War die HVB der Auslöser des HRE-Schlamassels? Gegen die drohende Enteignung der Hypo-Real-Estate-Aktionäre regt sich massiver Widerstand. Neben Flowers planen auch Kleinaktionäre Klagen – nicht nur wie Flowers gegen den Staat, sondern auch gegen die HRE u.a. wegen Marktmanipulation und Untreue. Vorwürfe erheben sie auch gegen den ehemaligen Mutterkonzern: Die HypoVereinsbank (HVB) soll die HRE als Müllhalde missbraucht haben. Insider von damals bestreiten das vehement.
Die Verstaatlichung der HRE ist in vollem Gange. Bis kurz vor Ende der Annahmefrist für das Übernahmeangebot hielt der Bund knapp 41% der Anteile. Ob der Bund die 50%-Marke geschafft hat, will der Soffin am heutigen Donnerstag bekanntgeben. Mit einer einfachen Mehrheit kann der Bund auf der Hauptversammlung am 2. Juni eine Kapitalerhöhung bestimmen und sich dadurch die avisierte Kontrollmehrheit sichern. Scheitert dieser Plan, wird enteignet. Daran lassen die Beteiligten keine Zweifel. Auf den Bund rollt dann womöglich eine Klagewelle zu. Neben HRE-Großaktionär J.C. Flowers verweigerten auch einige Kleinaktionäre die Annahme des Übernahmeangebots und rüsten sich für eine Verfassungsklage. Solche wie Henry Faktor, Projektentwickler aus Frankfurt. Er stemmt sich mit aller Macht gegen eine drohende Enteignung. "Das geht bis zum Europäischen Gerichtshof", kündigt er an. Faktor hat bereits Anzeige gegen die HRE erstattet. Er wirft ihr Marktmanipulation sowie Betrugsversuch vor. Dabei hat er nicht nur die einstige Führungsriege um Funke, Finanzvorstand Markus Fell und Aufsichtsratschef Kurt Viermetz im Visier. Seine Wut richtet sich vor allem an die Erschaffer der HRE: die Manager der HVB. Diese hätten die HRE als Müllschlucker gegründet, um negative Vermögenswerte der Bilanz zu entsorgen. Faktor wettert: "Die HRE war die Bad Bank der HVB." Nicht die Steuerzahler, sondern die mittlerweile unter das Dach der Unicredit geschlüpfte HVB müsse deshalb für die Verluste der HRE geradestehen.
Hätte sie auch, wenn der ganze Schlamassel etwas früher ans Tageslicht getreten wäre. Bis zum 28. September 2008 haftete die HVB für Schulden ihrer einstigen Tochter. Einen Tag später gab die HRE bekannt, dass sie ihre Liquidität nicht mehr alleine sicherstellen kann. Für Faktor kein Zufall. Befürworter seiner "Mülleimer-These" finden sich unter Banken- und Finanzexperten aber keine. "Das ist Quatsch, die HRE war kein Mülleimer", heißt es aus gut informierten Kreisen. Die HRE habe "mit Sicherheit" kein Sanierungsgeschäft übernommen. Selbst Mitbewerber zweifeln am Mülleimer-Konzept, aus einem einfachen Grund: Ein Jahr nach der Abspaltung hat die HVB fast 2,5 Mrd. Euro auf das verbliebene Kreditportfolio abgeschrieben. Ein deutliches Indiz dafür, dass die Sanierungsfälle auf den HVB-Büchern blieben und nicht in die HRE abgeschoben wurden.
Die aktuellen Probleme der HRE der früheren Mutter anzulasten, wäre also völlig verkehrt – oder doch nicht? Angeblich wurden die Hypothekentöchter der HVB vor der Abspaltung über einen Gewinnabführungsvertrag dermaßen ausgequetscht, dass sie am Ende nichts mehr wert waren. "Das Buch wurde immer substanzärmer. Die HVB hat die HRE ausgenommen", berichtet ein Insider.
