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Tolerantes Volk, diese Muslime!
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Goldenes Kreuz unter der Bluse
Von Dilek Zaptcioglu
Der Streit über die Papst-Vorlesung verängstigt die Christen in der Türkei - kurz vor dem geplanten Besuch von Benedikt XVI. in dem islamischen Land. Seit Jahrhunderten werden die Christen dort toleriert, doch nun stellen die Islamisten den fragilen Frieden der Religionen auf die Probe.
Istanbul - Das schwere, gußeiserne Tor des Gotteshauses scheint verschlossen, obwohl Sonntag ist. Wer geht schon bei so einem guten Wetter in die Kirche? Hier im Herzen von Istanbul scheint heute die Sonne - im Gegensatz zu Castel Gandolfo, wo der Papst heute im Gewitter persönlich sein Bedauern für die Missverständnisse um seine Regensburger Vorlesung ausgedrückt hat.
Katholikin Maria in Istanbul: "Der Streit hat für viel böses Blut unter Muslimen gesorgt"
Die Santa Maria Draperis in der Fußgängerzone Istiklal ist eine der schönsten katholischen Kirchen Istanbuls und mit mehr als 300 Jahren auch eine der ältesten. Die Kirche gehört den Franziskanern, die im 13. Jahrhundert in das damalige Konstantinopel kamen und am Bosporus den ersten christlichen Orden außerhalb der Orthodoxen Kirche gründeten. Ordensbruder Makuta Eleuthère aus Kongo beendet gerade seine Sonntagsmesse. Den Kelch deckt er mit einem zarten Blatt zu, das weiße Tuch faltet er säuberlich zusammen. Seine Gemeinde besteht vor allem aus philippinischen Frauen, die in Istanbul schwarz arbeiten, und einigen ärmlich gekleideten Levantinern, die schnell verschwinden. Die Frauen aus Fernost dagegen gehen ins Nebenzimmer, Maria vorneweg, man hält Sonntagsplausch. Maria sagt: "Ich habe schon ein bisschen Angst in diesen Tagen. Der Streit um die Worte des Papstes hat hier für viel böses Blut unter den Muslimen gesorgt."
Die Angst packt Maria auf der Straße, wenn sie Unbekannten ins Gesicht sieht und sich fragt: "Was denkt er jetzt, wenn er meine Kette mit dem Kreuz anstarrt?"
Der Unterschied zwischen der Upper Class und den Massen
Die Goldkettchen mit dem Kreuz werden unter der Bluse versteckt. Man passt auf, sich nicht öffentlich zu bekreuzigen. Die Frauen arbeiten allesamt im Dienstleistungsbereich, meist bei türkischen Familien als Kindermädchen, Haushälterin oder Krankenpflegerin. Sind diese Familien nicht auch alle muslimisch? "Ja, schon", sagen die Frauen einstimmig, "aber das sind sehr moderne Leute. Die haben mit Religion nicht mehr viel zu tun, da brauchen wir keine Angst zu haben". Jetzt allerdings, "nach dem Papst", sei die Atmosphäre merklich abgkühlt.
Priester Eleuthère bestätigt die Kluft in der türkischen Gesellschaft: zwischen säkularen Upper-Class-Türken einerseits und den Massen auf der Straße andererseits, bei denen oft ein Funken reicht, um ein fanatisches Lauffeuer zu entfachen. Zum Beispiel in Trabzon an der Schwarzmeerküste, wo vor einen halben Jahr ein Priester ermordet wurde. Junge Rechtsextreme streckten den katholischen Geistlichen Andrea Santoro mit Schüssen in den Rücken nieder - voraus ging dem Mord massive antichristliche Propaganda der Boulevardblätter.
Der Franziskaner Eleuthère sagt, dass er mit seinen "modernen, aufgeklärten türkischen Freunden" überhaupt keine Probleme hat. Das Hauptproblem sei die Ignoranz der einfachen Leute - und die Politik. "Es sind die Politiker, die die Papst-Rede für ihre Zwecke missbrauchen. Wir Christen haben eigentlich keine Probleme mit den Muslimen."
"In 100 Jahren wird eine andere Atmosphäre herrschen"
Muslime fühlen sich in christlichen Ländern bedroht, Christen haben Angst in islamischen Ländern - wie geht es mit diesem Glaubenskrieg weiter? Eleuthère glaubt: "Das ist nur vorübergehend. Vor hundert Jahren hätte sich niemand den heutigen interreligiösen Dialog vorstellen können. Nach hundert Jahren wird zwischen uns eine ganz andere Atmosphäre herrschen." Und welche? "Es wird immer noch die Christen geben, die Muslime und die Juden. Aber sie werden ihre Gemeinsamkeiten entdeckt haben, denn ihr Gott ist derselbe."
In der Türkei ist der Islam heute viel allgegenwärtiger als vor acht Jahrzehnten bei der Gründung der Republik. Nach den offiziellen Zahlen des Innenministeriums gibt es 77.151 Moscheen landesweit, die überwältigende Mehrheit untersteht dem Amt für Religiöse Angelegenheiten (Diyanet). Die Behörde bezahlt auch die mehr als 500 Imame, die in den rund 800 türkischen Moscheen in Deutschland arbeiten. Diyanets Budget ist ein 18 Mal so groß wie das des Umweltministeriums, neun Mal so groß wie das des Arbeitsministeriums. Und an der Macht ist die AKP, eine Partei, die sich ausdrücklich auf den Islam beruft und bei der Finanzierung neuer Koranschulen oder Moscheen nicht geizt. Dabei beruft sich Ministerpräsident Tayyip Erdogan immer wieder auf die Tatsache, dass "99 Prozent der Bevölkerung Muslime" sind - was den Rest erst recht zur verschwindenden, machtlosen Minderheit macht.
