Sozial bedeutet, daß einer in die Tasche eines anderen greift. Das geschieht natürlich nicht direkt, sondern unter Zwischenschaltung der öffentlichen Hand. Bei sozial schwingt zudem immer eine Mitleids- und/oder Armutskomponente mit. Man ist auch nicht einfach benachteiligt, sondern sozial benachteiligt. Der dann folgende Ausgleich ist natürlich im Grundsatz in Ordnung. Das Schöne ist nur, daß man sozial fast beliebig gebrauchen kann. Sozial ist kein Wort, sondern ein Begriff. Kaffeemaschine ist ein Wort, man weiß einigermaßen, was man sich darunter vorstellen kann (es gibt natürlich Grenzbereiche, wie diese neuartigen schnellen Brüter, die auch Espresso und Cappuccino zubereiten). Ein Begriff ist etwas, das man begreifen muß. Damit ist nicht Begreifen im Sinne von betatschen gemeint. Dies würde bei einer Kaffeemaschine gehen, aber eben nicht bei einem Begriff. Einen Begriff muß man abstrakt begreifen. Am schönsten ist es, wenn die dafür erforderlichen Kriterien und Wertvorstellungen im Dunkeln bleiben können, weil alle so tun, als wüßten sie, was gemeint ist. Dies gilt für den Begriff sozial im starken Maße. Erleichtert wird dieses durch allgemein verpönte Gegenbegriffe, hier der Begriff unsozial. Wer möchte schon als unsozial gelten? Man befindet sich dann allerdings schell in einem Stadium, wo man kein Wort und keinen Begriff mehr hat, sondern nur noch ein Geräusch. Sozial klingt aber sehr schön. Also keine falsche Scheu vor der Verwendung, wenn es darum geht, das eigene Portemonnaie zu füllen oder zu schonen. In einer Steuerdiskussion wird es allerdings dann gefährlich, wenn der Begriff sozial gegen das eigene Portemonnaie gerichtet wird. Es empfiehlt sich daher, den Begriff als erster zu verwenden und an der eigenen Position festzumachen. Das Gegenüber spürt - zumindest unbewußt - daß es Gefahr läuft, unsozial zu erscheinen, wenn es auf dieser Schiene nach Gegenargumenten ringt. |