) angesehen habe, bin ich z.B. über eine Berliner Zehn-Mann-Truppe in der gleichen Nische gestolpert, und in den USA treibt sich vielleicht Ähnliches herum. Ich persönlich würde perspektivisch vielleicht meinen Blick gen Südostasien richten - auch und gerade wegen TEMASEK. Südafrika, Indien, Türkei? Kleinere englische Firma mit guter Vernetzung nach Oxford und Cambridge? Standbein in Belgien, wo eh schon Krebsstudien laufen? Vorstellbar wäre da vieles. Aber, wenn es nach mir ginge, alles eher 2022 und Folgende.. |