E-Mail-Kunden werden überwacht - und bezahlen dafür
Ein neues Gesetz verlangt die Speicherung aller Schweizer E-Mails - das kostet Millionen und ritzt den Datenschutz
VON ANDREA BLEICHER UND CLAUDIA IMFELD Bern - Künftig werden alle E-Mails, die in der Schweiz hin- und hergeschickt werden, registriert. Die Informationen über Absender, Empfänger, Datum und Sendezeit werden sechs Monate lang gespeichert. Betroffen von der Aktion sind sämtliche Schweizer Internetprovider. Sie sollen die E-Mail-Daten ihrer Kunden sammeln und dem Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) bei Bedarf zur Verfügung stellen. So verlangt es das Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, das seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist. Nur: Was eigentlich Kriminellen, die ihre Verbrechen mit Hilfe des Internets planen, das Handwerk legen soll, tangiert vor allem unbescholtene E-Mail-Benutzer. Diese Pauschalüberwachung stösst auf Kritik: «Die Daten werden gesammelt, ohne dass ein konkreter Verdacht für eine Straftat vorliegt», sagt Bruno Baeriswyl, Datenschutzbeauftragter des Kantons Zürich. «Wer garantiert, dass sie nach sechs Monaten wirklich gelöscht werden?» Auch die Provider, die vor kurzem über die Details der Massnahmen informiert wurden, zeigen sich wenig begeistert. Um die Auflagen des Bundes wie gefordert bis März 2003 zu erfüllen, müssen sie tief ins Portemonnaie greifen - die Zeche zahlen die Kunden, denn auf diese werden die Kosten am Schluss abgewälzt.
Ein kleiner Provider rechnet mit Kosten bis 100 000 Franken
So muss der zweitgrösste Schweizer Telekommunikationsunternehmer Sunrise etwa eine Million Franken in die Umrüstung investieren. «Wir hoffen, einen Teil der Ausgaben durch die Suchaufträge des Bundes wieder reinzuholen», sagt René Burgener, Leiter Internet und E-Business bei Sunrise. Für das rückwirkende Durchforsten des E-Mail-Verkehrs bekommen die Provider 750 Franken pro Auftrag. Burgener geht davon aus, dass die Aufträge der zuständigen Bundesstelle, dem Dienst für Besondere Aufgaben (DBA) im Uvek, zunehmen. «Bereits heute befassen sich drei unserer Mitarbeiter ausschliesslich mit Suchaufträgen», sagt der Leiter Internet. Pro Woche bearbeiten sie etwa acht Fälle. Die kleineren Provider erhalten nur selten Anfragen - investieren müssen sie trotzdem. Beim Zürcher Internetprovider Dolphins Network Systems zeigt man sich konsterniert: «Im schlimmsten Fall brauchen wir eine völlig neue Infrastruktur», sagt Matthias Cramer. Er rechnet mit Kosten von 50 000 bis 100 000 Franken. Dass er diese nicht den Kunden weiterverrechnen muss, mag er nur «hoffen». Die Kunden müssen nicht nur mit höheren Preisen rechnen - sie sollen über die präventive Speicherung ihres E-Mail-Verkehrs auch nicht informiert werden. Weder Internetanbieter noch das Uvek haben vor, die Nutzer zu benachrichtigen. Die Provider verweisen auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen, die zum Teil entsprechende Hinweise enthalten, der Bund schiebt das Gesetz vor, das jeder einsehen kann. Wie effizient die Überwachungsmassnahmen tatsächlich sind, ist fraglich. René Burgener von Sunrise: «Hier wird eindeutig am Ziel vorbeigeschossen. Die meisten kriminellen Internetbenützer wissen, wie sie die Kontrollen leicht umgehen können: zum Beispiel mit einem Konto bei hotmail oder gmx, deren Server nicht in der Schweiz stehen.»
Selbst der gesamte Inhalt eines Mails kann überwacht werden
Beim Uvek ist man trotz aller Kritik von den neuen Registrierungsmöglichkeiten überzeugt. Über 20 Mitarbeiter befassen sich im Dienst für Besondere Aufgaben mit den Anfragen der Strafuntersuchungsbehörden, die für ihre Fälle E-Mail-Daten verdächtiger Personen wollen. Der DBA entscheidet auch, ob eine Überwachung des gesamten Mailverkehrs einer verdächtigen Person - inklusive des Inhalts der Mails - durchgeführt wird. |