Etwa 150.000 Christen leben in der Türkei. Das gefühlte Christentum im Land jedoch scheint übermächtig: Da sind die Relikte der vorosmanischen Zeit, zahllose alte Kirchen, Klöster und Kapellen, über das ganze Land verteilt, teils in Museen umgewandelt wie die prächtige Hagia Sophia, teils in Moscheen wie in Ayvalik, dem einst blühenden griechischen Zentrum an der Ägäis. Die Muslime sind zwar seit mehr als 600 Jahren auf diesem Boden in der Mehrheit und herrschen über die Christen - aber trotzdem scheinen Letztere für viele hier wie die "Sieger der Geschichte". Türkische Verschwörungstheoretiker sehen den katholischen Papst, den griechisch-orthodoxen Patriarchen und den protestantischen US-Präsidenten George W. Bush in einem Verbund des Bösen. Der Reichtum, der Fortschritt, die Moderne: Alles ist im christlichen Westen vereint. Das nährt die Minderwertigkeitskomplexe und den Zorn.
Hoffnung auf den Weg nach Europa
In der schönen, historischen Franziskanerkirche sagt Frère Eleuthère voller Zuversicht: "Wenn die Türkei EU-Mitglied geworden ist, wird sich der ganze Streit legen." Der Weg nach Europa führt aber über den Vatikan, und das weiß die türkische Regierung - weshalb Außenminister Abdullah Gül am Wochenende eilig einen Brief nach Rom geschickt hat. Er bat den Papst ausdrücklich, seine für Ende November geplante Türkei-Reise nicht zu verschieben.
Papst Benedikt XVI. wird in den kommenden Wochen den Türkei-Bericht genau studieren, den sein Historiker Giovanni Sale kürzlich verfasst hat. Er macht darin auf die Diskriminierung der Christen aufmerksam und beklagt die schwindende Säkularität in der Türkei: "Der türkische Islam beherbergt verschiedene Strömungen. Neben Gemäßigten gibt es auch Radikale, die zum Dschihad gegen den verdorbenen und atheistischen Westen aufrufen, und darum kämpfen, die Scharia zum herrschenden Gesetz in der Türkei zu machen."
Der jüngste Lagebericht des Katholischen Missionswerk Missio in Aachen drückt es so aus: Ankara vermittle den Eindruck, dass beim EU-Beitritt "die Religionsfreiheit im Hinblick auf die Erfüllung der politischen Kriterien nur von untergeordneter Bedeutung ist".
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Essay
Der Islam will die Welteroberung
Von Egon Flaig
15. September 2006
„Dann wollen wir, daß die Fahne des Islam wieder über diesen Landschaften weht, die das Glück hatten, eine Zeitlang unter der Herrschaft des Islam zu sein und den Ruf des Muezzins Gott preisen zu hören. Dann starb das Licht des Islam aus und sie kehrten zum Unglauben zurück. Andalusien, Sizilien, der Balkan, Süditalien und die griechischen Inseln sind alle islamische Kolonien, die in den Schoß des Islam zurückkehren müssen. Das Mittelmeer und das Rote Meer müssen wieder islamische Binnenmeere wie früher werden.“ Diese Sätze stammen nicht von Al Qaida; sie finden sich im Programm, das der Gründer der Muslim-Brüderschaft Hassan Al Banna in einer Rede formulierte. Die Bruderschaft zählt heute Millionen und hat sich weit über Ägypten hinaus verbreitet. Ihre Intellektuellen agieren in Europa und in den Vereinigten Staaten; sie gelten als ,moderat“ und werden von den Medien entsprechend bedient. Planmäßige Rückgewinnung „verlorener“ Gebiete gehört in die Programme von Staaten, welche um territoriale Machtausübung kämpfen, also von politischen Gemeinschaften. Wie kann sie ins Programm einer Religion gehören? Ist der Islam eine Religion wie andere?
Seit Beginn der klassischen Zeit zwischen dem neunten und dem elften Jahrhundert teilen die islamischen Juristen die Welt in zwei Teile, nämlich das „Haus des Islam“ und das „Haus des Krieges“. Diese Zweiteilung hängt nicht davon ab, wo Muslime in großer Anzahl leben oder gar die Mehrheit darstellen, sondern davon, wo der Islam herrscht - in Gestalt der Scharia - oder wo er nicht herrscht. Diese Dichotomie ist also keine religiöse, sondern eine politische. Zwischen diesen beiden Teilen der Welt herrscht naturgemäß so lange Krieg, bis das Haus des Krieges nicht mehr existiert und der Islam über die Welt herrscht (Sure 8, 39 und 9, 41). Daher besteht nach klassischer Lehre für die muslimische Weltgemeinschaft die Pflicht, gegen die Ungläubigen Krieg zu führen, bis diese sich bekehren oder sich unterwerfen.
Dieser Krieg heißt Dschihad. Lautete der Missionsauftrag Jesu, alle Völker zu bekehren, ihnen aber ihre politische Ordnung zu lassen, so besteht das Ziel des Islam darin, alle Nichtmuslime politisch zu unterwerfen, ihnen aber ihre Religion zu lassen, falls es Buchreligionen sind. Der allgemeine Befehl Gottes zum Dschihad wird entnommen aus Sure 9, 29. Gewiß, winzige pazifistische Strömungen im Islam haben diese Interpretation nicht akzeptiert. Die Schiiten akzeptieren sie zwar, verlangen aber, daß ein echter Imam die muslimische Gemeinschaft anführt (und auf einen solchen warten sie schon mehr als dreizehn Jahrhunderte), daher gilt für sie vorläufig nur der defensive Dschihad, also falls die muslimische Gemeinschaft angegriffen wird.
