Diese Frage beschäftigt mich seit langem.
Dummheit ist das Gegenteil von Intelligenz.
Diese ist nach einer Definition von William Stern: "Die Fähigkeit des Verstandes, sich auf neue Bedingungen ein- und umstellen zu können." Demnach ist Dummheit geistige Schwerfälligkeit. Für die Intelligenz lassen sich darum folgende Primärfähigkeiten isolieren:
Sprachbeherrschung, Wortflüssigkeit, Rechenfähigkeit, Raumvorstellung, Gedächtnis, Wahrnehmungsgeschwindigkeit und schlussfolgerndes Denken. Die Diskussion über die Frage, welche Intelligenz-Anteile angeboren bzw erworben sind, hat bisher zu keinem abschliessenden Ergebnis geführt. Dennoch; wer mit Menschen in den unterschiedlichen Gruppierungen arbeitet, wird schnell zu einem sensationellen Urteil kommen, nämlich 80% der Menschheit ist von dem Virus der Dummheit befallen (es könnten aber auch mehr sein). Leider besteht für den verbleibenden Rest ständig die Gefahr, sich mit diesem Virus zu infizieren. Dabei kann auf kein Medikament zurückgegriffen werden, um diese Krankheit zu besiegen. Ich werde in diesem Aufsatz gleich einige Beispiele geben, die das belegen können.
Auf die Frage an Strassenpassanten, wer Luther gewesen sei, wurden unter anderem Folgende Antworten gegeben: "er war ein Vorbereiter, ehe Christus kam", "er hat die katholische Kirche gegründet", und sogar "er hat das Schiesspulver erfunden". Auf die Frage: Wer war Bismarck? konnten nur wenige richtige Antworten gegeben werden. Einige dachten auch es wäre ein Hering!
Früher gab man sehr viel auf die Messung des sogenannten "Intelligenzquotienten".
Mit geeichten Tests konnte man die Intelligenz (angeblich) zahlenmässig erfassen. Im Ergebnis wurde folgendes festgehalten: Wer alle Fragen seiner Altersstufe gut lösen konnte, hatte einen IQ von 100; begabte und hochbegabte Kinder lösen auch Fragen höherer Altersstufen, woraus sich ein Quotient von über 100 ergibt. Dumme Kinder jedoch bleiben hinter ihrem Alter zurück Der IQ von 90 oder 80 nähert sich dem Schwachsinn an. Aber man zweifelt heute, ob die scheinbar exakte IQ-Messung wirklich zuverlässig ist.
Dummheit liegt vor, wenn mittlere Lebens- und Intelligenzaufgaben nicht bewältigt werden können. Wichtig ist, dass man beide Sphären im Auge behält; nicht nur die Schule zB stellt Probleme, sondern auch die soziale Wirklichkeit. Dazu später mehr.
Besonders die Tiefenpsychologie hat uns bewusst gemacht, dass Dummheit lernbar ist. Auch das kann zu Erklärungen der beobachteten Tatsache herangezogen werden, dass der IQ von Eltern und Kindern nicht selten ziemlich ähnlich ist. Und so ist es nur schwer möglich, dass dumme Eltern intelligente Kinder hervorbringen, geschweige denn welche erziehen können. Wenn dieses Postulat so stimmt, ist wie oben schon beschrieben, besondere Vorsicht mit dem "Virus der Dummheit" geboten.
Wenn also der IQ von Eltern auch nur im unteren Drittel zu finden ist, kann es nicht nur an der mysteriösen und schwer fassbaren Vererbung liegen, wenn man solche Übereinstimmungen zwischen Familienangehörigen entdeckt. Wie kommt es aber, dass die Dummheit zunimmt?
Nun es ist eine alte Erfahrung, dass die Einschränkung der Kinderzahl von den intellektuell höchststehenden Familien ausgegangen ist; dass auch noch der begabtere Teil der Bevölkerung der es zu Selbständigkeit, Geld und Macht gebracht hat, die Nachkommenschaft klein hält, um jedem einzelnen der Kinder möglichst viel an Geist und Gütern beizubringen, bzw übertragen zu können. Da bei drei Kindern die sogenannte Mark nur noch ein Drittel wert ist, hat dies einen ökonomischen Sinn. Und ökonomische Rücksichten haben sich immer als ausserordentlich wirkungsvoll erwiesen.
