Angesichts der steigenden Konjunkturrisiken wird die Europäische Zentralbank (EZB) in diesem Jahr die geldpolitische Wende vollziehen und schon im Frühjahr die Leitzinsen senken. Hieran wird auch eine im Jahresmittel deutlich über zwei Prozent liegende Inflationsrate nichts ändern. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage von Dow Jones Newswires unter 50 vor allem in Banken tätigen Volkswirten. Demnach sagen bis Jahresende 32 Ökonomen niedrigere Leitzinsen voraus. In der Umfrage im vergangenen Monat waren mehrheitlich noch stabile Zinsen erwartet worden.
23 Experten erwarten, dass die EZB bereits im zweiten Quartal ihre Geldpolitik lockern wird, wobei die meisten mit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte auf 3,75 Prozent rechnen. Bis Jahresende rechnet eine relative Mehrheit von 22 Ökonomen damit, dass der EZB-Leitzins 3,50 Prozent betragen wird. Nur ein einziger Volkswirt - Holger Schmieding von Bank of America - sagt bis Dezember eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte auf 4,25 Prozent voraus. Für die am Donnerstag anstehende EZB-Ratssitzung ist das Bild einheitlich: Alle 50 Befragten rechnen mit einem unveränderten Leitzins von 4,00 Prozent.
EZB zum Handeln gezwungen
Zu den Ökonomen, die niedrigere Leitzinsen erwarten, gehört Claudia Broyer von Allianz Dresdner Economic Research: "Die EZB sträubt sich angesichts der hohen Inflation zwar gegen eine Zinssenkung, wird wegen der Konjunkturrisiken aber nicht umhin kommen, ihre Geldpolitik zu lockern".
Basis der Zinsprognosen sind die in der neuen Umfrage für dieses Jahr weiter nach oben revidierten Inflations- und weiter nach unten revidierten Wachstumsprognosen. So wird nunmehr für 2008 im Euroraum mit einem jahresdurchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,5 Prozent (Januar: 2,4 Prozent) gerechnet, während für 2009 unverändert eine Teuerung von 2,0 Prozent prognostiziert wird. Zugleich rechnen die Ökonomen mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in diesem und kommenden Jahr um 1,7 Prozent (1,8) beziehungsweise 1,9 Prozent (2,1).
Wenig verändert waren die Prognosen für die weitere Entwicklung des Euro zum US-Dollar: Diesen sehen die Befragten nun auf Sicht von drei Monaten bei 1,47 Dollar (1,47) Dollar, auf Sicht von sechs und zwölf Monaten werden Kurse von 1,45 (1,44) und 1,40 (1,39) Dollar vorhergesagt. |