Dagegen haben die andere Strömungen, etwa die sogenannten charidschitischen, die Aussage von Sure 9, 29 radikalisiert: Sie sehen im Dschihad eine individuelle Pflicht jedes tauglichen Muslim, welche als sechste Säule neben den anderen fünf kardinalen Pflichten steht. Konsequenz dieser Lehre: Wenn jeder entweder an der kollektiven Kriegführung gegen die Ungläubigen teilnehmen muß oder - falls die muslimische Gemeinschaft dafür momentan zu schwach ist - allein, gruppenweise auf eigene Faust kriegerisch agieren muß, dann sind Attentate und Terroranschläge das Richtige. Was die Charidschiten für den offensiven Dschihad verlangen, gilt bei den meisten Vertretern der orthodoxen Lehre der Sunna für den defensiven: Wird der Islam angegriffen oder islamisches Territorium von Ungläubigen besetzt, dann wird der Dschihad zur individuellen Pflicht; eine Fatwa des Großmufti der Al-Azhar-Universität in Kairo von 1948 - gerichtet gegen Israel - läßt daran keinen Zweifel. Jedwede feindliche Macht, welche sich an die Haager Landkriegsordnung hält und streng unterscheidet zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten, gerät hierbei in größte Schwierigkeiten.
Der Kriegszustand dauert an, bis das Haus des Krieges vernichtet und die Welt erobert ist. Darum nennt Majid Khadduri den Islam eine „göttliche Nomokratie auf imperialistischer Basis“. Friedensverträge, welche islamische Herrscher mit nichtislamischen abschlossen, gelten nur als Waffenstillstände; deshalb wurden sie in der Regel für höchstens zehn Jahre abgeschlossen; zwei Rechtsschulen erlaubten nur drei bis vier Jahre Frieden. Die kurzen Fristen ermöglichten es den militärisch überlegenen Muslimen, die Gegenseite unentwegt zu erpressen; auf diese Weise sind im Laufe der Jahrhunderte riesige Mengen an Geldern und Menschen an die muslimische Seite geflossen. Als sich die Kräfteverhältnisse verschoben, mußten muslimische Herrscher die Praxis ändern. So schloß 1535 Suleiman der Prächtige mit dem französischen König einen Frieden, der so lange gelten sollte, wie der Sultan lebte - ein Bruch mit der Tradition. Christliche Theologen versuchten - angesichts einer Pluralität von Staaten - zu definieren, was ein „gerechter“ Krieg war und was nicht; Kriege einzig um des Glaubens willen galten überwiegend nicht als gerecht. Für muslimische Gelehrte ist hingegen das „Haus des Islam“ eine politische Einheit, welche keinen inneren Krieg duldet; darum ist allein der Krieg zur Unterwerfung der Ungläubigen legitim gewesen und obendrein Pflicht, wie der berühmte Gelehrte Ibn Chaldun im vierzehnten Jahrhundert kategorisch sagt: „Im Islam ist der Dschihad gesetzlich vorgeschrieben, weil er einen universalen Auftrag hat und gehalten ist, die gesamte Menschheit freiwillig oder gezwungen zur Religion des Islam zu bekehren.“
Die Kriegsregeln des Dschihad sind flexibel. Von der Schonung über Massenversklavung bis zur massenhaften Tötung ist nach Khadduri alles möglich, genau wie bei Griechen und Römern. Das unterscheidet die heiligen Kriege des Islam fundamental von denjenigen des alttestamentlichen Israel, welche vorsahen, daß außerhalb Israels alles Männliche zu töten, auf israelischem Boden hingegen alles Lebendige überhaupt zu vernichten war (Deuteronom. 20, 10-20). Wir pflegen uns darüber zu empören, was die Kreuzfahrer 1099 in Jerusalem anrichteten. Indes, die Kreuzfahrer handelten nach gängigem Kriegsrecht; muslimische Eroberer taten derlei unentwegt und überall: 698 traf es Karthago, 838 Syrakus; der berüchtigte Wesir des Kalifats von Córdoba, Al Mansur, führte in siebenundzwanzig Jahren fünfundzwanzig Feldzüge gegen die christlichen Reiche Nordspaniens, versklavend, vernichtend und verwüstend; es traf Zamora (981), Coimbra (987), León, zweimal Barcelona (985 und 1008), dann Santiago de Compostela (997).
Am furchtbarsten verwüsteten die Dschihads das damals noch so städtereiche byzantinische Anatolien; das Massaker von Amorium (838) ist lange ein Fanal geblieben; die städtische Kultur Anatoliens hat sich davon nie wieder erholt.
Der Seldschuke Alp Arslan ließ ganze armenische Städte massakrieren, am furchtbarsten 1064 die Hauptstadt Ani. Mehr als berechtigt darum das Urteil von Bat Ye'or: „Die Maßlosigkeit, die Regelmäßigkeit und der systematische Charakter der von den islamischen Theologen zur Norm erhobenen Verwüstungen unterscheiden den Dschihad von anderen Eroberungskriegen.“ Gewiß, die Massenversklavung blieb das beliebteste Kriegsziel. So entstand schon im achten Jahrhundert die größte Sklavenhaltergesellschaft der Weltgeschichte; sie benötigte eine ständige Zufuhr immer neuer Sklaven; sie transformierte den afrikanischen Kontinent zum größten Sklavenlieferanten, ein Schicksal, welchem Europa knapp entkam.