Besonders ungünstig für die Gesamt-Zusammensetzung einer Bevölkerung ist die Tatsache, dass die unterste Schicht jeder sozialen Gemeinschaft besonders hemmungslos Kinder in die Welt setzt.
So wirken ungehindert Fortpflanzung der intellektuell Minderbegabten einerseits, bewusste Beschränkung der Kinderzahl der Hochbegabten und der bildungsmässige Abstieg der sogenannten Elite andererseits in der gleichen Richtung auf die weitere Verdummung nicht nur der europäischen, sondern auch der übrigen Völker der Welt, soweit sie (und das tun fast alle) die europäisch-amerikanische Zivilisationsaperatur als Idealbild vor Augen haben.
An dieser Stelle können Dinge nur berichtet werden; die Schlussfolgerungen aus ihnen zu ziehen, muss intelligenten Menschen überlasen werden, falls sie sich in politischen Schlüsselstellungen befinden sollten, und solange es sie noch gibt. Leider hat sich auch die Politik im besonderen Masse an der Volksverdummung beteiligt, eine Abkehr scheint mir nicht in Sicht.
Kommen wir wieder zum Thema zurück.
Familien haben eben nicht nur einen Lebensstil, sondern auch einen Denkstil. Dazu gehört auch meistens ein gewisser geistiger Horizont, der in der Familiengruppe heimisch ist. Wer innerhalb dessen aufwächst, wird im Hinblick auf Intelligenz und Dummheit merklich geprägt.
Mit dieser Prägung bringt der Mensch weitere dumme Menschen hervor. Die Infektion hat also übergegriffen. Dabei will ich nicht bestreiten, dass dumme Menschen oft "Glücklicher" sind. Sie machen sich über die "übrige" Welt und seine gierige Gesellschaft kaum oder keine Gedanken (oder sogar lustig). Warum sollten sie auch. Für sie ist diese Welt so in Ordnung. Sie versuchen sich "Ihre Welt" so zu gestalten, wie sie es von anderen Dummen gesehen und erlebt haben. Oft unter der Prämisse der Kriminalisierung.
Ist es also ein Fluch Intelligent zu sein?
Natürlich, und das soll an dieser Stelle besonders vermerkt werden, wurden und werden grosse (Kapital) - Verbrechen nicht nur von Dummköpfen inszeniert. Es würde das Thema sprengen an dieser Stelle über Dumme und Intelligente Verbrechen zu Diskutieren. Jedes Verbrechen gleich welcher Art ist eine "Dummheit". Damit möchte ich diesen Exkurs verlassen.
Es gibt aber noch andere Faktoren, die beleuchtet werden müssen.
Viele Kinder und Jugendliche leiden unter Neurosen. Sie sind oft die Quelle von Lernstörungen und Denkhemmungen. Freud sprach von der strahlenden Intelligenz des vorschulpflichtigen Kindes und wundert sich darüber, wie rasch diese durch geistige Stumpfheit ersetzt wird. Er machte hierfür die repressive Erziehung verantwortlich und die Einpflanzung der autoritären Erziehung, sexuellen und religiösen Denkblokaden. Da alle Kulturmenschen diese Denktabus verinnerlichen, sind sie in wichtigen Lebenslagen nicht besonders klug. Wo massive Hemmungen und besonders Verdrängungen bestehen, wirkt auch die Angst auf den Menschen ein. Diese ist ungefähr zu vergleichen "mit einem Schlag auf den Kopf". Daher kann ein verängstigtes Kind zB weder gut hören noch gut sehen und schon gar nicht gut denken.
Psychologisch wäre aber auch die Frage zu klären: nach dem Woher und dem Warum der Dummheit, sondern auch nach ihrem Wozu. Das Kind kann nämlich die Dummheit als eine sehr wirksame Waffe gegen seine Erziehenden einsetzen. Wenn trotzige Kinder spüren, dass den Eltern viel an ihrer Intelligenzleistung liegt, dann können sie diese empfindlich treffen, sobald sie sich darin verweigern. Auch erzwingt das neurotisch dumme Kind viel Zuwendung, die es vielleicht nicht erhielte, wenn es normal funktionieren würde. Daher ist stets die Gesamtsituation des Betroffenen in Betracht zu ziehen, wenn man Dummheit begreifen will.
