Der geplante Bundeswehreinsatz gegen den internationalen Terrorismus bringt Kanzler Schröder in immer größere Bedrängnis. Schon 40 Bundestagsabgeordnete der Koalition wollen den Kriegseinsatz verhindern.
Berlin Fz./krü. - Nachdem bereits bis zu 20 Abgeordnete der Grünen ihm die Gefolgschaft aufgekündigt hatten, nimmt jetzt auch in der SPD-Fraktion der Widerstand gegen die Entscheidung Schröders dramatisch zu, 3900 Bundeswehrsoldaten im Kampf gegen den Terrorismus bereitzustellen. Nach Recherchen von WELT am SONNTAG stehen auch mindestens zehn, wahrscheinlich sogar bis zu 20 Sozialdemokraten dem Bereitstellungsbeschluss ablehnend gegenüber. Das kommt einem Aufstand gegen den Kanzler gleich. Schröder hatte am Freitag abwiegelnd gesagt, die rot-grüne Koalition müsse nicht zwangsläufig zerbrechen, falls sie in dieser Frage keine Mehrheit im Parlament finde. Zu diesem Zeitpunkt hatte die SPD-Führung jedoch nur von einer "Hand voll" SPD-Abweichlern gesprochen, die den Bundeswehreinsatz ablehnen könnten. Ein Regierungsmitglied sprach dagegen gestern von einer "viel zu optimistischen Annahme".
Schröder selbst bemüht sich gegenwärtig, die potenziellen Abweichler noch auf Kurs zu bringen. "Wir müssen bis zuletzt um jede Seele kämpfen", sagte Fraktionsvize Gernot Erler WELT am SONNTAG. Helfen solle dabei ein Entschließungsantrag. Der soll, so Erler, unter anderem festlegen, dass sich der Bundestag nach einem halben Jahr in einer ausführlichen Debatte mit Verlauf und Wirkung des Einsatzes befasst. Außerdem gehe es darum, schon jetzt ein politisches Gesamtkonzept für die Phase nach dem Militäreinsatz zu entwickeln.
Bei den Grünen nimmt der Druck der Basis auf ihre Abgeordneten immer mehr zu: In Bayern haben die ersten Kreisverbände ihren geschlossenen Parteiaustritt für den Fall angedroht, dass die Bundeswehr sich an Militäraktionen gegen die Taliban beteiligt. Das teilte Landesvorstandsmitglied Ulrike Gote WELT am SONNTAG mit. Auch der sächsische Landesverband der Grünen lehnte gestern die Pauschalermächtigung für den Bundeswehreinsatz ab, obwohl die Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller auf dem Parteitag dafür geworben hatte.
Wegen des immer größer werdenden Widerstandes bei den Grünen gegen den Bundeswehreinsatz befürchtet der grüne Bundestagsabgeordnete Albert Schmidt eine große Koalition von SPD und Union. "Wenn 20 oder mehr Abgeordnete der Grünen sich im Bundestag enthalten oder gegen Schröder stellen, können die Fraktionsführung und der Außenminister das nicht mehr mitmachen", sagte er. Er kenne acht grüne Abgeordnete, die derzeit dagegen stimmen wollten, und ein Dutzend, die noch mit sich rängen. Sollten derart viele grüne Abgeordnete nicht mit Schröder stimmen, müsse dieser "den Joker ziehen und eine große Koalition mit der Union eingehen", sagte Schmidt, "die Situation ist noch heftig".
Oppositionspolitiker forderten Schröder auf, bei einem Verlust seiner Regierungsmehrheit zurückzutreten. CSU-Chef Stoiber warnte, dass Deutschland "mit diesem zerstrittenen Regierungshaufen deutsche Soldaten in eine gefährliche Mission schickt".
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