"Was haltet ihr von der Aktie??"
Sehr Viel!
News - 11.11.05 12:14
Silizium - Das graue Gold
Kaum eine Branche wächst derzeit so stark wie die Solarindustrie. Allein im vergangenen Jahr stieg die Solarzellenproduktion weltweit um knapp 70 Prozent. Doch der für die Solarzellen so wichtige Rohstoff Silizium ist knapp, das gigantische Wachstum gefährdet.
Dank staatlicher Förderung neu errichteter Photovoltaikanlagen, einem hohen Ölpreis sowie dem steigenden Umweltbewusstsein der Verbraucher verzeichnen Solarzellenhersteller wie Q-Cells , Ersol oder Sunline ähnlich hohe Gewinne wie Internetunternehmen zu Zeiten des Dotcom-Booms. Allein Branchenvorreiter Solarworld steigerte seinen Aktienkurs seit Jahresbeginn um mehr als 250 Prozent.
Aber das immense Wachstum wird gebremst. Nicht nur, dass Analysten bereits vor einer Überbewertung der Aktien warnen. Auch die steigende Nachfrage nach Solaranlagen kann kaum mehr befriedigt werden.
Das Problem liegt in dem Rohstoff Silizium. Das Halbmetall wird zur Herstellung der einzelnen Solarzellen benötigt, aus denen die Solarmodule - die den elektrischen Strom erzeugen - bestehen.
Als Rohmaterial ist Silizium in rauen Mengen vorhanden: Das Metall ist in gebundener Form nichts anderes als der dunkelgraue, leicht metallische Quarzsand, der nach Sauerstoff das zweithäufigste Element der Erde ist. Doch für die Solarzellen wird reines Silizium benötigt. Dieses aus dem Quarzsand zu gewinnen, ist aufwändig und teuer.
Vier Siliziumhersteller kontrollieren den Markt
Weltweit gibt es deshalb auch nur eine Hand voll Unternehmen, die das kostbare Halbmetall herstellen: Der japanische Chemiekonzern Tokuyama , die US-Unternehmen Hemlock und Solar Grade Silicon sowie der deutsche Hersteller Wacker-Chemie kontrollieren zusammen rund 95 Prozent des Marktes.
Von den 7.000 Tonnen Silizium, die weltweit pro Jahr für die Photovoltaikbranche produziert werden, werden mehr als 20 Prozent in Deutschland hergestellt. Zusammen mit den zahlreichen hiesigen Solarzellenherstellern sorgte Wacker-Chemie bereits dafür, dass sich Deutschland zum größten Photovoltaik-Einzelmarkt der Welt etabliert hat.
Neue Konkurrenz braucht der Konzern dabei nicht zu fürchten, obwohl der Markt aufgrund der immensen Wachstumschancen für neue Anbieter sehr verlockend erscheint: Weltweit werden inzwischen rund 6,3 Mrd. Euro auf dem Photovoltaikmarkt umgesetzt. Doch die Investitionskosten sind immens hoch: Pro Kilogramm Silizium müsste ein junges Unternehmen nach Angaben von Wacker-Chemie etwa 70 bis 100 Euro investieren, um gegen die etablierten Hersteller bestehen zu können.
Nachfrage übersteigt das Angebot um ein Vielfaches
Dabei werden zusätzliche Produktionskapazitäten dringend benötigt. Wir könnten mindestens 20 Prozent mehr verkaufen, wenn wir mehr Solarmodule geliefert bekommen würden, sagte Gabriele Wismeth von dem Fürther Unternehmen Sunline FTD Online. Teilweise müssen wir unsere Kunden auf den nächsten Monat oder sogar das nächste Jahr vertrösten.
Auch Claus Beneking, Vorstandsvorsitzender des Erfurter Unternehmens Ersol, bestätigt den Engpass. Wir könnten mindestens das Doppelte unserer derzeitigen Produktionsmenge verkaufen, sagte Beneking FTD Online. Das Geschäft an sich sei kurzfristig jedoch nicht beeinträchtigt, sondern nur die Geschwindigkeit des Kapazitätsausbaus.
Auf der Suche nach Ersatzrohstoffen Mittlerweile ist der Siliziumverbrauch der Solarbranche fast so hoch wie der des Chipsektors, und er wird weiter steigen. Einer Studie der Schweizer Bank Sarasin zufolge wächst der Markt für Solarzellen in den kommenden 15 Jahren jährlich um durchschnittlich 20 Prozent.
