Elf Milliarden Euro wecken Begehrlichkeiten
Eigenheimförderung: Viel Sand im Getriebe
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Düsseldorf (RP). An der Eigenheimzulage wird immer noch herumgedoktert. Die Koalition preist ihre Entwürfe als familienfreundlich und wirtschaftspolitisch richtig. Die Bestandsaufnahme zeigt: Kaum etwas davon trifft zu. Knapp elf Milliarden Euro sind alles andere als ein Pappenstiel. So viel ist im vergangenen Jahr an Eigenheimzulage geflossen. Ein dicker Batzen, der den öffentlichen Kassen so richtig weh tut. Dementsprechend ist die staatliche Förderung zum Erwerb von Wohneigentum auch ins Visier der Berliner Chef-Sparer geraten. Seitdem wird an der Zulage herumgedoktert. Und auch die neueste Version wird allerorten als familienfreundlich, sozial gerecht und wirtschaftspolitisch richtig gepriesen. Eine Bestandsaufnahme zeigt: Kaum was davon stimmt in dieser Form. Berlins Behauptungen:
Behauptung 1: Die neue Förderpraxis ist familienfreundlich.
Was versteht Rot-Grün unter Familienfreundlichkeit? Fast alle Familien in Deutschland, die neu bauen wollen, stehen nach der wahrscheinlichen neuen Praxis schlechter da als vorher - es sei denn, sie haben mindestens acht Kinder. Warum dies so ist? Die Grundförderung pro Jahr soll - egal ob Neubau oder Altbau - von 2500 auf 500 Euro gesenkt werden. Macht 2000 Euro Unterschied. Wenn gleichzeitig die Förderung pro Kind von 750 auf 1000 angehoben wird (zuvor waren immerhin noch 1200 Euro in der Diskussion), macht dies 250 Euro mehr pro Kind.
Um 2000 Euro Verlust aufzufangen, braucht man also acht Kinder. Und auch bei der Altbauförderung muss man mindestens drei haben, um nicht schlechter abzuschneiden als vorher. Was daran familienfreundlich sein soll, bleibt ein rot-grünes Rätsel. Zumal auch an der Kinderkomponente (der Betrag, den man pro Kind zusätzlich über der Einkommensgrenze verdienen darf) noch Abzüge drohen.
Behauptung 2: Die Einsparungen sind wirtschaftspolitisch von Vorteil.
Fast alle Experten sind sich einig, dass unter dem Strich durch die Veränderung der Eigenheimzulage mehr verloren geht als gewonnen wird. Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer erwartet, dass 100 000 Häuser weniger wegen der Änderungspläne gebaut werden. Damit würden zwar 2,1 Milliarden Euro weniger an Eigenheimzulage ausgezahlt, aber einschließlich Mehrwert- und Lohnsteuer sowie Sozialversicherungen 8,7 Milliarden Euro weniger in die Kasse kommen. Und selbst wenn man diese Rechnung als Lobbyisten-Meinung abtäte, könnte man sich den Zahlen des renommierten Wirtschaftsforschungsinstituts RWI (Essen) nur schwer verschließen. Das RWI sieht schon bei 20 000 Neubauten weniger etwa 3,3 Milliarden Euro Bauvolumen schwinden. Daran hingen insgesamt 7,5 Milliarden Euro Nachfrageverlust und der Abbau von 90 000 Stellen mit den entsprechenden Aufwendungen im Arbeitslosenbereich.
Behauptung 3: Die neue Förderpraxis trägt dazu bei, Zersiedelung und Stadtflucht zu bekämpfen.
Falsch. Erstens sind schon heute wieder jene, die es sich leisten können, vielfach auf dem Rückweg in die Stadt, wie Statistiken der Landesbausparkassen zeigen. Und es wären womöglich noch mehr, wenn mehr Kommunen günstiges Bauland in Innenstadtnähe ausweisen würden. Das passiert noch viel zu selten und wird von vielen Seiten beklagt. Und in den Städten fehlt oft bezahlbarer Wohnraum für größere Familien.
Behauptung 4: In konjunkturell schweren Zeiten müssen alle Bereiche auf den Prüfstand. Mitnahmeffekte einkommenstarker Haushalte müssen verhindert werden.
So kann man argumentieren. Aber: Dass beispielsweise in NRW viele einkommenstarke Haushalte die Eigenheimzulage beantragt haben, liegt auch daran, dass sie sich das Bauen generell leichter leisten können. Was jetzt an Kürzungen droht, treffe so manche Familie mit Kindern härter, sagen Fachleute. Trifft das Sparen im Einzelfall die Falschen - jene, die vom Wegfall der Mitnahmeeffekte profitieren sollten?
Am 20.November soll die Eigenheimzulage im Kabinett verabschiedet werden. Bis dahin werden die Gegner kämpfen. Die Furcht: Jene, die auf Besserung hoffen, hätten ihre Hoffnung in den Sand gesetzt. Wie die Regierung die Reform der Eigenheimzulage, sagen Spötter.
Georg Winters
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