Es ist nicht ganz einfach bei jedem, aber auch wirklich jedem der Themen wo man keinen radikalen Standpunkt zu vertreten hat den "Advokatus Diaboli" zu geben; also einer Satire wegen einen Standpunkt einzunehmen der an sich nicht der eigene ist oder sein sollte. Oder der zumindest keiner ist den man gegenüber der eigenen Mutter, trauernden anderen Müttern, oder BILD gegenüber äußern sollte. Man denkt nichts böses, und plötzlich redet man Arabisch! Es ist nun aber schon eine undankbare Aufgabe sich auf die Seite von perversen, extremen oder auch einfach nur dummen Menschen wie Politikern oder Quiz-Showmastern zu schlagen, nur eines schnellen satirischen Steptanzes, der - wir haben das ja alle mittlerweile kapiert - ja ohnehin bei Ihnen nichts bewirkt. Aber, warum nicht, immerhin ist man von der Straße und kommt nicht auf so dumme Ideen wie einen Flugschein zu machen. Und man muß dem Leser ja nicht jedesmal das Herz heraus reißen.
Was aber ist, wenn der unversehends von Heugabelnbewehrten Mitmenschen zur Farbkennung genötigte Satiriker merkt, daß es ihm selbst im Durcheinander von 6000 Leichen, heuchelnden Medienleuten, vor lauter Staatstragen nicht mehr gehen könnenden Politikern, entschlossenen aber dummen US-Präsidenten und teuflich geschickten, aber massenmordenden Terroristen auch unter Anstrengungen nicht mehr gelingt sich der im Mediensperrfeuer windenden Bevölkerung anzupassen?
Wenn das Hirn ihm bei jedem Statement, bei jeder pathetisch moralischen Bekundung, bei jedem betroffenen Aufruhr und all dem anderen Beiwerk wirklich blutiger Katastrophen und Anschläge zuraunt: "Die ganze Heuchelei hast du doch schonmal gehört..!?"
Die entspannten Zeiten des gepflegten Außenseitertums, immer das Rückreiseticket mit dem "War doch alles nur Spaß"-Express in der Rückhand, sind ohnehin derzeit am ausklingen. Und dieser Satz war bereits unstatthaft optimistisch. Hier bleibt man als zum manischen Skeptizismus genötigten Schreiberling regelrecht am Kyberpass hängen.
Deutschland, diesmal in einer gerne auch heiligen Allianz, hat wieder einen ebenso heiligen Krieg. Der Satz "Auge um Auge, Zahn um Zahn", keineswegs der Fibel der HNO-Ärzte, sondern der sogenannten "Bibel" entnommen, feiert fröhliche Urständ. Denn wenn die Terroristen die weit mehr als 6000 Menschen in den Tod gejagt haben dies mit einem "heiligen Krieg" begründen, dann müssen wir natürlich mit einem "heiligen Krieg gegen den Terror" zurückschlagen. Schon aus Gründen des Marketings; CNN braucht ca. alle 5 Tage einen neuen Namen für das Schwerpunktthema.
Gut, George W. Bush hat in seiner Rede vor dem permanent aus den Sitzen springenden Kongreß seinen "Kreuzzug" nicht mehr verwendet, und bindet reichlich Hebräer, Europäer, gute Islamisten, sowie eine ganze Reihe schwer verunsicherter, aber ein stückweit entschlossener Spaß-Deutscher mit ein. Am Telefon, und gerne auch im Kurzgespräch, unbestritten. Im angemessenen 1941 Stil wird das gesamte Pathos-Repertoire einer bis an die Zähne bewaffneten Demokratie, welches durchaus beneidenswert in Amerika voll ausgereizt wird, gegen den Terror in der Welt in Stellung gebracht. Seit heute morgen ist alles möglich, denn jetzt wurde alles schon angekündigt. Keine Unmengen amerikanischer, französischer, englischer, pakistanischer oder auch deutscher Tote können noch anfallen, ohne das mit Fug und Recht festgestellt werden muß das sei am 21.09.2001 in aller Härte angekündigt worden.