Singulär ist die enorme Geschwindigkeit, mit der binnen neunzig Jahren ein arabisches Großreich zwischen Südfrankreich und Indien entstand, ohne daß ein einzelner Eroberer die Expansion gelenkt hätte. Der erfolgreichste Imperialismus der Weltgeschichte erregte nicht zuletzt die Bewunderung Hegels: „Nie hat die Begeisterung als solche größere Taten vollbracht.“ Wenn „Begeisterung“ solches vermochte, worauf beruhte sie? Die Antwort ist einfach: auf dem Märtyrertum. Ein Ereignis des Jahres 963 in Konstantinopel illustriert das: Kaiser Nikephoros Phokas hatte soeben die arabischen Besatzer aus Kreta vertrieben; nun plante er einen großen Krieg, um Ostanatolien und Nordsyrien von der muslimischen Herrschaft zu befreien. Ein Konzil sollte ihm helfen; eindringlich bat er die versammelten Bischöfe, sie sollten Soldaten, die im bevorstehenden Kampf fielen, zu Märtyrern erheben. Diesen Soldaten wäre also das Paradies sicher gewesen. Der Patriarch stellte sich gegen den Kaiser: Kein kirchliches Konzil sei imstande, Gottes Ratschluß zu antizipieren; allein Gott entscheide über das Heil.
Eine welthistorische Schlüsselszene. Der Kaiser wußte, was auf dem Spiele stand. Immer wieder hatten die Byzantiner erleben müssen, wie die muslimischen Truppen mit einer Tapferkeit kämpften, zu der die Christen nicht imstande waren. Gefallene Muslime gelten als Märtyrer für den Glauben und marschieren als Gefallene geradewegs ins Paradies. In den beiden Religionen unterscheidet sich der Begriff des Märtyrers fundamental. Christliche Märtyrer imitieren das Leiden Jesu, erleiden passiv Folter und Tod; muslimische Märtyrer sind aktive Kämpfer.
Maßgeblich für die Todesbereitschaft der Krieger ist das unverbrüchliche Versprechen, daß, wer für seinen Glauben stirbt, das ewige Heil erhalte (Sure 4, 74-76). Muslime sollten einer zehnfachen Übermacht standhalten (Sure 8, 66-67); spätere Rechtsgelehrte erlaubten, wie Khadduri schreibt, den Rückzug, falls man einer mindestens doppelten Übermacht des Feindes gegenüberstand. Da die entscheidende Ressource jedes Krieges der kämpfende Mensch und seine Opferbereitschaft ist, half es den Byzantinern nichts, technisch den Arabern und Seldschuken gleichwertig zu sein; langfristig mußten sie unterliegen, falls ihre Kampfmoral nicht dieselbe Höhe erreichte. Höhere Todesbereitschaft bringt enorme Vorteile in der Gefechtssituation: so lassen sich waghalsige Operationen angehen und kühne Manöver, die den Feind überraschen und verwirren; so lassen sich Siege erzwingen, die technisch und materiell fast nicht möglich scheinen, und Schlachten gewinnen, die unter üblichen Bedingungen verloren sind.
Nikephoros wußte um die militärischen Konsequenzen von Sure 4, 74-76; er war der erste, der die prinzipielle kriegerische Unterlegenheit der christlichen Religion zu korrigieren suchte. Doch die Bischöfe der Ostkirche sahen sich außerstande, ihre Theologie so zu manipulieren, daß ein kriegerisches Märtyrertum hätte entstehen können. Dabei blieb es. Die byzantinischen Kaiser mußten ihre schweren Abwehrkriege gegen die ständigen sarazenischen und seldschukischen Aggressionen führen, ohne daß ihnen die Religion dort half, wo Hilfe am nötigsten war.
Erst die Westkirche veränderte die theologisch-politische Situation: als Papst Urban II. 1095 zum ersten Kreuzzug aufrief, versprach er den christlichen Kriegern den Erlaß der Sünden: Gefallene Kreuzeskrieger umgingen demnach das göttliche Gericht; sie wurden insofern den Märtyrern gleichgestellt, obschon ihnen dieser Name verwehrt blieb. Der Papst als Oberhaupt einer monarchisch organisierten Kirche tat genau das, was ein Konzil östlicher Bischöfe nicht vermochte: Er verfügte über das Heil. Die Papstkirche konnte nun ebensolche „Heiligen Kriege“ führen, wie der Islam es seit Jahrhunderten zu tun pflegte. Worin unterscheiden sich dann Kreuzzüge und Dschihad? Kreuzzüge konnte allein der Papst ausrufen; daher blieben sie sehr selten - verglichen mit den unzähligen, unaufhörlichen und ubiquitären Dschihads der islamischen Welt.
Und die Ziele von Kreuzzügen blieben genau begrenzt; im November 1095 nannte Urban II. in Clermont Grund und Ziel des Kreuzzuges: „Es ist unabweislich, unseren Brüdern im Orient eiligst Hilfe zu bringen. Die Türken und die Araber haben sie angegriffen und sind in das Gebiet von Romanien (Konstantinopel) vorgestoßen; und indem sie immer tiefer eindrangen in das Land dieser Christen, haben sie diese siebenmal in der Schlacht besiegt, haben eine große Anzahl von ihnen getötet und gefangengenommen. Wenn ihr ihnen jetzt keinen Widerstand entgegensetzt, so werden die treuen Diener Gottes im Orient ihrem Ansturm nicht länger gewachsen sein.“ Die ersten Kreuzzüge bezweckten, entweder bedrängten Christen zu Hilfe zu kommen oder die Heiligen Stätten in Palästina zu befreien oder von den Muslimen unterworfene Christen zu befreien. Dagegen hielten die muslimischen Rechtsgelehrten immer am Endziel fest, das „Haus des Krieges“ zu erobern und alle Ungläubigen zu unterwerfen.