Sodann ist Dummheit ein sicheres Zeichen für Mutlosigkeit und geringes soziales Training. Aber wer soll das Kind den trainieren? Wer soll es für diese gierige Gesellschaft "fit" machen? Wer ein ganzes Leben Mutlos war kann auch nur Mutlose Kinder hervorbringen. Alle komplizierten Lebensaufgaben erfordern Geduld, Zuversicht und Übung. Hat man diese Faktoren einem Kind nicht einpflanzen können, dann ist die Forderung nach Intelligenzleistungen von vornherein zum Scheitern bestimmt. Geduld, Zuversicht und Übung setzen aber Intelligenz voraus; wie kann und soll ich etwas weitergeben was ich selber nicht habe, auch nie besitzen werden. Ich kann ein Gefäss von einem Liter nicht mit zwei Liter auffüllen.
Anders ist es bei Intelligenten Eltern, sie könnten alles weitergeben. Leider haben wir hier einen anderen Gegner vor uns; die "Gigantomanie". Beide Eltern (müssen/ wollen) arbeiten, wollen mehr als ihre Eltern hatten, mehr als der Nachbar je haben wird, mehr als Freunde und Verwandte haben können. Alles muss besser, schöner, grösser, und strahlender sein. Aber dass was ihnen am nächsten stehen müsste, was grösser, strahlender und besser sein sollte, verkümmert; das eigene Kind. Das ist der Preis den die "anderen" Eltern bezahlen.
Ein weiterer Fehlschlag der kindlichen Entwicklung, und somit der zukünftigen Gesellschaft ist die Faulheit. Sie ist gewissermassen die Schwester der Dummheit. Wo beide Schwestern in Erscheinung treten, ist die Sozialisierung des Kindes beinahe aussichtslos. Oft wird die Faulheit als konstitutionsbedingte Eigenschaft angesehen. Das ist vermutlich ein grosser Irrtum. Gewiss ist der Aktivitätsgrad bei jedem Kind unterschiedlich, und hier könnte man durchaus eine biologisch gegebene Komponente anerkennen. Jedenfalls beobachtet man schon bei Säuglingen sehr verschiedene Lebhaftigkeitsgrade. Auch bei Kindern derselben Familie können Eltern bestätigen, dass "Von Anfang an" sehr differente Formen von Wachheit, Aufmerksamkeit und Lebhaftigkeit an den Tag gelegt wurden.
Aber aktives oder eher passives Temperament ist noch kein Schlüssel zum Faulheitsproblem. Auch ruhige und in sich gekehrte Kinder können unter günstigen Bedingungen viel Aktivität entwickeln. Wirkliche Trägheit des Kindes ist meistens neurotischer Art; sie entsteht, wie die anderen Symptome, als "Antwort" auf ungünstige frühe Entfaltungsmöglichkeiten/ Bedingungen.
Wo das Kind durch verwöhnende, harte, lieblose und/oder strenge Erziehung in seinen Wachstumsimpulsen blockiert wird, fehlt ihm die Energie, sich mit dem Leben auseinanderzusetzen. Es erträumt sich dann viel für seine Zukunft, ist aber nicht fähig und vor allem bereit, auf dieses Traumziel hinzuarbeiten. Es erwartet von der Gesellschaft, dass diese mehr oder weniger alle seine Wünsche erfüllt.
Wir sollten also auch das faule Kind als ein Opfer einer falschen Erziehung sehen.
Diese Eigenschaft ist ebenso reaktiv wie die oben beschriebene Dummheit. Oft spürt das Kind, dass die Eltern sehnlichst seinen Fleiss durch Belohnung realisieren würden. Hier werden dann Versprechen gemacht wie: wenn Du schön fleissig bist haben Mama und Papa dich sehr lieb, und sind Stolz auf Dich. Oder es gibt Geld und andere Geschenke. Das nenne ich eine prostituierte Liebe. Mit wahrer Elternliebe hat das nichts aber auch gar nichts zu tun. Die Frage ist hier: wer benutzt wen?