Die erhöhte Nachfrage führte in den vergangenen Monaten bereits zu einer deutlichen Preissteigerung in dem Sektor. Für ein Kilogramm Silizium müssen inzwischen rund 50 $ bezahlt werden, Anfang 2004 waren es nur 25 $.
Da die Produktion von Siliziumsolarzellen so teuer ist, versuchen die Unternehmen auf andere Rohstoffe auszuweichen. Eine Alternative ist beispielsweise die Dünnschichttechnologie. Dabei werden die Zellen mit anderen Leitern wie Kadmium-Tellurid oder Kupfer-Indium-Selenid hergestellt.
Ein Vorteil dieses Verfahrens ist, dass die Zellen viel dünner sind und dadurch weniger Rohstoffmaterial benötigt wird. Die Produktion ist somit günstiger als mit Siliziumzellen. Die Technologie ist allerdings noch sehr jung und hat deshalb bisher nur einen Marktanteil von fünf Prozent erreicht.
Konzentratoranlagen benötigen permanente Lichtzufuhr
Auch Konzentratorsysteme mit Halbleitern wie Galliumarsenid sind eine denkbare Alternative. Dabei wird das Licht mit Hilfe von Linsen auf einer verhältnismäßig kleinen Solarzelle gebündelt. Aufgrund der geringen Größe der Zelle wird auch weniger Rohstoffmaterial benötigt, dafür ist dieses aber noch teurer als Silizium. Zudem brauchen die Zellen permanent direkte Sonneneinstrahlung und müssen somit ihre Position im Laufe des Tages ändern.
Als Ersatzrohstoff ist zudem halbleitendes Plastik im Gespräch. Zwar können die Solarzellen damit günstiger produziert werden, aber der Wirkungsgrad ist im Vergleich zu Siliziumsolarzellen noch äußerst gering, so dass er sich für die industrielle Produktion nicht eignet. Nur fünf Prozent des eintreffenden Sonnenlichts werden derzeit von der Plastiksolarzelle in Strom umgewandelt. Mit Silizium als Rohstoff liegt der Wirkungsgrad der Solarzelle dagegen zwischen 14 und 18 Prozent.
Wacker-Chemie geht deshalb davon aus, dass die Rohstoffalternativen erst in fünf bis sieben Jahren Marktreife erlangen werden. Wirtschaftlich gesehen rechnen sich die Siliziumalternativen noch nicht, sagte Sprecher Christof Bachmair FTD Online.
Siliziumgranulat zur besseren Weiterverarbeitung
So arbeiten die Siliziumhersteller weiter an einer Verbesserung des Produktionsverfahrens. Derzeit testet Wacker-Chemie das so genannte Wirbelschichtverfahren, bei dem das Silizium schneller und in kleinen Kügelchen statt in großen Brocken hergestellt wird. Die Solarindustrie kann diese Kügelchen effizienter weiterverarbeiten und dadurch Produktionskosten senken.
Natürlich versuchen auch die Solarzellenhersteller selbst, die Kosten zu beeinflussen. So wird bei Solarworld & Co. intensiv daran geforscht, zum einen dünnere Solarzellen zu produzieren und zum anderen den Wirkungsgrad der Zellen zu steigern. Dadurch könnte die benötigte Siliziummenge deutlich reduziert und die Produktion verbilligt werden.
Entspannung auf dem Siliziummarkt erst 2008
Um darüber hinaus die angebotene Siliziummenge zu erhöhen, investieren auch die Solarzellenhersteller vermehrt in die Produktion des Halbmetalls. Die steigenden Investitionen werden den Sarasin-Analysten zufolge jedoch voraussichtlich erst 2008 zu einer ersten Entspannung am Markt führen.
Die Unternehmen setzen deshalb zunächst auf langfristige Lieferverträge, um sich eine bestimmte Siliziummenge zu festen Konditionen zu sichern. So schloss der Bonner Hersteller Solarworld kürzlich Verträge mit Wacker-Chemie und Hemlock über Laufzeiten von zehn Jahren ab. Üblich waren bisher einjährige Laufzeiten.
Doch die Solarzellenhersteller glauben, dass Silizium weder kurz- noch mittelfristig durch einen anderen Rohstoff ersetzt werden kann. Auch die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg bestätigen in ihrer Photovoltaik-Studie 2005 diese Prognose. Die Experten gehen allerdings davon aus, dass die Bedeutung der Dünnschichttechnologie im nächsten Jahrzehnt zunehmen wird.
Quelle: Financial Times Deutschland |