Urban II. sah richtig. Wäre Konstantinopel schon 1100 gefallen, dann hätte die enorme militärische Kraft der türkischen Heere Mitteleuropa vierhundert Jahre früher heimgesucht. Dann wäre die vielfältige europäische Kultur wahrscheinlich nicht entstanden: keine freien städtischen Verfassungen, keine Verfassungsdebatten, keine Kathedralen, keine Renaissance, kein Aufschwung der Wissenschaften; denn im islamischen Raum entschwand das freie - griechische! - Denken eben in jener Epoche. Jacob Burckhardts Urteil - „Ein Glück, daß Europa sich im ganzen des Islams erwehrte“ - heißt eben auch, daß wir den Kreuzzügen ähnlich viel verdanken wie den griechischen Abwehrsiegen gegen die Perser.
Indes, wurden Kreuzzüge nicht häufig mißbraucht? Gewiß. Kreuzzüge „entgleisten“ und wurden „zweckentfremdet“, wie etwa jener, der 1204 zur Eroberung des christlichen Konstantinopel führte. Doch das passierte mit Dschihads weitaus häufiger. Wenn die Sklaven knapp wurden, führten Emire nicht nur Dschihads gegen nichtmuslimische Völker, welche zu versklaven geboten war, sondern immer häufiger auch gegen islamisierte Völker, unter dem Vorwand, es seien keine wahren Muslime. Das geschah vorwiegend in Afrika und gegen Schwarzafrikaner, so, als zuerst Songhay 1468, dann die Marokkaner 1552 Mali überfielen, so auch, als seit dem achtzehnten Jahrhundert religiöse Reformer im Sahel ihre Dschihads gegen die muslimisierten Haussa-Städte führten, woraus das Kalifat Sokoto entstand - mit der drittgrößten Sklavenmenge nach Brasilien und den amerikanischen Südstaaten. An den Folgen dieser immer weiter gehenden Dschihads mit ihren Genoziden und Massenversklavungen leidet Afrika bis heute.
Indes, für welche politische Ordnung führten die Muslime ihre Heiligen Kriege mit dieser Vehemenz und diesem Erfolg? Für die Scharia. Eine politische Ordnung, die erstens Herren und Unterworfene streng absondert, zweitens die politische und soziale Ordnung der menschlichen Verfügung weitgehend entzieht. Bleiben wir beim ersten Aspekt: In der Scharia sind die Muslime die Herren, die Anhänger anderer Buchreligionen - Christen, Juden, Parsen, Buddhisten - Unterworfene, „Dhimmi“; dabei handelte es sich nicht um religiöse Minderheiten, sondern um gewaltige Mehrheiten, vor allem in Syrien, in Anatolien, oder um die Christen Nordafrikas.
Die Unterworfenen durften keine Waffen tragen, sie waren wehrunfähig, somit keine vollwertigen Männer. Christen und Juden mußten besondere Farben oder Kleidungsstücke tragen (diese Diskriminierung führte zum Judenstern), um als „Dhimmi“ kenntlich zu sein; sie durften nicht auf Pferden reiten, sondern nur auf Eseln, damit sie ständig an ihre Erniedrigung erinnert wurden; sie zahlten einen Tribut (Jizya), den sie persönlich entrichteten, wobei sie einen Schlag an den Kopf erhielten. Sie mußten sich von Muslimen schlagen lassen, ohne sich wehren zu dürfen; schlug ein „Dhimmi“ zurück, dann wurde ihm die Hand abgehackt, oder er wurde hingerichtet. Die Zeugenaussage eines „Dhimmi“ galt nicht gegen Muslime; diese brauchten für Vergehen an einem „Dhimmi“ nur halbe Strafe zu tragen; und wegen eines solchen Unterworfenen konnten sie nie hingerichtet werden. Umgekehrt waren grausamste Hinrichtungsarten überwiegend den „Dhimmi“ vorbehalten.
Sogar jene Diskriminierung der Juden, zu der vierhundert Jahre nach dem Islam die Westkirche auf dem IV. Laterankonzil von 1215 schritt und die uns so barbarisch anmutet, bezweckte und erreichte keine Erniedrigung dieses Ausmaßes. Eine besondere Drangsalierung brachte die türkische Herrschaft: seit 1360 wurde in unregelmäßigen Abständen bis zu einem Fünftel aller christlichen Kinder in die Sklaverei abgeführt. Sie wurden zwangsbekehrt.
Diese Sklavenmenge dürfte im Laufe von vier Jahrhunderten in die Millionen gegangen sein; davon wurden Hunderttausende ausgewählter Knaben zu fanatischen Muslimen und zu Elitekämpfern erzogen, zu den berüchtigten Janitscharen: eine Politik zur systematischen Vermehrung der muslimischen Bevölkerung und zur allmählichen Auslöschung der Christen. Sie hatte Erfolg. Die „Dhimmitude“ versetzte die Nichtmuslime in eine radikale Andersheit: Die Menschen in diesem Zustand als „Bürger zweiter Klasse“ zu bezeichnen ist Schönrednerei. Wie der Nationalsozialismus die Menschen in Herren- und Untermenschen auf rassischer Basis spaltete, so hat es die Scharia auf religiöser Basis getan. Als erste Weltreligion schuf der Islam eine Apartheid, in der die christlichen oder auch parsischen Mehrheiten kolonisiert und allmählich islamisiert wurden. Islamische Toleranz hieß: Duldung der Unterworfenen als Gedemütigte und Erniedrigte. All das ist durch Studien zur „Dhimmitude“ bekannt. Aber wer will von den millionenfachen Opfern hören?
Der Islam hat riesige Territorien religiös „gesäubert“: der zweite Kalif machte den Hidjaz, also Arabien außer dem Jemen, „christenrein“ und „judenrein“; die Alternative hieß Konversion oder Vertreibung. Das hat - von alttestamentlichen Fällen abgesehen - niemals zuvor eine Religion gemacht. Ebenso „reinigten“ die Almohaden und Almoraviden ihr Spanien nach dem Zusammenbruch des Kalifats 1031: Zehntausende Juden wie Christen mußten entweder konvertieren oder ins christliche Nordspanien oder in die Levante fliehen. Gewiß, englische und französische Könige und dann die Könige Spaniens selber taten später das gleiche; sie wandten dabei ein muslimisches Rezept an.
