Aus der Welt am Sonntag von heute
http://www.wams.de/data/2004/09/19/334735.html?s=2
Drillisch will die Nummer drei der Branche werden Im Börsenfrühstück nennt Vorstand Marc Brucherseifer den TecDax als Ziel für den Handy-Service-Provider Seinen bislang grössten Coup hat er gerade hinter sich. Ende vergangenen Jahres übernahm Marc Brucherseifer als Chef von Drillisch den doppelt so großen, profitablen Konkurrenten Victor-Vox. Damit katapultierte sich Drillisch unter den Mobilfunk-Serviceprovidern auf Rang vier.
Doch Brucherseifer will mehr. " Wir wollen die Nummer drei werden" , sagt er. Dazu schielt er auf die nächstkleineren Firmen der Branche, Carphone Warehouse/The Phone House und Telco. " Wir haben bereits Gespräche geführt, im Moment gibt es aber keine Verkaufsbereitschaft" , so Brucherseifer. " 2005 werden wir das Thema aber wieder aufgreifen." Und auch für die Aktie nennt er ein ehrgeiziges Ziel: " Wir wollen in den TecDax."
Die Mobilfunk-Serviceprovider verdienen ihr Geld, indem sie Mobilfunkminuten von den vier Netzbetreibern erwerben und unter eigenem Namen weiterverkaufen. Marktführer ist Debitel, vor Mobilcom und Talkline. Victor-Vox war die Nummer vier, weit vor Drillisch. " Wir hatten einfach einen günstigen Moment genutzt" , erklärt Brucherseifer heute, wie die Akquisition von Victor-Vox überhaupt möglich war.
Drillisch hatte sehr frühzeitig auf die veränderte Situation im Mobilfunkmarkt reagiert, Kosten reduziert und Schulden abgebaut. Victor-Vox hatte dagegen Anteilseigner, die Ende der 90er-Jahre eingestiegen waren und auf einen Börsengang des Unternehmens gesetzt hatten. Diese Träume hatten sich zerschlagen und so suchten sie nach einem Ausweg. Der einzige mögliche Käufer war in dieser Lage Drillisch, denn alle anderen Wettbewerber waren mit sich selbst beschäftigt.
Inzwischen ist der Integrationsprozess bei Drillisch weitgehend abgeschlossen und Brucherseifer baut schon wieder Cash-Positionen auf für die weitere Expansion. Ende Juni waren rund 15 Millionen Euro in der Firmenkasse, Schulden hat Drillisch keine.
So lange die kleineren Wettbewerber nicht zu einem Verkauf bereit sind, will Brucherseifer allerdings allein weiter wachsen, obwohl das heute im Mobilfunkmarkt sehr schwer geworden ist. " Bei Neukunden setzen wir vorrangig auf Prepaid-Karten, also Karten mit einem vorausbezahlten Guthaben" , sagt er. Die Bindung dieser Kunden an das Unternehmen ist zwar deutlich geringer als bei Vertragskunden. Dafür ist die Gewinnung neuer Kunden aber wesentlich kostengünstiger.
" Wir haben den Vorteil, dass wir eine Technologie entwickelt haben, um Nachladeguthaben komfortabel über unsere Partner zu vermarkten" , sagt Brucherseifer. So stehen bundesweit in 240 Filialen von Burger-King Terminals, an denen Kunden elektronische Cash-Karten zur Aufladung ihres Handyguthabens kaufen können. " King-Terminals" heißen die Geräte bei der Restaurantkette, bei Drillisch läuft das System unter dem Namen " G-Paid" . Analysten gehen davon aus, dass G-Paid im laufenden Jahr schon rund 1,2 Millionen Euro zum Ergebnis vor Steuern und Abschreibungen (Ebitda) beitragen wird.
In diesem Jahr will Brucherseifer ein Ebitda von 22 Millionen Euro erreichen bei einem Umsatz von rund 355 Millionen Euro. Für 2005 will er noch keine konkreten Planziele nennen. " Aber wir wollen schneller als der Markt wachsen" , sagt er. Das Marktwachstum beziffert er auf zwei bis drei Prozent. " Das Ebitda soll noch schneller wachsen." Dazu trägt auch bei, dass Drillisch im kommenden Jahr die Früchte aus der Integration von Victor-Vox ernten kann.
Die Analysten finden dafür durchaus lobende Worte. Dennoch sehen sie meist nicht mehr viel Potenzial für die Aktie. Brucherseifer verweist jedoch darauf, dass eine Bewertung derzeit nur schwer möglich sei. Debitel wird nach der Übernahme durch die britische Beteiligungsgesellschaft Permira gerade von der Börse genommen. Bei Mobilcom besteht immer das Problem, das Mobilfunkgeschäft von den Umsätzen der Tochter Freenet in der Bilanz abzugrenzen. " Zudem sind die deutschen Service-Provider im internationalen Vergleich sehr niedrig bewertet" , so Brucherseifer. " In Großbritannien sind vergleichbare Unternehmen das Dreifache wert."
Im kommenden Jahr kann die Drillisch-Aktie zudem durch eine technische Maßnahme wieder etwas Schub bekommen. Im Zuge der Übernahme von Victor-Vox erhielten die Altaktionäre des übernommenen Unternehmens elf Millionen nennwertlose Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von Drillisch von jeweils einem Euro. Diese Aktien notieren bereits seit Juli unter einer eigenen Wertpapierkennnummer am geregelten Markt in Frankfurt. Am 10. Januar werden nun diese Aktien in die Notierung der alten Drillisch-Aktien einbezogen. Dadurch steigt die Liquidität der Papiere.
Zudem besteht nur eine geringe Gefahr, dass die Altaktionäre von Victor-Vox sich in Kürze von dem neuen, gemeinsamen Unternehmen verabschieden und damit den Kurs abstürzen lassen. Anfang September hat die VS GmbH von ihnen bereits einen Großteil ihrer Anteilsscheine übernommen. VS steht für Volkmar Spielmann. Er ist seit Jahren als Berater für Drillisch tätig und bisher vor allem im Immobiliengeschäft in der Frankfurter Gegend aktiv. VS hat mit den Aktien auch die Haltepflicht übernommen, die bis zum 31. Dezember 2005 läuft.
Damit hat Drillisch eine recht stabile Aktionärsstruktur - im Gegensatz zu den meisten Wettbewerbern. France Télécom kann sich jederzeit von Mobilcom trennen, und es ist auch bekannt, dass Tele Danmark einen Ausstieg bei Talkline sucht. So bleibt die Lage in der Branche spannend.
Wer allerdings letztlich wen übernimmt, ist wohl in kaum einer Branche so unklar wie unter den Mobilfunk-Service-Providern. Drillisch hat bereits vorgemacht, dass Größe keine Rolle spielt. Und auch Drillisch ist nicht gefeit davor, von einem Wettbewerber übernommen zu werden. Denn die Nummer fünf unter den Mobilfunk-Service-Providern in Deutschland, Carphone Warehouse, entstand erst im vergangenen Jahr, ebenfalls durch eine Übernahme. Das britische Unternehmen hatte die deutsche Hutchison Telecom gekauft und will nun in ganz Europa eine Filialkette unter dem Namen " The Phone House" etablieren. Auch die Briten sind damit auf Wachstumskurs.
Drillisch würde daher auch gut in ihr Konzept passen. Brucherseifer bleibt jedoch sehr selbstbewusst:" Wir werden weiter eine aktive Rolle bei der Konsolidierung spielen." Frank Stocker
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