Die Luft wird dünner
Hans Bernecker: Die Luft wird dünner Mails/Nachrichten vom 25.01.2002, Bernecker & Cie.
-------------------------------------------------- Guten Morgen, meine Damen und Herren, 'Greenspan was here', lautete gestern die Parole, die wie ein Lauffeuer um die Welt ging. Dazu kamen die Zahlen und der Ausblick von Nokia, und damit war alles in bester Ordnung. Darum fiel das Ergebnis am Ende doch wesentlich bescheidener aus, denn + 1 % bzw. + 1,5 % in den beiden wichtigsten amerikanischen Indizes nebst dem gleichen Ergebnis im DAX bzw. Nemax sind zwar erbaulich, aber entsprechen dem, was ich gestern geschrieben habe:
Kurzfristig besteht Raum für weitere 1 - 1,5 %, aber dann dürfte die Luft wieder dünn werden. Am Beispiel von Nokia und auch SAP (siehe letzter Ticker) läßt sich das gut erklären:
Nokia legt ein blendendes Ergebnis vor. Marktanteil 37 % und 3 % Umsatzplus, aber - 10 % im Vorsteuergewinn, mithin sinkende Gewinnmarge von 19,3 auf 16,8 %. Dennoch waren alle höchst zufrieden, wenn Sie die Schlagzeilen in der heutigen Presse als Maßstab nehmen. Rechnen Sie weiter: 33 Mrd E. Umsatz sind Ziel für dieses Jahr. Dafür bewertet die Börse Nokia jetzt mit 128 Mrd E. Käme der Nokia-Kurs über 29 E. hinaus, wäre das technisch ein Kaufsignal, aber bewertungsmäßig eine Nummer zu groß. Also das gleiche Thema wie bei SAP:
In beiden Fällen handelt es sich um hervorragende Unternehmen, deren Bewertungsgrenze erreicht ist. Das werden Sie in den nächsten Monaten noch vielfach erleben. Natürlich sind 10 % Potential immer möglich, aber teuer bleibt teuer, und damit lasse ich die Finger davon. Schauen Sie sich auf Seite 8 der heutigen AB den Nokia-Chart sorgfältig an.
Das klingt natürlich alles nicht sehr erbaulich für Sie und Sie halten mich wahrscheinlich für einen Miesmacher. Ziehen Sie aber bitte die Lehren aus den vergangenen 2 Jahren. Sie heißt im Kurzformat: Wir befinden uns im Zustand relativ hoher Bewertungen, die nur begrenzte Spielräume zulassen. Sind sie ausgeschöpft, muß verkauft werden. Nach einer jeweiligen Korrektur kann aber sofort wieder zurückgekauft werden, weil dann ein neuer Spielraum entsteht. Das mag jeweils einige Monate auf der Zeitachse ausmachen, ist aber der Rhythmus der nächsten Zeit.
Wall Street konkret: Saubere Markttechnik, aber begrenzter Spielraum, wie erwähnt. Greenspan liegt richtig. Ich erlaube mir zu sagen: ich auch. Denn ich schrieb Ihnen: Ab März gibt es ganz saubere Pluszahlen und Sie werden sich wundern, wie diese dann aussehen. Ich habe stets die Meinung vertreten, daß die letzten Zinssenkungen politisch verständlich waren, mithin nachvollziehbar, aber ökonomisch überzogen sind. Deshalb wird die FED schon im zweiten Quartal über das Gegenteil nachdenken müssen. Die Renditen für Treasury-Bonds ziehen weiter an, wenn auch in kleinen Schritten. Seit drei Tagen gilt dies auch für die kurzen Zinsen. Nehmen Sie sich die Charts aus meinem Bernstein-Programm heraus und sehen Sie den logischen Zusammenhang.