Und die Pogrome? Seit dem Kalifen Al-Mutawakkil (847 bis 861) schwappten immer wieder Verfolgungen über den Orient und Nordafrika, wobei Juden und Christen zwangsbekehrt, vertrieben oder massakriert wurden. Die ständige Zerstörung von Kirchen ging bis ins vorletzte Jahrhundert weiter. Allmählich zerlaufen auf dem verklärten Bild des muslimischen Spanien, welches der europäische Antiimperialismus im neunzehnten Jahrhundert geschaffen hat, die blumigen Farben. Sorgfältige Aufarbeitung der Dokumente bringen darunter ein anderes Bild zum Vorschein. Dort kam es 889 in Elvira und 891 in Sevilla zu umfassenden Pogromen gegen Christen. Im marokkanischen Fez wurden 1033 über 6000 Juden massakriert. 1058 wurde das christliche Antiochia unter Folter und Todesdrohungen muslimisch gemacht.
Das erste große Pogrom gegen Juden auf europäischem Boden fand 1066 im muslimischen Granada statt; dabei kamen 1500 jüdische Familien um. 1135 wurde das Judenviertel Córdobas niedergebrannt, die Zahl der Massakrierten nicht zu wissen mag heilsam sein. 1159 standen sämtliche Christen von Tunis vor der Wahl, zu konvertieren oder zu sterben. Um diese Zeit wurde das ehemals so vitale Christentum Nordafrikas vollends vernichtet. Die Pogrome im christlichen Herrschaftsgebiet sind kein Ruhmesblatt der europäischen Kultur; aber ihre Ausmaße bleiben zurück hinter jenen der islamischen Welt. Wir brauchen dringend eine vergleichende Geschichte religiöser Unterjochung.
Reden wir von Integration der Juden? Nirgendwo unter der Herrschaft des Islam, und auch nicht im spanischen Kalifat, waren Juden Bürger ihrer Stadt; sie blieben stets Unterworfene. In manchen deutschen Städten - Worms, Augsburg und anderen - des Hochmittelalters waren die Juden Stadtbürger besonderen Rechts, sie hatten das Recht, Waffen zu tragen, und waren bessergestellt als ärmere christliche Einwohner. Sie waren bis ins vierzehnte Jahrhundert, als sich ihre Situation verschlechterte, weit besser integriert, als die Juden im muslimischen Spanien es jemals sein konnten. Wer die politische Integration für die wichtigste hält, kann nicht umhin, Augsburg über Córdoba zu stellen. All das ist seit über fünfzehn Jahren wissenschaftlich bekannt. Aber wer will es hören?
Seine Vergangenheit nicht zu kennen heißt, sie wiederholen zu müssen. Wer weiterhin das Märchen von der islamischen Toleranz verbreitet, behindert jene muslimischen Intellektuellen, die ernsthaft an jener Reform des Islam arbeiten, die im neunzehnten Jahrhundert so erfolgversprechend begann. Denn er beraubt sie der Chance, eine Vergangenheit zu überwinden, die ansonsten zur abscheulichen Gegenwart zu werden droht. Gelänge es den Reformern, den Islam radikal zu entpolitisieren, dann könnten die Muslime zu wirklichen Bürgern in ihren Staaten werden. Übrig bliebe jene hochgradig spirituelle Religion, die nicht nur Goethe fasziniert hat: Hegel nannte den Islam die „Religion der Erhabenheit“. Dazu könnte er werden.
Text: F.A.Z., 16.09.2006, Nr. 216 / Seite 35
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Manchmal ist auch ein Blick ins Grundgesetz hilfreich:
Artikel 4
[Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit]
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
Da sollte ARIVA doch mal einige Beiträge überprüfen und gegebenenfalls sperren.
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Wir stehen hier derzeit im Standort Deutschland vor einem Konflikt, der human gar nicht mehr zu regeln ist.
Das Ende vom Lied, sieht leider sehr dunkel für uns alle hier aus....
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Terrorismus
Kein Zoll der USA werde ausgespart werden, heißt es in der jüngsten Drohung. In Amerika lebende Moslems werden aufgefordert, das Land sofort zu verlassen. Großsprecherei ist bei Terroristen üblich. Diese Warnung hat aber Gewicht - aus drei Gründen.
Von Torsten Krauel
Washington - Der Nachrichtenagentur AFP wurde Donnerstag ein Tonband zugespielt, auf welchem ein hoher Taliban-Funktionär die „göttliche Bestrafung Amerikas“ ankündigt, und zwar in der nächsten Zeit. Kein Zoll der USA werde ausgespart bleiben. Der Funktionär rief die in Amerika lebenden Moslems auf, das Land sofort zu verlassen.
Großsprecherei ist bei Terroristen üblich. Die Warnung aber hat aus drei Gründen Gewicht.
Erstens: Sie stammt von Massoum Afghani. Als die Taliban unter ihrem Chef Mullah Omar noch in Kabul regierten und Osama Bin Laden beherbergten, war Massoum ihr Botschafter in Pakistan. Es war der wichtigste Posten überhaupt, denn Pakistan war Ziehvater und Geldgeber der Taliban und ihr einziger Verbündeter. Massoum hat das unbedingte Vertrauen seines 2001 untergetauchten Chefs Mullah Omar.
Zweitens: Die Warnung enthält den Verweis auf ein historisches Ereignis, die Schlacht von Badr im Jahre 624. Sie erfolgt außerdem vor etlichen Jubiläen, die für al-Qaida Bedeutung haben. Al-Qaida legt Angriffe gern auf solche Tage.
