WDH: HINTERGRUND: Fusionskarussell nimmt Fahrt auf - Commerzbank im Zentrum 19.12 2002
FRANKFURT (dpa-AFX) - Das Fusionskarussell in der deutschen und europäischen Bankenlandschaft nimmt wieder Fahrt auf. Hier zu Lande steht die Frankfurter Commerzbank AG erneut im Mittelpunkt der Spekulationen. Aber auch die Allianz-Tochter Dresdner Bank ist nach dem überraschend angekündigten Personalwechsel an der Spitze des Versicherungsriesen wieder in die Schlagzeilen gerückt.
In den vergangenen Wochen hatten schon Gerüchte über einen Zusammenschluss der Münchner HypoVereinsbank AG und der Commerzbank den Aktienkurs beider Häuser - zumindest zwischenzeitlich - beträchtlich in die Höhe getrieben. Nun goss Commerzbank-Chef Klaus-Peter Müller erneut Öl in das Feuer. Ein Zusammengehen mit der HypoVereinsbank sei nur ein vorbereitender Schritt für einen Zusammenschluss mit einem europäischen Partner, sagte er in einem Interview des Wall Street Journal Europe. ÄHNLICHE REDEWENDUNGEN
Allerdings schränkte er wiederholt ein, vor ernsten Gesprächen müssten beide Institute erst ihre internen Probleme lösen. Diese Redewendung wird auch in München gepflegt. Da die Commerzbank - wie alle Großbanken - mit erheblichen Ertragsproblemen, immensen Kreditrisiken und zu hohen Kosten kämpft, dürfte nach dieser Lesart in Kürze kaum eine neue Superbank in Deutschland entstehen. Erst 2004 erwartet Müller bessere Bilanzen.
In der deutschen Kreditwirtschaft, die sich angesichts der Pleitewelle, hohen Kreditausfällen sowie Überinvestitionen vor allem im IT-Sektor in der schwierigsten Lage seit 50 Jahren befindet, kommt der Konsolidierungsprozess nur langsam voran. Erinnert sei an die gescheiterten Fusionen zwischen Deutscher und Dresdner Bank sowie wenige Monate später zwischen Dresdner und Commerzbank im Jahre 2000. Die drei Säulen der Branche - Banken, Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken - stehen sich zudem feindlich gegenüber und ringen unvermindert hart um Marktanteile. JÜNGSTER PAUKENSCHLAG IN FRANKREICH
Im europäischen Umfeld vollzieht sich dagegen ein dramatischer Konzentrationsprozess. Der jüngste Paukenschlag kam aus Frankreich: Mit dem Zusammengehen der beiden Großbanken Credit Agricole und Credit Lyonnais SA entsteht ein Geldriese europäischer Dimension. Gemessen an der Bilanzsumme stünde dieses Institut auf Position 5 der größten Geldhäuser Europas - noch vor der HypoVereinsbank.
Ohnehin rangieren in den Top 10 nur noch zwei deutsche Häuser mit der Deutschen Bank an der Spitze. Unterdessen wird in Paris bereits darüber spekuliert, ob der Branchenführer BNP Paribas SA auch mit der Societe Generale SA zusammengehen könnte. Damit entstünde die größte europäische Bank. Auch in Italien und Spanien wurde bereits das Terrain durch Fusionen und Übernahmen neu geordnet. DEUTSCHE BANKEN IM INTERESSENSKONFLIKT
Hier zu Lande beobachtet die Branche den Konzentrationsprozess mit zunehmender Sorge. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern sei der Marktanteil der Top 5 in der Bundesrepublik am geringsten, mahnt der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Rolf-Ernst Breuer. Hohe Kosten und mangelnde Produktivität seien die Folgen. Dies berge die Gefahr, dass die Begehrlichkeit der großen Nachbarn auf den wichtigsten Bankenmarkt in Europa ständig wachse. Angesichts der widerstreitenden Interessen der drei Säulen im deutschen Kreditgewerbe ist aber keine gemeinsame Abwehrstrategie in Sicht.
Zu den Verlierern im Fusionspoker zählt bereits die Dresdner Bank. Die Eigenständigkeit unter dem Dach der Allianz geht zunehmend verloren. Mit dem Wechsel an der Spitze des Versicherungsriesen von Henning Schulte-Noelle auf seinen Vorstandskollegen Michael Diekmann im April dürfte sich dieser Prozess eher beschleunigen. GERÜCHT: DRESDNER BANK WIRD AUFGESPALTEN
Entweder wird die Bank - nach der Verarbeitung von Milliardenverlusten - wieder veräußert oder in zwei Teile aufgespalten, wird am Bankenplatz Frankfurt bereits kolportiert. Das Privatkundengeschäft sowie die Vermögensverwaltung könnte in die Versicherung integriert, das Geschäft mit Firmenkunden und Investmentbanking verkauft werden. Die große Tradition der 130 Jahre alten Großbank wäre damit endgültig besiegelt. --- Von Wolf Pampel, dpa --- Übersicht: Die 10 größten Kreditinstitute Europas ^ Rang Name Bilanzsumme 2001 Land
(in Mio Euro) 1. Deutsche Bank AG 918.222 Deutschland 2. UBS AG 829.723 Schweiz 3. BNP Paribas SA 825.296 Frankreich 4. HSBC Holdings Plc 772.115 Großbritannien 5. Credit Agricole vereinigt mit Credit Lyonnais 765.654 Frankreich 6. Bayerische HypoVereinsbank 728.170 Deutschland 7. ING Groep NV 705.119 Niederlande 8. Credit Suisse Group 676.937 Schweiz 9. ABN Amro Holding NV 597.400 Niederlande 10.The Royal Bank of Scotland 593.021 Großbritannien (Quelle: F.A.Z.)° /pa/DP/zb
|