Überschätzt wird aber doch meistens die Möglichkeit, die in der Erziehung der Kinder ruht. Und das ist kein Widerspruch zum oben gesagten. Guterzogene Kinder sind im Grunde gutgeartete Kinder. Das Wesentliche, was etwa die Familie einem Kind auf den Lebensweg mitgeben kann, sind nicht die Ermahnungen und Verbote, sondern es ist das Vorbild eines familiären Zusammenlebens, das Elternbild, wie es sich ihm nach der positiven oder negativen Seite zeigt, und die Gesamthaltung des Kreises, in dem das Kind aufwächst.
Aber wo finden wir denn noch wirkliche Vorbilder auf dieser Welt?
Wenn aber schwere Psychische oder kriminelle Haltlosigkeit einem unglücklichen Kinde innewohnt, so kommt es gerade dann, wenn es in einer sogenannten ordentlichen Familie aufwächst, zu schweren Konflikten, die das Lebensglück einer ganzen Familie trotz aller angewandten Erziehungsmethoden auf das schwerste gefährdet. Wenn aber bereits der Trotz im Seelenleben eines Kindes Fuss gefasst hat, dann müssen diese elterlichen Vorstellungen durchkreuzt werden. Dass das trotzige Kind sich selbst dabei unermesslich schadet, wird ihm anlässlich seines Kampfes gegen jegliche Autorität nicht klar. Wie so oft, ist im Presdigedenken des Neurotikers das eigene Leid eine Art "Kriegskosten", die man in Kauf nimmt.
Auch das faule Kind strebt Macht und Grösse, Selbstherrlichkeit und Einflussnahme auf andere an. Es traut sich aber eine direkte bzw sozial-kulturelle Verwirklichung dieses Fernziels nicht zu. Daher greift es auf eine scheinbar leichteren Methode zurück; der kleine faule Mensch geniesst das Machtgefühl, dass Eltern, Lehrer und Umwelt an ihm scheitern.
Aber man sollte diese Deutungsweise nicht überstrapazieren. Am Anfang dieser negativen Zielsetzung steht ein reales Nichtkönnen, d.h. ein Defizit an Training und Anleitung zur Überwindung von Schwierigkeiten. Das Kind fühlt sich den Aufgaben des Lebens nicht gewachsen. Das erzeugt ein schmerzliches Minderwertigkeitsgefühl. Nun ist es ein alter Trick, ein Nichtkönnen in ein Nichtwollen zu verwandeln. Dabei fühlt man sich als Subjekt als Herr der Lage, was aber ein Selbstbetrug ist. Der Faulpelz sagt sich: "Ich will ja gar nicht, was die anderen wollen!" Gelangt er aber soweit, einzusehen, dass er im Grunde nicht kann, dann ist der Weg für eine innere und äussere Umstellung frei.
Die Heilung des Faulseins ist keine kleine heilpädagogische Aufgabe. Das Kind muss ermutigt und zur Mitarbeit gewonnen werden. Fleiss ist eine Eigenschaft, die auf dem Boden des Gemeinschaftsgefühls und der Selbstachtung wächst. Das faule Kind ist unter der Ungunst ungeschickter Erziehung in eine Parasitenexistenz hineingeraten. Den die Faulheit ist ein Appell an die anderen, uns die Mühe des Daseins abzunehmen. Sie müssen dann doppelte Arbeit leisten, damit der träge Mensch florieren kann.
Das Problem der Dummheit löst sich in mehrere, unendlich viele Einzelprobleme auf. Diese kurze Beschreibung kann bei weitem nicht alles erfassen, was die Dummheit auf dieser Welt verbogen hat. Es ist das Problem der Intelligenz überhaupt, und zwar nicht nur der mehr oder weniger hochgradigen Intelligenz, sondern auch der Nichtanwendung vorhandener Einsicht im Einzelfalle.
Berücksichtigt man das Gesagte, so ergibt sich als Thema nicht "die" Dummheit, sondern eine Vielfalt der Einfalt, um es einmal pointiert auszudrücken - mit anderen Worten: das dumme Verhalten beim Menschen hat mannigfache Ursachen, denen nachzuspüren konnte hier nur angedeutet werden.
Einen schönen Abend noch: Jan v. Nelle |