Drittens: Seit einigen Monaten warnt al-Qaida die Christen Amerikas, zum Islam überzutreten. Auch das hat Bedeutung.
Weshalb könnte Massoum die Schlacht von Badr erwähnt haben? Sie war der erste Sieg Mohammeds auf dem Weg zur Eroberung Mekkas und ist ein Eckpunkt des Islam. Der Kampf war eher ein Scharmützel als eine Schlacht, 300 gegen tausend Mann. Gerade das macht die Erwähnung brisant.
Al-Qaida sieht sich als Vorhut Allahs
Mohammeds Schar bestand aus Versprengten, die sich für Allah zusammentaten. So sieht sich auch Al-Qaida. Bin Ladens Araber, die Ägypter seines Vize Ayman al-Sawahiri, sowie der aus Pakistan stammende Clan des Chefplaners des 11.September, Khaled Mohammed – sie alle legen gern nahe, eine neue Vorhut zu sein.
Der Kampf bei Badr fand am 17.Tag des Fastenmonats Ramadan statt. 2006 begann dieser Monat am 23.September. Sein 17.Tag ist also am Montag. Hat Massoum den Moslems fünf Tage Zeit gegeben, um aus den USA zu fliehen?
Vielleicht. Denn am Montag jährt sich nicht nur die Schlacht von Badr, sondern auch der Geburtstag des geistigen Ziehvaters al-Sawahiris. Das war der Ägypter Sajid Qutb. Der Ideologe, der als erster den islamischen Kampf gegen die westliche Moderne forderte, wäre am Montag 100 Jahre alt geworden, hätte Kairo ihn nicht vor 40 Jahren hingerichtet. Will Sawahiri den Märtyrer radikaler Moslems mit einem Angriff würdigen?
Vielleicht. Denn am Dienstag sind zwei weitere für al Qaida wichtige Daten. Am 10.Oktober 732 schlug Karl Martell die Araber bei Tours und Poitiers. Es war das Ende der islamischen Eroberung Europas. Zuvor fand am 10.Oktober 680 die Schlacht von Kerbala im Irak statt. In ihr unterlagen die Schiiten den sunnitischen Kalifen. Sie ist der Ursprung islamischer Spaltung.
Bin Laden verfolgt Islamisierung Europas als Ziel
Osama hat Europas Islamisierung zum Ziel erklärt. Sawahiri sagt oft, daß die Spaltung zwischen Schiiten und Sunniten tragisch sei. Moslems müssten geeint gegen Israel und die USA kämpfen. Osama verfluchte bis 2001 Schiiten als Ketzer. Sein Vize umwirbt sie und trägt dabei einen weißen Turban. Schwarze Turbane sind das Privileg der Nachfahren Mohammeds. Sawahiri nutzt einen schwarzen, wenn er sich an Sunniten wendet. Richtet er sich an Schiiten, trägt er einen weißen. Das entspricht einem evangelischen Pfarrer, der ein Papstbild aufstellt, wenn er von der Ökumene spricht.
Sawahiri meint es ernst mit der Einheit gegen den Westen. Am Gedenktag zweier getrennter Niederlagen – Sunniten gegen die Christen in Tours, Schiiten gegen die Kalifen in Kerbala – den gemeinsamen Feind Amerika anzugreifen: Könnte er das vorhaben?
Vielleicht. Denn am Dienstag jährt sich auch die dritte Invasion Ägyptens im Jahr 1168 durch den Kreuzfahrer-König Amalric. Der Feldzug scheiterte an der Uneinigkeit der Kreuzritter und der plumpen Diplomatie Amalrics. Er fällt mit dem Aufstieg Saladins zusammen, der die Kreuzritter vertrieb. Parallelen zum Irak und George W. Bush sind weit hergeholt. Aber gilt das auch für al-Qaida mit seiner historischen Obsession?
Am Donnerstag vor sechs Jahren schließlich attackierte al-Qaida den US-Zerstörer „Cole“ in Aden. Es war der erste offene Angriff auf die US-Streitkräfte, ein von al-Qaida gefeiertes Datum. Am Donnerstag vor sieben Jahren übernahm außerdem Pervez Musharraf in Pakistan die Macht. Al-Qaida hält ihn für den Prototyp des proamerikanischen Verräters. Wer nach historischen Daten sucht, findet für Donnerstag die Eroberung Babylons, des heutigen Bagdad, durch den Perserkönig Cyrus, 539 vor Christi. Er begründete Irans Größe.
Zu den Jubiläen kommen die Aufrufe al-Qaidas, zum Islam überzutreten, bevor es zu spät sei. Al Sawahiri sagte das im Januar. Am 7.Juli und am 2.September folgte der Amerikaner Adam Gadahn, ein Konvertit, der al-Qaida als Dolmetscher dient. Er wandte sich auf englisch an Amerika. Al Sawahiri empfahl in einem Vorwort, genau zuzuhören.
Aufrufe sind beunruhigend
Die Aufrufe sind beunruhigend. Denn nach dem 11.September 2001 lobten radikale Prediger zwar Osamas Angriffe. Sie sagten aber: Er hätte die Ungläubigen vorher warnen müssen. Der Koran schreibe vor, ihnen die Chance zur Reue zu bieten. Nur Verstockte dürften getötet werden. Beherzigt al-Qaida das jetzt? Redet Gadahn englisch, damit niemand sich herausreden kann, arabisch nicht zu verstehen? Und sollte das so sein – hätte al-Qaida die Mittel, Amerika militärisch dafür „zu bestrafen“?