Natürlich war das aus amerikanischer Sicht auch nötig. Wer zusehen mußte, wie die Türme des World Trade Centers nacheinander zusammen brachen, und rational erkannte, daß sowas ein unerhörter Erfolg für die über Leichen gehenden Ziele dieser Terroristen war, der brauchte ordentlich Selbstwertgefühl für die kommenden Monate. Entsprechend wird mit Afghanistan nicht mehr diskutiert, sondern - unausgesprochen, aber dennoch wahr - die bedingungslose Kapitulation dieses Staates zwecks Ent-Talibanisierung verlangt. Kenner der deutschen Geschichte wissen: Sowas endet nie in verhandelbaren Halbheiten. Sowas wird blutig.
Dazu haben wir jetzt eine Maßgabe welche in der nächsten Zeit für den "Quiz-Fire" Schnelldenker den Unterschied zwischen guten, solidarischen, und ganz allgemein erträglichen Deutschen und einem anti-amerikanischen, vermutlich aber auch anti-semitischen, Terrorsympathisierenden und Leichenschändenden vaterlandslosen Schwein ausmachen dürfte: Wer nicht auf der Seite der USA (dort: "unserer Seite") ist, der ist auf der Seite des Terrors. (Sinngemäßes Zitat: George W. Bush)
50 Jahre UNO, und jetzt das. Darf ich die Möglichkeiten nochmal sehen?
Wir sind in einem Krieg. Als gute Deutsche werden wir das was wir mitinszenieren auch dann nicht mehr erschreckt beklagen können wenn morgen der Kölner Dom, der Reichstag UND die schöne Drosselgasse eingeäschert werden. Oder das Oktoberfest, um mal ein wenig Genretypisch Panik zu machen. Das ist jetzt alles drin; Kollateralschaden wie man sagt, Nebenprodukt eines laufenden Krieges mit Verlust, oder wie der Rheinländer sagt "Schwund iss immer!". Das müssen Sie wegstecken. Durchhalten bis zum Sieg. Bis zum Sieg gegen einen Gegner, der durch jeden einschlagenden Marschflugkörper 3-5 neue Rekruten bekommt. Der zerschlagene Netzwerke durch neue ersetzen kann. Und eines reicht um beispielsweise den völlig ungeschützten Petersdom einzuebnen.
Der Satiriker, eben noch wohlig grunzend einen unfähigen US-Präsidenten in der linken, den kommenden Euro in der rechten, und für deutsche Verhältnisse bemerkenswert wenig Zensur im Rücken, muß nun seine innere Befindlichkeit, seinen gewachsenen Humor, und in harten Lernprozessen angezüchteten Realitätssinn in einer zu totaler Hingabe entschlossenen Volksgemeinschaft durchsetzen. Eine solche Haltung auch gegen gelegentliche eigene Zweifel durchzuhalten ist eine klassische deutsche Tugend.
Keine schöne Angelegenheit, so macht Satire eher wenig Spaß. Gut, es ist reizvoll zu hören, daß Werner Fink auf seiner Bühne im dritten Reich mit an die Gestapogäste gerichteten Sätzen wie "Kommen Sie noch mit, oder soll ich mitkommen?" Kabarett machte, dafür auch ins KZ ging, und von Karl von Ossietzki zu hören bekam "Hätte ich ja nicht gedacht, daß wir beide mal im gleichen Lager stehen würden!"
Derartige Vorbilder füllen die Denkerseele mit Stolz und absurdem Neid wg. damaligem kreativem Aussendruck der heute noch nicht wieder in dieser Weise gegeben ist. Jaja, geklaut sind die Zitate beim Matthias Deutschmann. Aber letztlich, darauf wollte ich raus, schreibt es sich einfach entspannter im Kölner Biergarten als im schwedischen Exil!
Ich, heute morgen auf dem Weg zur Arbeit. Lachen Sie nicht! Ich war selbst überrascht. Allah akbar! Wohl dem Humoristen und Satiriker der ohnehin schon immer lieber nett gewesen wäre. Der die "böse Welle" im Rahmen der spaßdeutschen Lachbewegung, mit Kollateralgeschädigten wie den Herrn Appelt und Ruf, mehr aus taktischen Erwägungen mitgemacht hat, denn aus Gründen der inneren Befindlichkeit. An vielen Ecken hört man sie nun in Funk & Fernsehen, gerne auch auf Webseiten entlastet aufatmen, und sieht sich glückstrahlend der betroffen / entschlossenen Moralgesellschaft hinterher eilen: "He, wartet auf mich, ich bin doch auf eurer Seite!"
