SZ-Magazin "Ich gehe nachts nicht auf die Straße, das macht hier kein Afrikaner"
Können sich Farbige in Ostdeutschland tatsächlich nicht mehr frei bewegen? Fünf Mitarbeiter des SZ-Magazins haben mehrere Monate recherchiert. Herausgekommen ist ein bestürzender Erfahrungsbericht.
Tchbodi Kodjo*, 26, Togo, lebt seit 6 Jahren in Magdeburg: "Eben gerade, als ich hier von der Bushaltestelle zum Interviewtermin kam, stand eine Mutter mit ihrer Tochter, so elf Jahre alt, auf dem Balkon. Beide machten Affengeräusche, als ich vorbeiging, »huhuhuhu« haben sie mir nachgerufen."
Amani Bohoussou: "Am schlimmsten ist es in der Straßenbahn. Ich sage immer: In Erfurt bin ich der König der Tram. Wenn ich in einem Viererabteil sitze, bleibe ich da allein – egal, wie voll der Wagen ist. Es gibt natürlich auch viele nette und hilfsbereite Menschen hier. Meistens sind die aber schon mal im Ausland gewesen. Vorurteile haben eben viel mit Ignoranz zu tun. Die Menschen, die Vorurteile gegen mich haben, kennen oft nicht mal Berlin."
Asumaila Atoude: "Baden gehen wir im Sommer auch nicht, obwohl es hier viele schöne Seen gibt. Ich habe mal von jemandem aus unserem Heim gehört, der war in einem Freibad hier in der Nähe. Als er ins Schwimmbecken reinging, sind sofort alle aus dem Becken raus."
Mouctar Bah, Guinea, lebt in Berlin und Dessau: "Ich bin vor einigen Jahren von Berlin nach Dessau gekommen wegen eines Callcenters, das ich dort eröffnet habe. In dem Laden habe ich auch Oury Jalloh aus Sierra Leone kennengelernt, der dort oft mit seiner Mama telefoniert hat. Jalloh ist ja, das stand viel in der Zeitung, am 7. Januar 2005 in einer Zelle im Polizeirevier in Dessau ums Leben gekommen. Er war abends verhaftet worden, weil er angeblich auf der Straße Frauen belästigt hatte, und ist dann im Keller auf einer Pritsche, auf der er festgeschnallt war, verbrannt. Es hieß, er habe es trotz der Fesseln geschafft, sich selber anzuzünden.
Da es mir und anderen seiner Freunde nicht so klar war, wie Jalloh ums Leben gekommen ist, haben wir versucht, das herauszufinden. Zuerst sind wir zur Polizei gegangen, aber niemand konnte uns nähere Auskunft geben. Wir haben dann gesagt: Okay, jetzt schalten wir einen Anwalt ein. Und ich habe mich dann ein Jahr lang richtig mit der Sache beschäftigt, habe Demos organisiert, viel mit Medien gesprochen und so.
Wie ich vorhin gesagt habe, habe ich ja dieses Callcenter in Dessau geführt. Jedenfalls habe ich dann im Februar 2006 einen Brief vom Ordnungsamt Dessau bekommen, dass ich den Laden zumachen muss. Sie sagten, ich hätte Drogendealer in meinem Laden geduldet. Diese Anschuldigungen hatte es schon mal lang vorher gegeben, ein Jahr vor Jallohs Tod. Die Drogenszene war genau in der Straße aktiv, in der mein Geschäft war, und die Polizei hatte den Laden unter Verdacht, aber der Staatsanwalt ließ die Klage fallen, weil ich nachweisen konnte, dass ich nichts damit zu tun hatte. Es war dann zwei Jahre ruhig, die Drogenszene war längst aus der Gegend verschwunden, dann kam plötzlich der Brief vom Ordnungsamt. Ich musste im Februar das Gewerbe innerhalb einer Woche abgeben. Jetzt arbeite ich im gleichen Callcenter wie vorher, aber als Angestellter. Komischerweise war das Problem mit den Drogen plötzlich nicht mehr akut, als das Callcenter an einen anderen Eigentümer ging."
Maria Schöller*, Kenia, lebt als Hausfrau in Dresden, seit sechs Jahren in Deutschland: "Ich habe in Frankfurt in einer Wäscherei gearbeitet, und hier in Dresden habe ich in der Zeitung ein Stellenangebot in einer Wäscherei gesehen. Da habe ich angerufen und der Frau erzählt, dass ich Erfahrung mit dieser Arbeit habe – wir haben einen Termin ausgemacht. Aber als ich bei ihr angekommen bin, sagt die Frau: »Nein, ich hab keinen Termin mit einer Afrikanerin gemacht!« Ich habe gesagt: »Aber wir haben doch miteinander geredet am Telefon.« – »Nein, ich habe mit keiner Afrikanerin geredet«, schreit sie. Da bin ich wieder gegangen."
» Ich fühlte mich wie in der Zeitmaschine: Mississippi Burning auf Deutsch. Vor der Schule hörten fünf Neonazis laut rechtsextreme Musik «
Ade Bantu, Musiker: "Wir waren mit den Brother’s Keepers auf Tournee und wollten in Pirna mit einer Schulklasse diskutieren. Wir hatten aber das Gefühl, dass sich die Schüler nicht frei äußern konnten. Es herrschte ein Klima der Angst. Die Nacht zuvor hatten Rechte überall in der Schule Plakate aufgehängt: »White Arian Brotherhood against the alien Brother’s Keepers«, mit Hakenkreuz und Ku-Klux-Klan-Symbolen. Ich fühlte mich wie in der Zeitmaschine: Mississippi Burning auf Deutsch. Vor der Schule hörten fünf Neonazis laut rechtsextreme Musik. Die Polizei, die zu unserem Schutz mitgekommen war, schritt nicht dagegen ein."
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Gruß KTM 950 |