Ver.di-Chef Bsirske feiert seinen Erfolg, Kanzler Schröder lobt den "gesunden Kompromiss" - aber die Vertreter der Kommunen reagieren verärgert bis verzweifelt auf die Tarifeinigung im Öffentlichen Dienst. Kämmerer kündigen drastischen Stellenabbau in Gemeinden und Städten an, Oppositions-Politiker sprechen von Erpressung. Für den Öffentlichen Dienst ist Hans-Olaf Henkel, Vize-Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), nun wirklich nicht zuständig. Trotzdem beeilte sich der Arbeitgeber-Funktionär, dem ZDF seine Meinung zum jüngsten Tarifkompromiss mitzuteilen.
Und es war Henkel, der unter allen Kritikern und Mahnern die deutlichsten Worte der Verdammung fand: Insgesamt werde "dieser Abschluss im Öffentlichen Dienst in Deutschland circa 100.000 Arbeitsplätze kosten", sagte Henkel - und damit liege er noch am unteren Spanne der Schätzungen.
"Erpressung der Gewerkschaft Ver.di"
Wie Henkel taten Spitzenpolitiker aus allen Parteien, Wirtschaftsexperten und Bürgermeister in Interviews kund, was sie vom Abschluss halten. CDU-Chefin Angela Merkel zeigte sich zwar erleichtert, dass ein Streik abwendet wurde, nannte den Preis dafür aber hoch. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte, die öffentliche Hand habe der "Erpressung der Gewerkschaft Ver.di nachgegeben". Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigte sich erfreut, dass es einen Kompromiss gegeben habe. Nun gebe es Planungssicherheit für die öffentlichen Haushalte, sagte Schröder.
Dramatisch klangen die Beurteilungen die Vertreter von Ländern und Gemeinden. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Gernot Mittler etwa drohte im Südwestrundfunk an, sein Land könne dem Beispiel Berlins folgen und aus den Arbeitgeberverbänden ausscheiden. Mittler sprach von einem Pyrrhussieg für die Gewerkschaft Ver.di: "Dies ist gewiss kein Beitrag zur Erhaltung von Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst".
Kommunen rufen nach Bundeshilfe
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte, die Kommunen müssten mehr Geld erhalten, um die steigenden Personalkosten zu zahlen. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Gerd Landsberg, sagte im Inforadio Berlin-Brandenburg, der Abschluss bedeute für die Kommunen im laufenden Jahr höhere Personalausgaben von knapp zwei Prozent. Der Bund müsse ihnen helfen, mit diesen Belastungen fertig zu werden, erklärte er, und schlug eine Senkung der Gewerbesteuerumlage vor, mit der die Gemeinden um 2,3 Milliarden Euro entlastet würden.
Auch der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper mischte sich unter die Kritiker aus dem Arbeitgeberlager. Er kündigte drastische Einschnitte an - und auch einen Personalabbau in der Stadtverwaltung. Vom Stadtparlament habe er wegen der leeren Kassen den klaren Auftrag, die Personalkosten in Magdeburg für die kommenden Jahre konstant zu halten. Um dieses Ziel nun erreichen zu können, müssten bis 2006 allein in seiner Stadt etwa 400 bis 500 Stellen abgebaut werden.
Ver.di rechnet mit Freude im Osten
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, sagte im Deutschlandradio Berlin, vor allem die ostdeutschen Länder seien unfair behandelt worden. Die Sockelbeträge seien linear zu stark angehoben worden; erst in den letzten anderthalb Tagen habe man über die Ost-West-Angleichung verhandelt, erklärte er. Der Magdeburger Finanzminister Karl-Heinz Paque sagte im MDR, mit der Vereinbarung sei "keine Rücksicht genommen worden" auf die "äußerst schwierige Finanzlage" auch in Sachsen-Anhalt.
Finanzministerium: Kosten von 2,5 Milliarden Euro allein 2003
Arbeitgeber und Gewerkschaften hatten sich nach einem Verhandlungsmarathon auf Tariferhöhungen um insgesamt 4,4 Prozent bis zum Mai 2004 geeinigt. Im Einzelnen sieht die Tarifeinigung vor, dass die Bezüge im Öffentlichen Dienst in diesem Jahr um 2,4 Prozent steigen, und zwar für die unteren Einkommensgruppen rückwirkend zum 1. Januar und für die höheren vom 1. April an. Am 1. Januar und am 1. Mai des Jahres 2004 soll jeweils ein weiteres Prozent hinzukommen. Zusätzlich erhalten die Beschäftigten zu Beginn der Tarifperiode eine Einmalzahlung von maximal 185 Euro im Westen und 166,50 Euro in Ostdeutschland sowie am Ende eine zweite Einmalzahlung über 50 Euro. Der Tarifvertrag endet nach 27 Monaten am 31. Januar 2005.
Als Gegenleistung wird die automatisch alle zwei Jahre erfolgende Steigerung der Bezüge einmalig halbiert. Außerdem fällt ein freier Tag weg. In Ostdeutschland werden die unteren Tarifgruppen bis 2007 an Westniveau angeglichen, die oberen folgen bis 2009.
Durch den Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst kommen nach Mitteilung des Bundesfinanzministeriums auf Bund, Länder und Gemeinden in diesem Jahr Kosten von 2,5 Milliarden Euro zu. Im nächsten Jahr beliefen sich diese Ausgaben auf 2,9 Milliarden Euro. Im Bundeshaushalt sei die Finanzierung der Mehraufwendungen von 220 Millionen Euro für 2003 gesichert. Für die Beamten seien noch keine Angaben möglich. (Quelle: spiegel.de) ================================== Wenn jetzt Entlassungen durchgeführt werden, würde ich als Begründung immer angeben, daß die Gewerkschaften schuld sind. Man müßte darüber den Leuten die AUgen öffnen....
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