Aus der FTD vom 26.1.2005 Mobilcom prüft Abzug Freenets von der Börse Von Kristina Spiller, Bonn
Der norddeutsche Telekomdienstleister Mobilcom erwägt den Kauf der restlichen Anteile an seiner Internettochter Freenet. Firmenchef Thorsten Grenz lote derzeit aus, ob eine Übernahme der Sparte die sinnvollste Alternative für Mobilcom ist und daher bald angegangen werden sollte.
Das erfuhr die FTD von informierter Seite. Freenet würde dann von der Börse genommen. Wie es hieß, habe der Aufsichtsrat Grenz dazu aufgefordert, einen solchen Schritt zu prüfen. Noch sei jedoch keine Entscheidung hierzu getroffen worden.
Eine Übernahme Freenets wäre für Mobilcom ein interessanter Weg, den angehäuften Steuerverlust gegen die hohen Gewinne der Tochter zu verrechnen. Derzeit belaufe sich Mobilcoms Verlustvortrag auf 3,2 Mrd. Euro, hieß es. Zudem würden beide Firmen zusammen eine Marktkapitalisierung von etwa 2 Mrd. Euro erreichen und hätten so bei einem recht hohen Streubesitz reichlich Masse für Übernahmen.
Freenet-Chef Eckhard Spoerr hatte jüngst die Firmen Strato und Talkline ID gekauft sowie bereits Mitte 2004 die Internetanbieter Arcor und Tiscali Deutschland als Übernahmekandidaten ins Spiel gebracht. "Mit uns hat Mobilcom noch nicht gesprochen", sagte Spoerr der FTD auf Anfrage. "Wir würden einem solchen Vorhaben aber konstruktiv gegenüber stehen. Ich sehe auch die Ratio hinter einer solchen Überlegung." Allerdings müsse sich bei einer solchen Transaktion die Ertrags- und Wachstumsstärke Freenets für die Minderheitsaktionäre des Hamburger Anbieters in dem Angebot widerspiegeln.
Verschmelzung durch Aktientausch denkbar
Während Mobilcom als Serviceprovider die Mobilfunkangebote der deutschen Netzbetreiber vermarktet und dabei nur wenig Wachstum und geringe Margen verzeichnet, arbeitet Freenet als Internetanbieter in einem zwar wettbewerbsintensiven, aber wachstumsstarken Feld. Mobilcom fährt mit seiner Freenet-Beteiligung von rund 50 Prozent den Großteil seines Betriebsgewinns ein. In den ersten neun Monaten 2004 trug Freenet drei Viertel des Gewinns bei.
Die ausstehenden Aktien des Hamburger Internetanbieters haben einen Marktwert von rund 450 Mio. Euro. "Bei der Debatte um den Verlustvortrag ist es die erste logische Folge, dass man sich Freenet anschaut, die machen schließlich Gewinn. Das wäre die naheliegendste Option", hieß es in gut informierten Kreisen. Skeptisch sei der Aufsichtsrat jedoch gewesen, ob Mobilcom soviel Geld ausgeben sollte.
Allerdings könnte das Büdelsdorfer Unternehmen die restlichen Freenet-Anteile auch im Aktientausch übernehmen, sagen Branchenkenner. Dabei wäre eine Verschmelzung beider Firmen nach dem Vorbild der Deutschen Telekom denkbar, die so ihre Internettochter T-Online reintegriert.
Hoher Steuereffekt möglich
Einen Prüfauftrag des Aufsichtsrats wollte der Mobilcom-Chef nicht kommentieren. Generell sagte er jedoch: "Wir haben derzeit keine Pläne, unsere Struktur zu ändern. Das heißt aber nicht, dass wir dies mittelfristig ausschließen."
Ende 2004 hatte Grenz bereits gesagt, er überlege, die auf Grund der Freenet-Zukäufe verwässerte Beteiligung an der Internettochter wieder auf die alte Höhe aufzustocken. Von 53 Prozent war sie auf den jetzigen Stand von 50,4 Prozent gesunken.
Durch eine komplette Übernahme Freenets würden die hohen Steuern, die die Mobilcom-Tochter derzeit zahlen muss, deutlich gedrückt. Wie es hieß, könne sich der Steuereffekt auf 300 bis 500 Mio. Euro belaufen. Zudem befindet sich der europäische Telekommarkt in der Konsolidierung. So sucht der britische Mobilfunkkonzern Vodafone für seine deutsche Festnetztochter Arcor seit langem einen Käufer. Und auch der italienische Internetanbieter Tiscali wird als Akquisitionskandidat gehandelt.
Das hohe Wachstumspotenzial im Internetgeschäft hat im Markt zu hartem Wettbewerb mit sehr aggressiven Preisen geführt. Größenwachstum ist für die Anbieter daher zurzeit besonders wichtig. Deswegen schauen sich mehrere Firmen wie Freenet nach geeigneten Zukäufen um. |