Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bundesregierung haben davor gewarnt, angesichts der Anschläge in den USA Rezessionsängste zu schüren. Volkswirte sehen allerdings erhebliche Risiken für die Weltwirtschaft.
Der Chef der EZB, Wim Duisenberg, schloss längerfristige Konsequenzen auf die Finanzmärkte nicht aus. Es sei allerdings noch zu früh zu sagen, welche Konsequenzen dies sein könnten, sagte Duisenberg am Mittwoch in Brüssel. Entscheidend sei, dass das Vertrauen der Verbraucher und der Wirtschaft nach den Terroranschlägen stabil bleibe. Die EZB steht nach seinen Angaben bereit, das Funktionieren der internationalen Märke zu garantieren.
Finanzminister Hans Eichel (SPD) wies Befürchtungen über eine weltweite Wirtschaftskrise zurück. Warnungen von Analysten bezeichnete er als "Quatsch". "Durch Taten von Verrückten kann die Weltwirtschaft nicht beeinflusst werden."
Auch für die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute ist eine weltweite Rezession eher unwahrscheinlich. Das Risiko eines weiteren Konjunkturrückschlags beurteilen sie unterschiedlich: "Die augenblicklichen Panikreaktionen dürften abklingen", sagte Silke Tober vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Falls sich die Unruhe nicht lege, gebe es Möglichkeiten gegenzusteuern. In erster Linie müssten die Zentralbanken reagieren.
Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung sieht vor allem erhebliche psychologische Folgen; Ifo-Chef Hans Werner Sinn sagte, langfristig sei entscheidend, dass die USA nach den Anschlägen als verwundbar gelten. "Damit sind die USA nicht mehr der sichere Investitionsstandort, der sie lange waren. Dies wird die Kapitalströme in andere Länder umlenken, mit entsprechenden Folgen für US-Aktien.
Nach Meinung von Roland Dörn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung kommt es darauf an, geldpolitisch gegenzusteuern. Nach dem Börsencrash 1987 in den USA habe die US-Notenbank Maßnahmen ergriffen, die die Konjunktur sogar beflügelt hätten. Allerdings sei der Umfang der Folgen des Anschlags noch nicht abzusehen. Zahlreiche Volkswirte erwarten jetzt weitere Zinssenkungen durch die EZB und die US-Notenbank.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs kündigte an, ihre Portfolio-Strategie zu ändern. Eine rasche Erholung der Wirtschaft sei nun nicht mehr zu erwarten, da sich die Anschläge negativ auf das Verbraucher- und Geschäftsvertrauen auswirken würden. Goldman Sachs rechnet damit, dass vor allem Fluglinien, Hotels, der Einzelhandel und die Freizeitbranche betroffen sein werden. Hingegen hätten Telekomunternehmen Aussichten auf Besserung. Auch Sicherheitsdienste und Sicherheitstechnik-Firmen sollten profitieren.
Der ohnehin seit längerem unter Druck stehende Nikkei-Index in Tokio verlor 6,4 Prozent und schloss am Mittwoch nahe einem 18-Jahre-Tief bei 9610 Zählern. Allein die Aktien des Unterhaltungselektronikkonzerns Sony gaben um fünf Prozent nach. Sony ist stark vom US-Markt abhängig. Der Dollarhandel lag in ganz Asien größenteils brach. Dort wo noch gehandelt wurde, gab der Dollar gegenüber dem Yen stark nach. Grund sind Befürchtungen, dass die US-Wirtschaft längerfristig betroffen sein wird. In Thailand blieben die Finanzmärkte geschlossen; alle Ölexporte wurden ausgesetzt. Die US-Börsen werden den Handel voraussichtlich am Donnerstag wieder aufnehmen. Am Mittwoch blieben die New Yorker Börsen geschlossen.
Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) hat den Höhenflug der Ölpreise gestoppt. Unmittelbar nach den Terroranschlägen und Regierungsgebäude in Washington war der Ölpreis um bis zu 4 $ auf 31 $ je Barrel (159 Liter) Brent in die Höhe geschossen. Nach der Ankündigung der Opec, den Markt stabilisieren zu wollen, gaben die Preise wieder nach.
Der Rohstoffexperte des Hamburgischen Weltwirtschafts-Archivs, Klaus Matthies, rechnet nicht damit, dass die Ölpreise nachhaltig steigen. Im Gegensatz zum Golfkrieg vor zehn Jahren seien weder Förderung noch Handel direkt betroffen. Öl-Experten hatten spekuliert, dass Nahost-Terroristen für die Anschläge verantwortlich sein könnten und US-Bestrafungsaktionen den Ölpreis auch in absehbarer Zeit nach oben treiben würden.
Der Euro gab am Mittwochvormittag einen Teil der frühen Gewinne wieder ab. Gegen 12 Uhr Uhr kostete die europäische Gemeinschaftswährung 0,9064 $. "Die spontane Reaktion war natürlich, den Dollar zu verkaufen", sagte Taisuke Tanaka, Währungsstratege bei der Credit Suisse First Boston. Angesichts des geschwächten Weltmarktes, blieben die Folgen jedoch voraussichtlich nicht auf Amerika beschränkt. In Europa waren am Vortag nach dem Anschlag die Anleger regelrecht aus dem Dollar geflüchtet, zugleich stieg der Goldpreis. |