Auch das ist denkbar. Der renommierte, Bush-kritische US-Autor Ron Suskind schreibt in einem neuen Buch: In Afghanistan fanden die USA Blaupausen eines Labors zur Herstellung des Anthrax-Virus. Experten sagen: Die Blaupausen zeigen ein Labor, das für Waffen geeignet wäre. Gefangene Terroristen wurden sofort hart verhört. Der Indonesier Hambali nannte ein Haus im afghanischen Kandahar. Dort stießen die Amerikaner auf Anthrax-Spuren.
2003 bat Washington die Saudis, in Riad ein Apartment zu stürmen. Man fand Pläne einer chemischen Bombe, nicht größer als eine Konservendose. Experten sagen: Sie funktioniert, ist technisch genial, und eine reicht für eine U-Bahn-Station. Man fand auch Fotos aus New York – Klimaanlagen in Hotels, Banken, Bahnhöfen, selbst Detailfotos von Drehtüren, die für Viren geeignet wären.
Bin Laden lud Atomexperten zum Grillabend ein
Einmal holte Bin Laden sogar Atomexperten zum Grillabend. Pakistans Geheimdienst hält das für eine Tatsache. Die Saudis glauben angeblich, al-Qaida habe bis zu zehn Bomben. Moskau soll bis zu 35 für möglich halten. Sie sind schwer zu zünden und verrotten rasch. Aber wenn al-Qaida Zugang zu Fachleuten hätte?
Solche Fragen machen Massoums Warnung unerfreulich. Terroristen verbreiten gern Angst. Eine Warnung abzutun kann zwar vernünftig wirken. Aber genau das haben manche im Sommer 2001 ja auch gedacht.
Artikel erschienen am 06.10.2006
WELT.de 1995 - 2006
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Nahost-Konflikt
Wenn Muslime von Muslimen massakriert werden, schaut niemand hin
Palästina steht mit einem Bein im Bürgerkrieg. Im Irak und in Darfur geht das Abschlachten weiter. Die Welt schaut zu und greift nicht ein. Getötete und unterdrückte Muslime haben keine Lobby, meint WELT.de-Autor Richard Herzinger.
Nach einer kurzen Unterbrechung durch Israels Offensive im Gazastreifen machen die Palästinenser dort weiter, wo sie aufgehört hatten - sie zerfleischen sich gegenseitig. Unter palästinensischer Selbstverwaltung herrscht in den Autonomiegebieten Chaos und Willkür. Die nationalistische Fatah von Präsident Abbas und die formell noch regierende radikalislamische Hamas befinden sich mit einem Bein im Bürgerkrieg. Eine der Fatah nahe stehende Terrorgruppe kündigte gar an, sie wolle den in Syrien residierenden Hamas-Chef Chaled Maschaal liquidieren. Bisher waren "gezielte Tötungen" von Hamas-Führern nur ein Spezialität des von beiden palästinensischen Fraktionen gehassten "zionistischen Feinds". Und welcher Aufschrei ging - nicht nur - durch die arabische und islamische Welt wegen dieser fragwürdigen Praxis der Israelis! Doch wenn Araber Araber töten, Muslime Muslime umbringen, scheint dies niemanden sonderlich aufzuregen.
Dabei werden unvergleichlich mehr arabische und muslimische Menschen von Arabern und Muslimen ermordet, verfolgt, gefoltert und gedemütigt als von Nicht-Arabern und Nicht-Muslimen. Beispiel Sudan: Dort lässt eine arabische Regierung die muslimisch-afrikanische Bevölkerung der Provinz Darfur massakrieren und vertreiben. Unter der Herrschaft des sudanesischen Diktators Omar-Hassan al-Bashir sind seit 1989 in kriegerischen Auseinandersetzungen an die zweieinhalb Millionen Menschen umgekommen. Jetzt blockiert das Regime mit chinesischer Rückendeckung die Entsendung einer handlungsfähigen UN-Friedenstruppe. Freilich haben auch Amerikaner und Europäer dem Völkermord lange genug untätig zugesehen. Schlimm genug, aber es ist bezeichnend, dass es in der arabischen Welt deshalb keinen Wutausbruch gab, und dass kein muslimisches Land Sondersitzungen der UN verlangt, um dieses Abschlachten von Muslimen zu verdammen.
Ein anderes Beispiel: Irak. Hoch schlugen weltweit die Wellen der Empörung, als Bilder von dem Misshandlungen und Erniedrigungen von Gefangenen durch US-Wchter in Abu Ghraib publik wurden. Doch heute wird, nunmehr unter irakischer Regie, in den Knästen Iraks gefoltert und gequält fast wie zu Zeiten Saddam Husseins. Das ist allerdings auch kein Ruhmesblatt für die USA, sind sie doch in den Irak einmarschiert, um solche Zustände unmöglich zu machen. Doch wo sind jetzt die arabischen Regierungen und muslimischen Organisationen sowie ihre westlichen Unterstützer, die aufbegehren, weil sie diese Demütigung von Muslimen nicht ertragen können?
Fast täglich werden in Bagdad Dutzende wehrloser Menschen willkürlich in die Luft gesprengt, erschossen oder zu Tode gequält. Die Mörder sind nicht nur islamistische Fundamentalisten, die angeblich die US-Besatzung bekämpfen, es sind auch sunnitische und schiitische Todesschwadrone, die unter Angehörigen der jeweils anderen Religionsgruppe Blutbäder anrichten. Doch Muslime, die von Muslimen ermordet werden, haben offenbar keine Lobby. Getötete und unterdrückte Muslime zählen für die Weltöffentlichkeit nicht, so lange man sie nicht als Opfer eines angeblichen "Kampfs der Kulturen" zwischen dem Westen und dem Islam verbuchen kann.
Unser Autor ist Redakteur der "Welt am Sonntag"
Artikel erschienen am 06.10.2006
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