In Ergänzung zur heutigen AB: Meine Limits für die Technik-Aktien liegen alle unter den aktuellen Kursen. Bleiben Sie dabei. Wir sind aus der Konsolidierungs-Phase noch nicht heraus. Insoweit verweise ich auf die AB. Ergänzend nur noch:
Meine Internet-Spekulationen werde ich etwas neu ordnen, nachdem fast alle Zahlen heraus sind. Auch die von Ariba und gestern Broadvision sowie Commerce One und CMGI. Nehmen Sie eine weitere Aktie ins Visier: Inktomi. Alle legten gestern deutlich zu. Wie weit geht das Risiko? Ich vermute, daß ich noch um einen halben Dollar niedriger zum Zuge komme. Das ist bei einem Titel wie Broadvision gleich mal 18 %. Mithin: Für diejenigen, die noch nicht investiert sind, lege ich für alle diese Titel eine Anfangsposition nahe. Das gilt für 25 % des Investments. Die weiteren Käufe werde ich dann entweder in der AB oder im Tagesticker kommentieren. Dabei sein sollten Sie aber auf jeden Fall. Für diejenigen, die schlechte Nerven haben, gilt: Leben Sie mit dieser Volatilität! Yahoo könnte eine Ausnahme sein. Auch hier gilt eine Anfangsposition billigst bis 50 %. Der Rest bleibt noch offen für Korrektur-Limits bis 16 $.
In Frankfurt ging der VDAX gestern unter 25. Das ist für mich die beste Nachricht, weil sie zeigt, daß die Korrektur noch läuft, aber eben eine Korrektur und kein neuer Negativ-Trend ist. Wenn Nokia gestern alle Technik-Werte beflügelte, so bleibt es dennoch bei meinen schon genannten Limits für die anderen.
RWE stellt die Weichen bei Hochtief. Ich hatte es Ihnen in der letzten Woche avisiert, nachdem ich entsprechende Gespräche in Essen führen konnte. Vorschlag: Rückzug bei Bilfinger & Berger und Buderus mit gutem Gewinn und Ausbau der Position Hochtief. Dazu die Zahlen in der AB unbedingt nachlesen. Kursziel ist vorerst 26/27 E. gegen akt. 18 E., aber ich kann mir eine noch höhere Notierung durchaus vorstellen.
Der erste Handelstag für Bayer in New York war für Bayer-Chef Schneider ein Erfolgs-Erlebnis. Aber zufällig war mein Sohn gestern in New York und verfolgte das ganze Prozedere auf dem 'Floor'. 'Es wurde kaum wahrgenommen'. Dazu ist der Big Board zu groß, als daß er die Erstnotierung einer Bayer-Aktie besonders zur Kenntnis nimmt. Vorteile bringt es natürlich für Bayer, weil damit eine Akquisitionswährung im US-Geschäft geschaffen ist.
Für einige sicherlich überraschend: Die deutschen Autobauer erhöhen die Produktion, obwohl Sie vor 8 Tagen in den Medien lasen, daß 2002 eines der schlechtesten Autojahre werden soll. Wie paßt das zusammen? Die Begründung gab ich Ihnen in der AB schon in ausführlicher Form. Die Deutschen sind als Hersteller von Premium-Marken in einer einmalig günstigen Position. Schwierig wird es dagegen für die Hersteller von Volumen-Serien. Blättern Sie in der AB bitte noch einmal nach. Eine weitere Anmerkung: ENBW habe ich heute zum Kauf empfohlen. Der verschobene Börsengang ändert daran nichts. Ich rate zu diesem Investment für diejenigen, die nicht unbedingt auf der heißen Seite sein wollen.
Eine beachtenswerte Euro-Prognose bietet heute Trinkaus & Burkhardt. Danach soll der Euro im Jahresverlauf knapp an die Parität zum Dollar kommen. Bemerkenswert ist vor allem die Begründung: Die Grundkonstitution der europäischen Volkswirtschaften ist deutlich besser als diejenige der USA. In Amerika habe sich das Volumen der Anlage-Investitionen von 1993 - 2000 fast verdoppelt, während es im Euro-Raum konstant blieb. Daher sei bei wegweisenden Investitionen ein Einbruch in den USA zu erwarten, während es in Europa dieses Risiko nicht gibt. Wie wahr! Warum wird in Europa so wenig investiert? Es ist schon erstaunlich, wohin die Kombinationen so mancher Volkswirte gehen. Behalten Sie diese Prognose in Erinnerung.
Ich hoffe, ich gab Ihnen mit diesem Bericht einige Denkanstöße für's Wochenende. Bauen Sie diese bitte noch nachträglich in das ein, was ich in der AB heute schrieb. Sie halten inzwischen auch meine Betrachtungen für eine veränderte Strategie in der Hand. Sie betrifft Stockguard. Was eingangs zu Nokia gesagt ist, entspricht genau dem, was Stockguard in den Märkten zu realisieren beabsichtigt.
Ein schönes Wochenende.
Herzlichst, Ihr
Hans A. Bernecker
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