War er's nicht?
Offener Brief an die/den Abgeordnete/n, die/der alleine (?) weiß, an wen dies adressiert ist" - so war im März 2005 ein offener Brief von Ralf Stegner überschrieben. In ihm wandte sich der Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen Sozialdemokraten an jene unbekannt gebliebene Person aus den Reihen der SPD-Landtagsabgeordneten, die damals in geheimer Abstimmung die eigene Ministerpräsidentin zu Fall gebracht hatte.
Stegner sprach von charakterlosem Verrat und ehrloser Schweinerei, vermutete als Motiv "egozentrische Geltungssucht" oder "feige Rache" oder eine Gegenleistung an Dritte. Und erwartete gleich eine doppelte Überführung des Täters: "Früher oder später wird das herauskommen und (!) das Gewissen wird ihm/ihr keine Ruhe lassen, bevor diese Tat nicht eingestanden worden ist." Es ist später geworden. Der Mythos vom ruhelosen, zum Bekenntnis zwingenden Gewissen war nicht einschlägig. Noch immer weiß allein der Adressat, wer gemeint war. Manche verdächtigten damals Stegner selber. Danach wurde er auch dieser Tage wieder gefragt. Gelegenheit dazu gab es. Legt man nämlich die Häufigkeit seiner Auftritte vor Kameras zum Thema "Verantwortungsfragen bei der Nutzung des freien Mandats" aus Anlass der Ypsabweicher zugrunde, dann ist Stegner inzwischen zum diensthabenden Gewissens-Sachbearbeiter der SPD geworden.
In den "Tagesthemen", im Hessischen Rundfunk, bei Anne Will - stets ist er es, von dem verantwortungsethische Auskunft erbeten wird und der sie, obzwar anlassadäquat grimmigen Gesichts, gern gibt. Auf die Frage einer Moderatorin, wie er denn zu jener alten Verdächtigung stehe, teilte er sinngemäß mit, er könne es damals gar nicht gewesen sein, denn das wäre ja zu dumm von ihm gewesen - was die Frage aufwirft, wie klug es von Stegner jetzt ist, so zu reden. Scharfsinnig genug ist er ja, um zu wissen, dass das Fernsehen ihn auch darum einlädt, weil der Verrat von Kiel noch nicht aufgeflogen ist. Außer dem Mythos vom ruhelos machenden schlechten Gewissen kennt er auch den vom Täter, den es an den Tatort zurückzieht. Und er kennt das Vorurteil, dass die am lautesten rufen, die es am meisten nötig haben. Es liegt gewiss eine ganz eigene Nervenstärke darin, dies alles zu ignorieren. Vom Standpunkt des politischen Machiavellismus aus wäre es jedenfalls fast schade, wenn es Stegner damals nicht gewesen wäre. kau
Text: F.A.Z., 11.11.2008, Nr. 264 / Seite 33 ----------- MfG kiiwiipedia
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