Direktbroker rechnet beim Börsengang mit 20-facher Überzeichnung Comdirect: Aktien gehen nur an Kunden
Schlechte Nachricht für viele Privatanleger: Die Aktien aus dem Börsengang der Comdirect Bank werden voraussichtlich nur an Kunden des Direktbrokers und der Mutter Commerzbank gehen.
HANDELSBLATT, Mittwoch, 26. April 2000
fs/hz/mm/rob FRANKFURT/M. Die Comdirect Bank rechnet für ihren Börsengang mit einem riesigen Ansturm von Privatanlegern. Ähnlich wie bei der Emission von T-Online wird die Aktie nach Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden des Direktbrokers, Bernt Weber, etwa 20-fach überzeichnet werden. Wie Weber dem Handelsblatt erklärte, dürften deshalb in erster Linie Kunden von Comdirect und wahrscheinlich der Muttergesellschaft Commerzbank Aktien zugeteilt bekommen. Aber auch für sie gibt es keine Garantie: Ist die Nachfrage zu hoch, entscheidet das Los. Gratisaktien als Anreize für Neukunden habe die Bank nicht geplant, betonte Weber.
Damit vermeidet Comdirect Probleme, wie sie bei der kürzlichen Emission von T-Online auftraten. Die Gesellschaft wollte den Börsengang dazu nutzen, neue Kunden zu gewinnen. Dagegen gingen AOL Europe und die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs vor. In einer Einigung vor Gericht verzichtete der Internetdienst freiwillig auf eine Bevorzugung von neuen Kunden. Für Analysten kommt beim voraussichtlichen Zuteilungsverfahren von Comdirect dennoch ein fader Beigeschmack auf. Alexander Hendricks von ABN Amro: „Das wäre eine Art Privatplatzierung.“
Comdirect will an den Neuen Markt gehen und hat die Neuemission in der Woche bis zum 9. Juni geplant. In Bankenkreisen wird ein Volumen von 2 bis 5 Mrd. Euro erwartet. Damit reiht sich der nach der Kundenzahl größte deutsche Direktbroker in die milliardenschweren Börsengänge dieses Jahres ein. Besonders Infineon und T-Online hatten für Aufsehen gesorgt.
Privatanleger bekommen nach den Worten Webers zwischen 30 und 45 % der ausgegebenen Comdirect-Aktien. Die Commerzbank wird auch nach dem Börsengang die Mehrheit an ihrer Tochtergesellschaft halten. Ein weiteres Aktienpaket liegt bereits in den Händen des Kooperationspartners T-Online. Die augenblicklich unsichere Börsensituation bereitet Weber keine Sorgen. „In diesem Jahr hat es sicherlich schon bessere Zeitpunkte gegeben“, räumt er ein. Allerdings sei bis zur Emission mit einer weiteren Entspannung der Lage an den Märkten zu rechnen.
Nach der Emission von Comdirect sind die drei Marktführer in Deutschland, die auch zu den größten Spielern in Europa zählen, an der Wachstumsbörse in Frankfurt notiert. Consors entschloss sich zu diesem Schritt im April vergangenen Jahres; die Direkt Anlage Bank als Tochtergesellschaft der Hypo- Vereinsbank folgte im November. Mit einer Marktkapitalisierung von 5,6 Mrd. Euro bei Consors und 2,6 Mrd. Euro im Fall Direkt Anlage Bank sind beide Direktbroker im Index der größten Wachstumswerte, dem Nemax-50, vertreten. Auch Comdirect erwartet einen schnellen Aufstieg in die Eliteklasse. Mit dem Geld aus dem Börsengang will die Gesellschaft vor allem ihre Produktpalette erweitern und das Wachstum im europäischen Ausland finanzieren. |