zwar nur kopiert und nicht allzu überraschend, aber vielleicht trotzdem interessant:
Der Generalstaatsanwalt von New York führt gegen Merrill Lynch und andere Wallstreet-Banken eine Untersuchung wegen Manipulation von Aktien-Ratschlägen. Die jetzt publizierten Beweismittel sorgen an der Wallstreet für Aufregung.
Dieser flammende Beweis sollte allen Anlegern von Amts wegen vorgeführt werden", fordert InvestmentGuru James Cramer. "Pflichtlektüre für alle Investoren", rät das "Wall Street Journal". Worauf sie sich beziehen, ist eine Serie von E-Mails, die letzte Woche an der Wallstreet die Runde machte. Es handelt sich um interne Korrespondenzen, die das Brokerhaus Merrill Lynch den Untersuchungsbehörden des Staats New York ausliefern mußte. Und die decken auf, wie die Investmentbank ihren Kunden Aktien empfahl, die intern von den eigenen Experten als Nieten eingestuft wurden.
Das Nervenzentrum des Kapitalismus ist erschüttert, ein Exodus der Anleger von der Wallstreet wird nun ob der Machenschaften der Banken befürchtet. Der Skandal platzt ausgerechnet in die Zeit, in der die Betrügereien beim zusammengebrochenen Energiehändler Enron ebensowenig verdaut sind wie die tatkräftige Unterstützung der Wirtschaftsprüfer: Das Vernichten von Akten durch den Enron-Auditor Arthur Andersen gilt nur als Spitze des Eisbergs, fast täglich tauchen Berichte über kaum werthaltige, aber dennoch voll gewinnbringend verbuchte Transaktionen börsenotierter Firmen, bei denen die Prüfer wohlwollend ein Auge zudrückten. Bestrebungen zur Reform der Bilanzregelwerke und zur Aufwertung der Kontrollinstrumentarien in den Konzernen erscheinen angesichts der neuesten Affäre fast wie Kosmetik.
"Reiner Schrott"
Der Generalstaatsanwalt von New York, Eliot Spitzer, hatte von Merrill Lynch per Gerichtsbeschluß nicht weniger als 30.000 interne Dokumente angefordert. Aufgrund dieses Materials will er feststellen, ob die Analysten von Merrill Lynch ihre Aktien-Empfehlungen manipulierten, um mehr Geschäft für die Merrill-Lynch-Investmentbanker abzuzweigen.
Diese E-Mails seien eine "smoking gun" (ein Kron-Indiz), meinen Cramer und andere. Denn die Merrill-Lynch-Analysten machten sich über die Aktien, die sie empfahlen, intern oft lustig. "Reiner Schrott", meinte ein Analyst zu den Aktien der Firma InfoSpace, die Merrill Lynch seinen Kunden damals ans Herz legte. "So ein Ramsch", schrieb ein anderer zu "ExciteHome", einer anderen Firma, die hoch auf Merrill Lynchs Empfehlungsliste stand. Und zu "LifeMinders" und 24/7 Media, die vom größten Brokerhaus der Welt ebenfalls empfohlen wurden, meinten die Analysten schlicht: "So ein Stück Scheiße."
Die Empfehlungen der Merrill-Lynch-Analysten seien "verzerrt und parteiisch" gewesen, heißt es in einer Verlautbarung der Staatsanwaltschaft. Merrill Lynch habe seinen Kunden oft "irreführende Informationen geliefert". Die Branche benötige "eine grundlegende Reform".
Der Grund für die Manipulationen, so ist der Generalstaatsanwalt überzeugt, ist ein Interessenkonflikt der Investmentbanken: Das lukrativste Geschäft im High-Tech-Boom war das Arrangieren von Börsengängen (IPO, Initial Public Offering) und anderen Finanztransaktionen. Und um diese Mandate zu gewinnen, wollte man die Manager gewisser Firmen nicht verärgern.
So kam es, daß die Angestellten der Research-Abteilungen sich oft gezwungen fühlten, gewissen Aktien ein ungerechtfertigtes Rating zuzuordnen. Im Fall der Firma GoTo.com zum Beispiel änderte Merrill Lynch das Rating, nachdem sich das Management der Firma beklagt hatte. Denn Merrill Lynch wollte das Mandat für den Börsengang. Als GoTo das Mandat für eine zweite Finanztransaktion einer Konkurrenzbank übertrug, korrigierte Merrill Lynch das Rating innerhalb von Stunden nach unten. "Wunderbar, jetzt können wir ihnen eins auswischen", kommentierte der Star-Analyst von Merrill Lynch, Henry Blodget. An GoTo seien eigentlich nur die Kommissionen interessant, die Merrill Lynch für das Investmentbanking erhalte, gab Blodget, der "König" der Internet-Analysten, auf Anfrage eines institutionellen Kunden zu.
"Hure für Konzernleitung"
Andere Analysten, deren Korrespondenz jetzt beim Generalstaatsanwalt liegt, beklagten sich über den Druck, der von der Bankleitung komme. Die Analysten müßten oft im Interesse der Bank handeln, statt im Interesse der Kunden. "Ich hasse es, als Hure für unsere Konzernleitung zu fungieren", meinte eine Mitarbeiterin Blodgets. "Unsere kleinen Kunden verlieren ihre Altersvorsorge, weil wir es nicht wagen, die Manager gewisser Firmen zu verärgern. Die Vorstellung, daß wir unabhängig seien, ist eine große Lüge."
Die Vermögensverwalter würden nicht im Interesse ihrer Kunden handeln, sondern im Interesse der Bank, erkennen jetzt viele Kommentatoren. "Die Bank arbeitet nicht für Sie", warnt Howard Gold, der Herausgeber von "Barron's Online". "Sehen Sie sich vor." Aber in Wirklichkeit ist niemand überrascht. Wallstreets Star-Analysten haben schon seit langem die Aufgabe, der Investmentbanking-Abteilung ihrer Bank Geschäft zuzuführen. Ende 2000 brüstete sich Internet-Analyst Blodget damit, den Investmentbankern von Merrill Lynch 52 "Deals" im Wert von 115 Millionen Dollar zugehalten zu haben. Zum Dank bekam Blodget im folgenden Jahr ein Salär von 12 Millionen Dollar.
Die Tränen, die jetzt vergossen würden, seien heuchlerisch, meint James Glassman, der bekannte US-Börsenjournalist, der mit seinem Buch "Dow Jones von 36.000 Punkten" Furore machte. Die Gefahr, vor der die Wallstreet sich fürchtet, ist die Abwanderung des Publikums - daß die Kleinanleger des Spiels überdrüssig werden und die Börse verlassen.
17.04.2002 Quelle: Print-Presse
Da könnten noch einige Klagen folgen.
mfg duckman |