URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,248766,00.html FDP-Parteitag Westerwelles Bußgang zur Basis
Von Alexander Neubacher Eine Woche vor der Wahl in Bremen stellt sich Guido Westerwelle seiner Partei. Beim Bundesparteitag in der Stadthalle der Hansestadt muss der FDP-Chef seinen Liberalen erklären, warum sie ihn trotz Wahlschlappen, Möllemann-Affäre und geplatzter "Projekt 18"-Träume erneut zu ihrem Vorsitzenden wählen sollen.  | | | "Ich bin auf dem Zahnfleisch gegangen": FDP-Parteichef Westerwelle |
| | Berlin/Bremen - Guido Westerwelle übt sich in der Rolle des Kleinmütigen. "Ich habe Fehler gemacht", gestand der FDP-Chef bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den vergangenen Tagen. "Ich bin auf dem Zahnfleisch gegangen." Und manchmal, ach je, habe er sich sogar gefragt, "warum ich mir das antue". Die Aussagen des Parteichefs sollen schon mal vorbereiten auf den am Freitag startenden Parteitag der Liberalen, auf dem die Vergangenheit mal wieder vergessen werden soll. Monatelang haben sich die Freidemokraten mit sich selbst und ihrem inzwischen verbannten Politstar Jürgen Möllemann beschäftigt. Ihr junger Chef ging derweil auf Tauchstation, hungerte sich acht Kilo von den Rippen und brauchte nach eigenem Bekunden "Zeit, um wieder zu sich selbst zu finden". So intensiv war die Selbstfindung des Vorzeige-Politikers, dass die FDP öffentlich kaum noch auftauchte. Drei Tage ohne wirkliches Programm Nun gilt es, den Freunden wieder Zuversicht und Selbstvertrauen einzuimpfen. Obwohl keine langwierigen Programmdebatten anstehen, ließ Westerwelle den Bremer Konvent zu einer dreitägigen Großveranstaltung aufblähen. "Es wird Kritik geben - auch an meiner Person", ahnt der Parteichef, und die Basis solle ausreichend Gelegenheit bekommen, ihr Herz auszuschütten. Tatsächlich dürfte Westerwelle nicht ungeschoren davonkommen. Allzu flott hat er nach Ansicht vieler Liberaler das enttäuschende Abschneiden bei der Bundestagswahl allein seinem damaligen Stellvertreter und Kumpanen Möllemann in die Schuhe geschoben. Schon damals murrten Freidemokraten wie Fraktionschef Wolfgang Gerhardt und Baden-Württembergs Landesvorsitzender Walter Döring im kleinen Kreis über ihren Parteichef, mussten sich mit öffentlicher Kritik jedoch zurückhalten, um diesen im Streit gegen Möllemann nicht noch zusätzlich zu schwächen. Und immer wieder Möllemann Auch nach Möllemanns Parteiaustritt lieferte Westerwelle Anlass zu Kritik. Mal prügelte er verbal auf die Gewerkschaften ein ("eine Plage für unser Land"), bis ihn Fraktionschef Gerhardt mit Hinweis auf die "historischen Verdienste" der Arbeitnehmerschaft zur Mäßigung rief. Mal verstieg er sich zu der Aussage, die Regierungserklärung Gerhard Schröders zur Reformagenda sei ihm "scheißegal" - dabei hatte Westerwelle selbst den Bundeskanzler zu einer solchen Rede aufgefordert. Um seine Wiederwahl zum Parteichef muss Westerwelle indes nicht fürchten - schon weil kein Gegenkandidat in Sicht ist. Zwar sehnt sich manch Liberaler nach Westerwelles Vorgänger Gerhardt zurück. Doch der hat Comeback-Pläne weit von sich gewiesen und liebäugelt stattdessen mit einer Kandidatur für das Europaparlament im kommenden Jahr. Auch Westerwelles Stellvertreter äußern keine weiter gehenden Ambitionen. "Personifizierte Inhaltsleere" Dem innerparteilich gestärkten Döring würde es reichen, wenn ihn der Parteitag dieses Mal nicht erst an dritter, sondern schon an zweiter Stelle zum Vize kürte - nach Rainer Brüderle aus Rheinland-Pfalz, aber vor Andreas Pinkwart aus Nordrhein-Westfalen. Denn der, so Döring, habe sich als Neuling gefälligst "hinten anzustellen". So dürften sich die etwa 600 stimmberechtigten Delegierten andere Kandidaten suchen, um ihrer Führung einen Denkzettel zu verpassen. Westerwelles Generalsekretärin Cornelia Pieper, nach Einschätzung eines Landesvorsitzenden die "personifizierte Inhaltsleere" der Freidemokraten, muss mit einem schlechten Wahlergebnis rechnen. Obwohl sie als Frau aus dem Osten gleichsam Artenschutz in der von Männern aus dem Westen beherrschten Partei genießt, rechnen Insider mit einer Zustimmung von allenfalls 65 Prozent. Hinrichtung Rexrodts soll verhindert werden Auf Stimmenverluste muss sich auch FDP-Schatzmeister Günter Rexrodt einrichten. Das von ihm eigens für den Bundestagswahlkampf gegründete Spendenbüro spülte unterm Strich nur 1,4 Millionen Euro in die Kasse - versprochen hatte Rexrodt hingegen neun Millionen Euro. Nun lastet auf der Wirtschaftspartei ein Schuldenberg von mindestens 15 Millionen Euro, weshalb sich Rexrodt gezwungen sieht, die Besserverdiener in den eigenen Reihen um eine freiwillige Sonderumlage anzugehen. Um eine Hinrichtung Rexrodts beim Parteitag zu verhindern, sieht sich Fraktionschef Gerhardt genötigt, diesem demonstrativ zur Seite zu springen. "Die Lage ist ernst, aber beherrschbar", lässt er der Basis ausrichten. So wäre schon viel gewonnen, wenn die "lieben Parteifreunde endlich alle damit anfingen, ihre Mitgliedsbeiträge satzungsgemäß und in voller Höhe zu überweisen".
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