Aufstieg und Fall einer Risikobank
Rückblick: Fast zwei Jahre nach dem Spin-off steigt die HRE am 19. Dezember 2005 in den DAX auf und verdrängt ihre einstige Mutter aus dem wichtigsten deutschen Aktienindex. Wenige Monate später klettert die HRE-Aktie auf 57,30 Euro – der absolute Höhepunkt der jungen Unternehmensgeschichte. Glück, Zufall oder Genialität? "Die HRE wurde nicht gegründet, um Erfolg zu haben", bemerkt ein Bankenkenner vielsagend. Für ihn hatte der Immobilienfinanzierer vor allem das Glück, in einen hochgehenden Markt zu geraten und auf der aufkommenden Kapitalmarktwelle mitreiten zu können. Über Verbriefungsvehikel trennte sich die HRE elegant von Kreditrisiken. Darüber hinaus gelang der Verkauf eines Portfolios fauler Kredite mit einem Volumen von 3,4 Mrd. Euro – ein Befreiungsschlag für das Kreditinstitut.
Dieser war auch bitter nötig. Durch die Zusammenlegung der Hypothekentöchter der HVB entstand ein riesiger Berg an Kredit- und vor allem Klumpenrisiken. "Das war ein Brei. Es gab weder Risikoklassen noch Steuerungselemente", erinnert sich ein ehemaliger HVB-Manager und ergänzt: "Die haben immer noch Unternehmenskredite auf den Büchern, von denen ich die Finger lassen würde."
Zudem gab es viel Bauträgergeschäft und Aktivitäten in Ostdeutschland. Insbesondere die Süddeutsche Bodencreditbank soll erhebliches Risiko auf den Büchern gehabt haben. "Die HVB war zusammen mit ihren fünf Hypothekentöchtern eine Zusammenballung einer riesigen Angebotsmenge auf einem schwächer werdenden Markt", beschreibt ein Bankmanager die damalige Situation. Ein Insider bemerkt: "Die Bayerische Hypobank war damals stehend K.o. Die Gründung der HRE geschah eindeutig aus der Not der HVB, die viel zu kreditlastig war."
Der Druck der Ratingagenturen und des Kapitalmarkts brachte die HVB in arge Bedrängnis. Es musste schnell eine Lösung her. Der ursprüngliche Plan, das gewerbliche Immobiliengeschäft der Töchter mit dem des Mutterkonzerns – Bayerische Vereinsbank und Hypobank brachten es zusammen auf über 100 Mrd. Euro Kreditvolumen – zu verschmelzen, scheiterte. Zu kompliziert und langwierig. Man entschied sich für die schnellere und einfachere Lösung: die Abspaltung über die Börse. Ausgestattet mit einem Risikoschirm stürzte sich die HRE ins Abenteuer Selbstständigkeit – mit Erfolg.
Doch Bankchef Georg Funke wollte mehr und an der Börse für weitere Wachstumsfantasien sorgen, nachdem eine Übernahme des ärgsten Konkurrenten Eurohypo an der Commerzbank gescheitert war. Als die Finanzkrise im Herbst 2007 bereits tobte, präsentiert Funke sein 5-Mrd.-Euro-Grab: die Depfa. Ein Jahr später geht der HRE die Puste aus. Der Bund und ein Bankenkonsortium retten das Institut vor der Insolvenz.
Die Depfa hatte sich verzockt – aus dem soliden Staatsfinanzierungsgeschäft ein Zinswettbüro gemacht und damit die gesamte HRE-Bankengruppe zu Fall gebracht. Alles also die Schuld der Depfa bzw. der unvorhersehbaren Umständen infolge der Finanzkrise? Nein, sagen enttäuschte Aktionäre wie Henry Faktor.
Wie es mit der HRE nach der Verstaatlichung weitergeht, ist völlig offen. Vom Gesundschrumpfen über eine Zerschlagung und Abwicklung bis hin zur Gründung einer Bad Bank mit der Eurohypo – alles ist möglich. Sicher ist dagegen, dass die HRE dringend eine weitere Kapitalspritze braucht. Wie hoch? Ungewiss. Bis zu 20 Mrd. Euro, wie es in einigen Medienberichten zu lesen ist? "Das ist reine Fantasie", heißt es aus dem HRE-Aufsichtsrat- (nik) |