"Keine Panik, es gibt Mistgabeln und Fackeln für alle!" möchte man einwerfen!
Man hat hier eben die Zeichen der Zeit erkannt, weiß sich dem Vorwurf des "ewigen Antiamerikanisten" mit deutlichen Sätzen zu entziehen, und kann bei der Gelegenheit auch gleich etwas deutsch-nationalen Flurschaden wettmachen. Von dort ist es dann nur noch ein kurzer Weg zum Verfassen "literarischer Denkanstöße", manisch-depressiven Querdenken und langfristigem Eintritt in die FDP oder Artikeln in der FAZ.
Nichts ist frostiger als Bedenken zu einem Konflikt bzw. dessen Ausgestaltung mit sich rumschleppen zu müssen, derweil der ganze televisierte und straßenbevölkernde Wahlpulk dergleichen als unethische, antiamerikanische und letztlich undeutsche Handlung mit dringendem Handlungsbedarf bei den neuerdings durch Kettenrauchen finanzierten Staatsdiensten betrachtet. Sowas dann auch noch, den kalten, unmenschlichen Blick gehässig grinsend auf die qualmenden Trümmer des World Trade Centers gerichtet, zu veröffentlichen reicht bei den nachgeborenen Blockwart-Enkeln schon zur Sippenhaft. Oder mehr.
Zu allem Überdruß rauche ich nichtmal - kann man sich unsozialer, menschenverachtender verhalten?
Natürlich ist sowas auch nur das Gejammer von ehemaligen Schönwetter- Satirikern wie mir, die plötzlich merken, daß freie Meinungsäußerung ihren Preis hat. Auch hier sind die Amerikaner, man sieht es an ersten Veröffentlichungen von überlebenden undogmatischen US-Literaten nach dem Terroranschlägen, deutlich weiter. Wie man auch innerhalb von "guten Kriegen", bei denen eine Niederlage kaum zu erwarten und keineswegs zu wünschen ist, eine unverschämte Meinung, den Biss für Geschmacklosigkeiten, und mangelnde Angst vor der rufmordenden Unterstellung Terroristen zu mögen nicht nur behalten, sondern auch ausformulieren kann lernt sich ausgerechnet bei der New Yorker Presse sehr gut. Es wird dort auch bemerkenswert selten gelyncht.
Deutsche Satiriker wären an sich, so sie eine kritische Haltung nicht irgendwie vermeiden oder verharmlosen können, traditionell gezwungen irgendwann ins innere oder äußere Exil zu wandern, um dann später wenn alles in die Binsen ging zurück zu kehren, und auf schlecht besuchten Lesungen sagen zu können: "Seht ihr, ich schrieb das alles schon von Anfang an!"
Nach der desillusionierenden Folgen des zweiten Weltkriegs, als das deutsche Volk nur widerwillig seine verjagten Seelen zurück nehmen wollte ("Jetzt kann der Schmutzfink auch gleich ganz weg bleiben!") ist so eine leidlich ehrenhafte, aber äußerst deprimierende Haltung bei neudeutschen Literaten sehr unpopulär geworden. So ganz ohne Liebe macht das ganze ja keinen Spaß, und man "muß" ja auch nicht immer unbedingt schreiben was man denkt. Und man wird auch seltener zu "Brennpunkten" eingeladen.
Zumal wir neuerdings auf der "richtigen Seite" stehen, und auf der Seite der Verlierer macht Opposition ja nie Spaß. Man kann aber immer noch seine kritische Haltung nachformulieren, wenn die gewandelte Stimmung bei den städtischen Haltern von Pflastersteinen und anderer Wurfware mal wieder nach "Querdenkern" in den dritten Programmen dürstet. Auch in kritischen Kommentaren bei WDR- oder 3Sat-Magazinen läßt sich dann gutes Geld verdienen. Schöne Beispiele für Menschen die sich sowas ärgerliches wie ein Gedächnis noch halten, sind die Stichworte "KZ's" im Kosovo oder der "Hitler" in Bagdad. Worte wie "humanitäre Katastrophe" klingen da anheimelnd in die heutigen Tage.
Ein Schelm, wer Orwell kichern hört.
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