15. Juli 2003 Die Chancen für eine Belebung der Konjunktur in den Vereinigten Staaten haben sich in den zurückliegenden Wochen erheblich verbessert. Mit dem neuem Schwung könnte die Wirtschaft sogar noch eine reale Wachstumsrate von 2,5 bis 2,75 Prozent in diesem Jahr erreichen. Im Jahr 2004 sei ein Wachstum von 3,75 bis 4,75 Prozent möglich. Das hat der Chairman der Federal Reserve (Fed), Alan Greenspan, in seinem halbjährlichen Bericht zur Lage der Wirtschaft vor dem amerikanischen Kongreß gesagt.
Als Signal an die Finanzmärkte äußerte Greenspan zugleich die Einschätzung, daß die Notenbankzinsen noch für geraume Zeit auf dem niedrigen Niveau bleiben und sogar weiter gesenkt werden könnten. Ein die Wirtschaft lähmender Rückgang des allgemeinen Preisniveaus, die sogenannte Deflation, ist nach den Worten Greenspans gleichwohl "äußerst unwahrscheinlich".
Fest verankerte Inflationserwartungen
"Viele, allerdings nicht alle der ökonomischen Unsicherheiten, die von der Situation im Irak herrührten, sind überwunden. Das geringere Maß an Ungewißheit hat sich schon bei einer Reihe von Wirtschaftsindikatoren bemerkbar gemacht", sagte Greenspan und führte unter anderem die gestiegenen Aktienkurse und die verbesserten Finanzierungsbedingungen für Unternehmen an. Dies seien wichtige Voraussetzungen für den Aufschwung.
"Zusammen mit dem Impuls der Fiskalpolitik spricht vieles für eine Belebung des Wachstums in den kommenden Monaten", sagte Greenspan. Zeitpunkt und Kraft des Aufschwungs hingen freilich auch von der internationalen Entwicklung ab. Die Wachstumsschwäche in Japan und Europa - und dort vor allem in Deutschland - bezeichnete der Notenbanker als "besorgniserregend". Zu den weiteren Risiken für den Aufschwung zählte Greenspan einen weiteren Anstieg der Energiepreise, vor allem für Öl und Erdgas.
Eine Deflation sei angesichts der sehr expansiven Geld- und Fiskalpolitik und der "fest verankerten Inflationserwartungen" kaum zu befürchten. Sollte sich dies ändern, werde die Fed notfalls auch zu "unkonventionellen" Mitteln wie dem Kauf langlaufender Anleihen schreiten.
Neue Konjunkturdaten
Greenspans Optimismus wurde von neuen Konjunkturdaten untermauert: Die Einzelhandelsumsätze seien zwischen Mai und Juni um 0,5 Prozent gestiegen, teilte die Regierung mit. Ökonomen hatten mehrheitlich nur mit einem Anstieg von 0,4 Prozent gerechnet. Wie es hieß, ist vor allem der Absatz von Möbeln, Bekleidung und Baustoffen unerwartet stark gestiegen. "Eine weitere Belebung bei den Einzelhandelsumsätzen ist zu erwarten, wenn in den kommenden Wochen die Steuererleichterungen wirksam werden. Zu einer deutlicheren Verbesserung des privaten Konsums aber wird es erst kommen, wenn sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessert", kommentierte David Greenlaw von der Investmentbank Morgan Stanley die Daten.
Unterdessen hat das Weiße Haus angesichts des schwachen Aufschwungs sowie der hohen Kosten für den Krieg im Irak und der Steuersenkungen die Prognose für das Haushaltsdefizit im laufenden Jahr gegenüber Januar um rund 50 Prozent erhöht. Die Budgetfachleute der Regierung rechnen nun mit einem Etatdefizit von rund 450 Milliarden Dollar im Fiskaljahr 2003, das am 30. September endet. Das entspricht rund 4,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im vergangenen Jahr hatte das Defizit 157 Milliarden Dollar betragen.
In der neuen Prognose sind rund 42 Milliarden Dollar aus jenem Nachtragshaushalt enthalten, den der Kongreß zu Beginn des Kriegs im dem Irak im Frühjahr verabschiedet hatte. Der Nachtragshaushalt hat insgesamt ein Volumen von 79,2 Milliarden Dollar, sieht aber die Verwendung von etwas weniger als der Hälfte dieser Summe für das neue Haushaltsjahr vor.
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